Editorial

Zweifelhafte RNA-Schere

(8.3.17) Eines muss man NgAgo lassen: Es lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Nachdem das Argonaut Protein als Gene Editing Tool floppte, taucht es jetzt als vermeintliche RNA-Schere wieder auf.
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© Wikipedia

Einst priesen chinesische Wissenschaftler das Argonaut Protein NgAgo aus Natronobacterium gregoryi als neues Genom Editing Werkzeug. Es erlaube - mit einem DNA-Fragment als Guide - punktgenaue Schnitte im Genom beliebiger Organismen. Nachdem sich dies als Luftnummer herausstellte (www.laborjournal.de), behauptet jetzt eine Südkoreanische Gruppe um Jin-Soo Kim (dessen Gruppe das Gene Editing mit NgAgo, wie viele andere auch, nicht reproduzieren konnte), NgAgo würde statt DNA, RNA sequenzspezifisch schneiden (bioRxiv).

Ärgerlich ist, dass auch dieses Paper ziemlich unausgegoren daherkommt. Die Südkoreaner exprimierten NgAgo zunächst als rekombinantes His-getaggtes Protein in E. coli und isolierten es über Nickelsäulchen. Im ergänzenden Methodenteil des Papers ist die Proteinreinigung detaillierter beschrieben, diverse Co-eluierte schwächere Banden bleiben jedoch unkommentiert.

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Das gereinigte NgAgo inkubierten die Forscher mit DNA-Oligos (gODN), die als Guide-DNA fungierten. Nach den Angaben der Gruppe bilden sich nach dreißigminütiger Inkubation Desoxyribonukleoprotein-Komplexe (DNPs). Schade, dass Kims Mitarbeiter dies nicht mit einem Gelshift oder einem anderen Experiment belegen.

Das Team wählte das Transkript des humanen DYRK1A-Gens als Ziel-RNA und stellte dieses mittels In-vitro-Transkription her. Die mRNA inkubierten die Forscher mit den DNP-Komplexen aus NgAgo sowie dem passenden Antisense-gODN - mit dem Ergebnis, dass die mRNA gespalten wurde. Interessanterweise müssen die gODNs eine 5'-OH oder 5'-Phosphatgruppe tragen, um den mRNA-Schnitt einleiten zu können, mit Sense-gODN bleibt die mRNA intakt.

So kamen die Südkoreaner zur Schlussfolgerung: „…that NgAgo is a (so far unique) DNA-guided RNAse rather than a DNA-guided DNAse.“

Mit unterschiedlich langen gODNs, die an verschiedenen Positionen Mismatches zur Ziel-mRNA enthielten, testete die Gruppe die Spezifität der Sequenzerkennung. Demnach steigt die Schneideffizienz mit wachsender gODN-Länge (und zwar bis 22nt), wobei außerhalb der gODN-Positionen fünf bis vierzehn Mismatches toleriert werden. Hm. Da hätten wir also ein zehn Nukleotide langes DNA-Stück, das die Spezifität vermittelt. Als In-vivo-Technologie kann man so etwas kaum verkaufen, Sequenz-identische Dekamere kommen doch in unzähligen Transkripten vor.

Skepsis ist bei diesem Paper reichlich angebraucht, vor allem auch angesichts fehlender Kontrollen. So dokumentiert zum Beispiel Abbildung 1A nicht, wie der In-vitro-mRNA-Abbau in Gegenwart eines Negativ-Proteins (anstelle NgAgo) aussehen würde.

Interessant ist zudem das Statement: „we also performed NgAgo reactions under multiple turnover conditions by incubating 0.03µM NgAgo with 0.1µM RNA substrates. NgAgo cleaved the RNA substrate completely in 16 hours”. Bei sechzehn Stunden Inkubation und 37°C würde wohl jede noch so winzige RNAse-Kontamination ihren Job erledigen.

Ist NgAgo tatsächlich für das Schneiden verantwortlich, so schafft ein Molekül NgAgo gerade mal 3,3 Moleküle Substrat. Im ergänzenden Methodenteil ist dagegen im Absatz "In vitro cleavage Assay" von 0.1µM Substrat pro 0.5µM NgAgo die Rede; also fünf Moleküle Protein auf ein Molekül Substrat.

Nicht wirklich nachvollziehbar sind die Abbildungen S4 und S5. In der ersten zeigen die Autoren, wie NgAgo sein Substrat zum größten Teil nach acht Stunden zerlegt hat, in der zweiten ist zu sehen, dass es hierfür nur zwanzig Minuten benötigt.

Mutierte NgAgo-Varianten, bei denen Aspartat-Reste im aktiven Zentrum ausgetauscht wurden, schneiden genauso gut wie natives NgAgo. Die Südkoreaner ersetzten jedoch nur jeweils einen von vier Aspartat-Resten. Ob eine Mutation, an zwei oder mehr Positionen, NgAgo lahmgelegt hätte untersuchten sie nicht.

So entsteht der Verdacht, dass am mRNA-Verdau vielleicht ganz andere Proteine als NgAgo beteiligt sind, die in der rekombinanten Proteinpräparation Co-eluiert wurden. Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen steht RNAse H (auch ohne His-Tag könnte es an His-NgAgo haften geblieben sein). Ein Immunoblot mit anti-RNAse H oder eine NgAgo-Fusion an einen anderen Affinitäts-Tag hätte hier Klarheit verschafft.

Und wenn wir schon bei RNAse H sind: Die Südkoreaner testeten den In-vitro-mRNA-Abbau in Gegenwart von EDTA (das Substrat bleibt hierbei intakt), sowie mit verschiedenen Metallionen. Dabei stellten sie fest, dass 10 µM Mn2+ oder 100 µM Mg2+ den Abbau beschleunigten. Zumindest was EDTA und MgCl angeht, erhärtet dies den Verdacht einer RNAse H-Kontamination.

Größenangaben der im Coomassie-Gel eluierten Proteine? Fehlanzeige. In Abbildung 1A ist zu sehen, dass die gODNs als Guide zum Schneiden einer 459 Nukleotide langen RNA funktionieren, aber nicht zum Schneiden einer 80 Nukleotide langen Einzelstrang-DNA. Warum nahmen die Autoren nicht ähnlich lange Moleküle für diesen Vergleich?

Überzeugende Beweise, dass NgAgo tatsächlich RNA schneidet, sehen sicher anders aus. Aber warten wir mal ab, was die endlose Geschichte um NgAgo noch so zu bieten hat.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 15.03.2017