Editorial

Ein Duft zum Schwärmen

(29.6.16) Tabakschwärmer orientieren sich am Duft, wenn sie eine Tabakpflanze ansteuern. Steigt ihnen das Aroma von Benzylaceton in den Rüssel, erledigen sie ihren Job gründlich.
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© Danny Kessler / MPI Jena

In der Begrifflichkeit von Ökologie und Evolution ist eine Pflanze umso fitter, je besser sie sich fortpflanzen kann. Voraussetzung dafür ist, dass Insekten die Pflanzen finden und auch tatsächlich bestäuben – und nicht nur den leckeren Nektar schlabbern.

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena untersuchten, welchen Einfluss der Duft bei diesem Geschehen hat, und ob er überhaupt nötig ist.

Dafür taten sich die Gruppen des Spezialisten für Riechen und Rezeptoren, Markus Knaden, sowie des Experten für Pflanzenökologie, Danny Kessler, zusammen. Sie wählten das Paar Tabak (Nicotiana attenuata) und den nachtaktiven Tabakschwärmer (Manduca sexta) für ihre Experimente und stellten sich zwei Fragen: Kann der Schwärmer den Tabakduft überhaupt riechen – und wenn ja, besucht er gezielt duftende Pflanzen?

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An duftenden Blüten geben sich die Schwärmer mehr Mühe

Der Duft von N. attenuata basiert im Wesentlichen auf dem Molekül Benzylaceton. In ihrem ersten Experiment testeten die Forscher, ob die Schwärmer duftende Pflanzen häufiger besuchen als solche, die nach einer RNAi-Behandlung nicht mehr duften. Das Ergebnis war merkwürdig: ob sie Duft verströmten oder nicht, die Schwärmer besuchten alle Pflanzen gleich häufig. Allerdings bildeten die duftenden Pflanzen nach dem Insektenbesuch deutlich mehr Samen als der Tabak mit nicht-duftenden Blüten.

Wie das? Nun, die Schwärmer blieben schlichtweg längere Zeit am Duft-Tabak und erhöhten damit die Wahrscheinlichkeit, den Pollen zu übertragen. An den duftenden Blüten gaben sich die Schwärmer mehr Mühe und waren geduldiger, den elendig langen Rüssel in die schmale Röhrenblüte zu fummeln. Das ist nämlich wirklich keine leichte Übung, wie man auf einem Video genau sehen kann. Es lag also nahe, anzunehmen, dass Duft – und nicht der Nektar, den beide Pflanzen gleichermaßen zur Verfügung stellen – ausschlaggebend für die längere Verweildauer an der Blüte ist und somit auch für die effizientere Bestäubung sorgt.

Riechen die Schwärmer mit dem Rüssel oder mit den Antennen?

Die entscheidende Frage ist dann natürlich: können die Schwärmer Benzylaceton überhaupt riechen? Und wenn ja, mit welchem Organ? Als Riechorgane kommen die Antennen und der Rüssel infrage. Mit einem cleveren Testaufbau, bei dem der Schwärmer nur mit dem Rüssel in Kontakt zu den Duftstoffen kommen konnte (und nicht mit den viel kürzeren, seitlich abstehende Antennen), wiesen die Forscher nach, dass die Tiere anscheinend nur mit dem Rüssel riechen.

Ein Sinnesorgan in der Rüsselspitze

An ihrem Rüssel haben die Tiere mehrere haarähnliche Sinnesorgane, sogenannte Sensillen. Die Forscher entdeckten ganz vorne an der Spitze des Rüssels eine bisher nicht beschriebene Sensille. Und nur das Neuron dieser Sensille stellt ein olfaktorisches Co-Rezeptormolekül namens Orco her. Und ebenfalls nur dieses Neuron reagierte bei elektrophysiologischen Experimenten auf Benzylaceton und strukturell verwandte Moleküle.

Insgesamt also ein vollständiger Nachweis, dass Tabak einen Duftstoff bildet, den der Schwärmer mit einem speziellen Sinnesorgan an der Rüsselspitze wahrnimmt. Dieser betörende Sinneseindruck veranlasst ihn, an der Duftquelle ausdauernd nach Nektar zu suchen. Im Gegenzug bestäubt er die Blüte. Die Daten publizierten die Forscher in eLIFE. Und hier kann man sich – sehr lobenswert – auch die Kommentare der Gutachter anschauen. Die stellten beispielsweise die Frage, ob dieses Neuron auch auf Zuckermoleküle reagiert. Das blieb ungeklärt. Ist vielleicht auch gar nicht so wichtig, denn die Belohnung „Nektar“ erhält der Schwärmer ja erst, wenn er den Rüssel schon in der Blüte hat. Hier ging es ja eher darum, was ihn denn erst einmal dazu animiert, bestimmte Blüten überhaupt anzufliegen und sich daran abzuarbeiten.

Aber es fehlt (noch) der ultimative Beweis, dass ein Ausschalten dieser Sensille auch das Verhalten der Schwärmer beeinflusst. Den sollte man noch liefern. Dennoch zeigte man sich begeistert. Einer der Gutachter schrieb, er halte die Daten für „phantastisch“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Karin Hollricher



Letzte Änderungen: 27.07.2016