Jede Woche ein Paper — Geht das?

6. März 2014 von Laborjournal

Mit Hochdruck arbeitet die Redaktion gerade parallel an den beiden fetten Laborjournal– und Lab Times-Ausgaben für die Analytica in München. Daher ist es von unserer Seite auch gerade so still hier im Blog.

Doch um folgendes kommen wir nicht umhin. Soviel Zeit muss sein!

Derek Lowe berichtete vor zwei Wochen auf seinem Blog In the Pipeline über die mehr als 2.200 Veröffentlichungen des kürzlich verstorbenen US-Chemiker Alan Katritzky. Ein Kommentator wandte daraufhin simple Mathematik an und berechnete, dass Katritzky demnach über 61 Jahre hinweg alle zehn Tage ein Paper veröffentlicht habe. Ein Fall von „Overpublishing“?

In unseren Laborjournal-Publikationsvergleichen hatten wir zuvor in Einzelfällen bereits ebenfalls solch „simple Mathematik“ angewendet. So schrieben wir 2002 im Publikationsvergleich „Strukturbiologie“ über die 103 Originalartikel, die der damalige Martinsrieder Nobelpreisträger Robert Huber in den drei Jahren von 1997 bis 1999 zeichnete:

Für Platz eins, den der bereits erwähnte Nobelpreisträger Robert Huber einnimmt, war dagegen die „Kleinigkeit“ von knapp 2500 Zitierungen nötig. Huber schaffte das unter anderem durch die „Masse“, die seine am Martinsrieder MPI für Biochemie eingerichtete „Proteinstrukturfabrik“ produzierte. Ganze 103 Publikationen zierte sein Name 1997-99, was im Schnitt alle 11 Tage ein Paper macht. Wahrscheinlich Spitze unter den deutschsprachigen Biologen.

Und das betraf nur die Originalartikel. Reviews, Konferenz-Beiträge, Buch-Kapitel und ähnliches waren bereits rausgenommen.

Im Publikationsvergleich „Gastroenterologie & Hepatologie“ des gleichen Jahres versuchten wir mit dem gleichen Thema noch schärfer auf den Punkt zu kommen:

Doch welch ein Unterschied in der Publizierfreudigkeit. Spitzenvirologen und Institutschefs wie Will und Roggendorf schaffen gerade 34 bzw. 33 Originalartikel in drei Jahren, Spitzen-Kliniker wie der Hannoveraner Michael Manns (3.) oder der Ulmer Guido Adler (4.) im gleichen Zeitraum über hundert. Und die Reviews sind dabei herausgerechnet; nimmt man die hinzu, listet der Science Citation Index für Michael Manns beispielsweise 153 Artikel für die drei Jahre auf. Das macht alle sieben Tage einen Artikel, Wochenenden inklusive.

Klinische Netzwerke hin, andere Forschungskultur her — kann das gehen, wenn man etwa die DFG-Kriterien zur Autorschaft ernst nimmt? Wer kann uns plausibel beschreiben, wie das möglich ist? Wir drucken es, versprochen.

Es hatte uns damals niemand erklärt!

Inzwischen sind vielfach sogenannte „Minimal Requirements for Authorship“ definiert und aufgestellt worden — beispielsweise vom International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) oder vom Council of Science Editors. Liest man sich diese durch, ist nur schwer vorstellbar, wie jemand quasi wöchentlich sämtliche Kriterien für die Ko-Autorschaft auf einem echten Forschungspaper immer wieder neu erfüllen kann.

Im Fall von Katritzky schreibt denn auch ein Kommentator auf In the Pipeline:

Katritzky was a prolific chemist. It’s sad that many of those 2,170 papers were minor variations on the same theme.

Und dann kommt natürlich gleich folgender allgemeiner Punkt:

Finally is courtesy authorship. They’re increasingly frowned upon these days, but especially in the past there were people who got co-authorship simply for providing materials or being the department chair. (The past is a different country and all that.)

Ein weiterer Kommentator wird schon etwas zynischer:

Well, I don’t think i’m saying anything new or surprising here, but some labs and institutions have very ‚inclusive‘ criteria for what it takes to be an author on a paper. Often just being in the same room where the work was done appears to be acceptable qualification for authorship.

Und dann kommt plötzlich einer von der ganz anderen Seite:

1. If they are truly meaningful and publishable as judged by peer reviewers, why not?
2. If these people and their groups are more productive and produce more new results than others, why not?
3. This phenomenon should reflect one of the differences between ordinary and extraordinary.

Hier zeige sich folglich der Unterschied zwischen Mittelmaß und Genius, sozusagen. Hmm?

Wie auch immer, uns hat diese Diskussion sofort an unsere Frage von 2002 erinnert. Und auch wenn die Zitate gewissermaßen schon Antworten darauf bieten, wollen wir sie hier trotzdem nochmals stellen: Wer kann uns erklären, wie es jemand schafft, unter Einhaltung aller Kriterien für eine saubere Autorschaft etwa jede Woche ein frisches Forschungs-Paper zu zeichnen? Oder umgekehrt: Wer kann uns erklären, warum das wahrscheinlich beim besten Willen nicht möglich sein kann?

 

 

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