Gleich und Gleich gesellt sich … nicht immer gern

12. August 2020 von Laborjournal

Eine logische Konsequenz aus der stetigen Zunahme von Interdisziplinarität und Daten­vo­lu­men in wissenschaftlichen Publikatio­nen ist, dass immer öfter zwei oder mehr gleichwertige „Equally Contributing Authors“ die entspre­chen­den Autorenlisten anführen — meist durch Sternchen hinter den jeweiligen Namen gekennzeichnet. Da aber fast nichts in der Forschung eine derart heikle Angelegenheit darstellt wie die richtige Reihenfolge und Gewichtung der Autoren auf einem Paper, lauert durchaus hohes Konfliktpotenzial hinter der Abwägung, ob jemand jetzt etwa gleich viel dazu beigetragen hat — oder eben gerade nicht mehr.

Besonderes Konfliktpotenzial ist jedoch nur das eine, dazu kommt leider noch ein ebenfalls beträchtliches Missbrauchspotenzial. Denn wer weiß etwa schon, wie oft die Chefs ihren Lieblings-Postdoc mit einem „Gleichwertigkeits-Sternchen“ an Position 2 oder 3 einer Veröffent­li­chung hieven, zu der dieser nichts beigetragen hat, außer mal ein paar Röhrchen neben seinen eigenen Proben mitzuzentrifugieren? Nur um dessen Karriere noch ein kleines bisschen stärker anzuschieben…

Dass solch ein Szenario leider nicht nur reine Fantasie ist, bestätigte uns ein „Betroffener“ unlängst mit der folgenden E-Mail:   

[…] Als ich etwa ein Drittel meines Manuskripts durchgeschrieben hatte, schickte ich es erstmal meinem Chef zur Korrektur, bevor ich weitermachen wollte. Als ich es zurückbekam, enthielt es nicht allzu viele Kommentare. Allerdings war da plötzlich dieses ´*´ hinter meinem Namen — und das gleiche Symbol blitzte hinter dem Namen eines Postdocs, der plötzlich von Platz 5 der Autorenliste auf den zweiten Platz vorgerutscht war.

Ich ging also zu meinem Chef, um deswegen nachzuhaken: „Glauben Sie, dass wir wirklich gleich viel beigetragen haben?“ — „Ja, ich denke schon!“, war alles, was er antwortete. (Der neue Ko-Erstautor* sagte natürlich nichts dazu.)

Es klingt vielleicht komisch, aber irgendwie verlor ich an diesem Tag den Respekt vor meinem Chef.

Ich versuchte dann noch, unsere technische Assistentin mit auf die Autorenliste zu setzen, da sie tatsächlich viel für das Paper getan hatte — jedenfalls weit mehr als mein neuer „Mit-Erstautor*“. Aber ich scheiterte, der Chef ließ es nicht zu.

Später dann wollten die Gutachter ein weiteres Experiment sehen, damit das Paper letztlich angenommen würde. Immerhin führte es mein „Mit-Erstautor*“ schließlich durch, sodass er am Ende doch einen gewissen Beitrag zur Qualität meines Papers leistete. In der Tat hätte ich unter dieser Bedingung sogar mit dem ´*´ hinter seinem Namen leben können. Doch was zuvor geschehen war, war nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Irgendwie kam mir meine Ehre als Wissenschaftler wie mit Füßen getreten vor.

Jetzt verlasse ich die akademische Wissenschaft — natürlich auch aus anderen Gründen. Tatsächlich aber will ich auch so etwas nicht mehr erleben. Das ´*´ werde ich immer wie eine Ohrfeige empfinden — denn wie soll ich nach meiner eigenen Erfahrung jetzt bei anderen Arbeiten wissen, ob die Sternchen wirklich „sauber“ gesetzt sind? Viel wichtiger ist dazu jedoch: Ich will selbst niemals in der Position sein müssen, in der ich verantwortlich beurteilen muss, bei wem ein ´*´ angemessen ist und bei wem nicht. Und selbst wenn doch: Niemals würde ich meinem Erstautor auf Nachfrage lediglich mit einem schnöden „Ja, ich denke schon!“ antworten.

Nur ein blöder Einzelfall? Oder wird mit den Sternchen doch häufiger Schindluder getrieben?

Ralf Neumann

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