Editorial

Rekordverdächtiger Sprinter

(28.11.16) Die Meerechsen auf den Galápagos-Inseln sind nicht nur besonders flink, sondern haben auch noch eine ganz andere, rekordverdächtige Eigenschaft: Ihr Blut enthält enorm viel Salz.

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© BBC

Der britische Rundfunkdienst BBC hat Anfang diesen Monats die Dokumentarfilmreihe „Planet Earth“ in die zweite Runde geschickt. Eine Szene aus der ersten Folge der Serie ist der Online-Community dabei besonders im Gedächtnis geblieben:

 

 

 

Darin zu sehen ist die spektakuläre Verfolgungsjagd zwischen einer Horde Nattern und einer gerade geschlüpften Meerechse (Amblyrhynchus cristatus) auf Fernandina Island, eine der Galápagos-Inseln. Wer das Video noch nicht gesehen hat, klickt bitte jetzt darauf – es lohnt sich:

 

 

 

Editorial

 

Obwohl die Flucht der kleinen Echse allein schon überwältigend ist, ist das nicht das einzige, was sie zu bieten hat. Der kleine Leguan kann nicht nur besonders flink und wendig rennen, er hat auch noch eine ganz andere, rekordverdächtige Eigenschaft. Die musste aber erst mal jemand entdecken...

Meeresbiologen und Veterinärmediziner hatten kürzlich die Physiologie der Echse genauer unter die Lupe genommen, leider wegen eines traurigen Anlasses: Die International Union for Conservation of Nature (IUCN) setzte die Meerechse 2004 auf die Liste der gefährdeten Tierarten. Die Reptilien sterben hauptsächlich, weil ihr Lebensraum zerstört wird und Krankheiten oder einst domestizierte Tiere sie bedrohen. Um die weltweit einzige marin lebende Echse zu schützen, entschlossen sich Gregory Lewbart und sein Team von der North Carolina State University in den USA und der University San Francisco de Quito in Ecuador, die Reptilien erstmal gründlich durchzuchecken (Conserv Physioldoi: 10.1093/conphys/cov034).

Insgesamt fingen sie 35 Tiere auf San Cristóbal Island, einer anderen Galápagos-Insel. In einem nahegelegenen Feldlabor bestimmte die Forschergruppe die Temperatur der Echsen, zusätzlich vermaßen und wogen sie alle Tiere. Außerdem entnahmen Lewbart und Co. Blutproben von den 24 Männchen, 4 Weibchen und 7 Jungtieren und bestimmten unterschiedliche Parameter, wie beispielsweise deren pH- und Lactat-Wert. Die Ergebnisse zeigten, dass alle Tiere gesund waren und sich normal entwickelten. Lediglichein Wert erstaunte das Forscherteam: Der Natriumgehalt im Blut der Reptilien war stark erhöht und lag bei durchschnittlich 178 mmol/L.

Zum Vergleich: Beim gesunden Menschen schwankt die Natriumkonzentration im Blut zwischen 135-145 mmol/L. Steigt der Wert auf über 150 mmol/L an, spricht man von einer Hypernatriämie. Werte wie die der Meerechse wären für einen Menschen lebensbedrohlich.

Die Autoren schätzen den Natriumgehalt im Blut der Reptilien sogar noch höher ein: Denn das verwendete Messgerät konnte nur eine maximale Konzentration von 180 mmol/L ermitteln – und bei 15 Tieren schlug die Messung an dieser Grenze an. Mit diesem Ergebnis hatten Lewbart und seine Kollegen nicht gerechnet. Denn Natriumwerte in dieser Größenordnung sind auch unter Reptilien eher selten. Damit gehören die Meerechsen zu den Reptilien mit der höchsten Salzkonzentration im Blut weltweit.

Doch warum haben die Echsen so viel Natrium in ihrem Blut? Die Erklärung dafür liegt auf dem Grund des Meeresbodens: Denn die Hauptnahrung der Echsen besteht aus marinen Algen, die einen hohen Natrium- und Chloridgehalt aufweisen. Ahnen der Echsen, so vermuten die Autoren, entwickelten mit der Zeit eine Toleranz gegenüber Natriumchlorid, sodass sie die salzhaltigen Algen in ihren Speiseplan aufnehmen konnten – was ihnen einen klaren Vorteil verschaffte.

Und übrigens – um noch besser mit dem vielen Salz klar zu kommen, haben die Echsen noch ein kleines Hilfsmittel: Spezielle Drüsen an der Nase scheiden überschüssiges Salz hochkonzentriert wieder aus. Ziemlich praktisch, so eine eingebaute Filteranlage!

Juliet Merz

 



Letzte Änderungen: 07.02.2017