Editorial

Verschluck dich nicht!

(15.9.16) Die Bayer AG übernimmt Monsanto. Warum halsen sich die Leverkusener diesen Furunkel auf? Update v. 22.9.16: Monsanto lizenziert CRISPR-Technologie zur Genomeditierung vom Broad Institute (Boston). Ist das der Grund?
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© Day Donaldson

Die Messe ist gelesen, die Ringe getauscht, Bayer darf die Braut jetzt küssen! Wie unter anderem Süddeutsche Zeitung, Spiegel online und Börse online am Mittwoch berichteten, unterzeichneten die deutsche Bayer AG und der US-amerikanische Agrobusiness-Riese Monsanto eine bindende Fusionsvereinbarung, laut der Monsanto für umgerechnet rund 60 Milliarden Euro Teil des Bayerkonzerns wird. Das gaben die Leverkusener nach einer Sitzung des Aufsichtsrats am 14.09.2016 bekannt. Monsanto hatte den Deal bereits am Vortag abgenickt. Damit endet ein monatelanges Verhandlungspoker (siehe auch Laborjournal 06/2016), das im Mai diesen Jahres mit einem Angebot von 62 Milliarden US-Dollar (rund 55 Milliarden Euro) begann.

Kein Schnäppchen

Gestartet mit 122 $ pro Aktie, erhöhte Bayer scheibchenweise auf finale ~128 $ je Anteilsschein. Es ist eine Übernahme der Superlative: Es handelt sich um die höchste deutsche Barofferte der Geschichte und damit logischerweise auch für Bayer um den größten Zukauf seit seiner Gründung vor mehr als 150 Jahren. Bayer will den Kaufbetrag sowohl mit Fremd- als auch mit Eigenkapital finanzieren. Für ersteres haben die Banken BofA Merrill Lynch, Credit Suisse, Goldman Sachs, HSBC und JP Morgan dem Konzern bereits eine Brückenfinanzierung von umgerechnet rund 52 Milliarden Euro zugesichert. Beide Konzerne, Monsanto und Bayer, wollen die Umsetzung möglichst zügig vorantreiben. Laut Bayer wird der Abschluss der Transaktion bis Ende 2017 erwartet.

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Letzte Hürden

Allerdings müssen nicht nur die Monsanto-Aktionäre dem Deal noch zustimmen, auch die Entscheidung der zuständigen Kartellämter steht noch aus. Laut Experten könnte es da vor allem vonseiten der US-Behörden aufgrund von Überlappungen im Saatgutgeschäft (v.a. Raps, Sojabohnen und Baumwolle) Probleme geben. Sollten die Kartellbehörden die Freigabe verweigern, zahlt Bayer laut Vereinbarung 2 Milliarden USA-Dollar an Monsanto – das sind rund 500 Millionen mehr als ursprünglich angeboten.

Voll im Trend

Mit der Fusion befindet sich Bayer in bester Gesellschaft: Vor wenigen Wochen genehmigte ein US-Ausschuss die Übernahme der Schweizer Agrarchemie-Firma Syngenta durch den chinesischen Chemieriesen ChemChina. Ebenso planen die US-Chemiekonzerne Dupont und Dow Chemical ihre Fusion. Derzeit kommen Bayer und Monsanto zusammengenommen auf einen Börsenwert von mehr als 120 Milliarden Euro. Wenn Bayer Monsanto schluckt, ist der deutsche Konzern Weltmarktführer im Geschäft mit Agrochemie.

Doktor Frankenstein heiratet nun also ein Monster – Gratulation! Eines ist sicher: Bayer erwirbt mehr als nur Produkte und technisches Know-How. Monsantos Ruf ist nicht erst seit der Debatte um Glyphosat, Bestandteil des Herbizids „Roundup", unterirdisch. Die Firma gilt als dermaßen aggressiv und menschenverachtend, dass es mit einer Imagepolitur nicht getan sein wird. Warum halst man sich solch ein Hypothek auf?!

Der Grund für den Trend zum Zusammenschluss: Seit Jahren fallende Getreidepreise sowie die instabilen Märkte in den Schwellenländern setzen dem Agrobusiness stark zu. Wenn Bayer Monsanto schluckt, positioniert es sich deutlich vor seinen stärksten Konkurrenten ChemChina/Syngenta und Dupont/Dow Chemical. Selbstredend führt die Firma selbst andere Gründe an: Die schnell wachsende Weltbevölkerung und der Klimawandel verlangten nach vereinten Kräften und gebündeltem Wissen. Ja. Sicher. Klingt super. Allerdings: Was könnte man mit 60 Milliarden Euro denn sonst noch anstellen, um die Welt zu retten – außer ein Monster zu fressen?

Julia Eckhoff


Update (22.9.16): Eine mögliche (Teil-)Erklärung dafür, warum Bayer so scharf auf Monsanto ist, lieferte heute eine Presseverlautbarung von Monsanto. Wie es scheint, hatte der US-Agrarkonzert im Hintergrund seit längerem mit dem Broad Institute (einem Non-Profit Genforschungsinstitut, der an die Harvard-Universität und ans MIT angegliedert ist) über die Nutzung der CRISPR-Cas9-Gen-Editierungs-Technologie verhandelt. Das Broad Institute hält maßgebliche Patente zu CRISPR-Cas9, die Monsanto künftig, nach erfolgreichem Verhandlungsabschluss, zur Pflanzenzüchtung nutzen will: "The parties, which share a broad-licensing philosophy to enable wide-ranging benefits from proprietary innovations, expect that this non-exclusive license agreement will deliver a wide array of crop improvements to global agriculture."

Auch wenn die Nutzung der betreffenden CRISPR-Cas9-Patente offenbar "non-exclusive" ist ("...the Broad Institute grants Monsanto a worldwide non-exclusive license for agriculture applications of the CRISPR-Cas technology..."), hat sich Monsanto - und damit indirekt auch der neue Mutterkonzern Bayer - mit diesem Coup einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil erkauft. Wieviele Millionen Dollar diese Nutzungserlaubnis Monsanto/Bayer gekostet hat, steht allerdings nicht in der Pressemitteilung.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 08.12.2016