Editorial

Schnipsel Klonierung

(22.3.17) Bei der klassischen DNA-Klonierung eluiert man die unerwünschten Fragmente aus einem Agarose-Gel. Mit der Tip-Snip-Strategie kann man hierauf verzichten.
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Wer als Molekularbiologe die Kunst der DNA-Klonierung nicht beherrscht, arbeitet in der falschen Branche. Die Klonierung beginnt mit dem Austüfteln einer Strategie und endet beim fertigen, verifizierten Konstrukt. Zwar gibt es schon seit Jahren einige (echte und vermeintliche) Abkürzungen, doch konservative Forscher setzen noch immer auf das altbewährte Schema F. Das Risiko, dass die Shortcuts zu ungewollten Überraschungen führen, ist ihnen zu groß - manchmal kann es sich aber durchaus lohnen.

Bei der traditionellen Methode schneidet man Donor- und Empfängervektor mit zwei Restriktionsenzymen in separaten Gefäßen. Insert und linearisierter Empfängervektor werden nach der Elektrophorese aus dem Agarosegel eluiert, ihre kompatiblen Enden miteinander ligiert. Anschließend transformiert man das Ligationsprodukt in E. coli.

Die von Ichiro Matsumura an der Emory University in Atlanta entwickelte Tip-Snip Klonierungs-Strategie umgeht die Gelelution (BioTechniques) und ist auch für den Hochdurchsatz geeignet.

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Die Methode fängt zunächst ganz klassisch an: Donor- und Empfängervektor werden mit zwei Sticky-End-generierenden Restriktionsenzymen (A,B) linearisiert, die in der Multiple Cloning Site schneiden. Der Verdau findet jedoch in einem einzigen, statt in zwei getrennten Eppis statt. Dabei entlässt der Empfängervektor ein kleines Fragment, das rechts und links Sticky A- beziehungsweise B-Enden trägt. Konservative Klonierer würden das Fragment mithilfe eines Gels entfernen, um das "Zurückhopsen" in den Vektor zu unterbinden.

Matsumura belässt das Fragment jedoch im Reaktionsgefäß und zerschnippelt es mit zwei zusätzlichen Restriktionsenzymen (C,D). Es entstehen winzige Fragmente (Snippets) mit A-C sowie B-D-kompatiblen Überhängen. Vom Experimentator beigefügte Anti-Snippets aus kurzen einzelsträngigen, Snippet-komplementären Oligonukleotiden, nehmen sich dieser Stückerlwirtschaft an und neutralisieren die Snippets: Nach alternierendem, Schmelzen-Hybridisieren-Schmelzen-Ligieren, verbleiben Anti-Snippet-Snippet-Paare sowie (aus Snippets stammende) Oligonukleotide. Diese werden mittels Spin-Säulchen entfernt (kleine Fragmente rutschen durch, große können anschließend eluiert werden).

Vom Donorvektor ist nur das Insert erwünscht, wie aber eine Religation verhindern? Zwei zusätzliche (Sticky-End) Restriktionsenzyme (E,F) schneiden vom linearisierten Vektor beidseitig ein Stückchen weg. Es entstehen wiederum Snippets (A-E bzw. B-F), die das selbe Schicksal erleiden wie oben beschrieben.

Um den freigelegten Donorvektor Ligations-untauglich zu machen, kreierte Matsumura doppelsträngige Oligonukleotide (Unlinkers). Diese sind an einem Ende glatt, am anderen tragen sie einen zum Enzym E beziehungsweise F passenden Überhang. Docken diese an die kompatiblen Enden des Donorvektors an, so entstehen glatte (blunt) Enden. Selbst wenn das entlassene Insert noch im Reaktionsgemisch auf der Suche nach dem Empfängervektor herum schwimmt, bleibt ein unerwünschtes Religieren in den Donorvektor aus. Die Unlinker-behafteten Donorvektoren können trotz offener Arme niemanden mehr empfangen.

Auf eine, leider nur zu oft auftretende Hürde, weiß die neue Methode jedoch keine Antwort. Trägt das Insert selbst interne Restriktionsstellen für die eingesetzten Enzyme, wird es ungewollt zerstückelt. Partieller Verdau ist die Lösung im konservativen Gel-Elutionsverfahren - Tip-Snip ist hier ratlos.

Matsumura preist seine Methode als „compatible with high-throughput processing and automated liquid handling“ und betont, dass Säulchen auch im 96-Well-Format zu haben sind. Klon-Krieger mit schmalerem Budget können aber auch auf die Säulchen verzichten: Zum Abtrennen kleiner (Anti)Snippets und Oligonukleotide ist auch die Eigenbau-Variante, mit Siliciumdioxid und Natriumiodid geeignet (Plant Methods). Die ist einfach, billig und führt nur zu minimalen Verlusten.

Ob Tip-Snip für die eigene Arbeit Sinn macht, muss jeder für sich entscheiden. Lohnen würde es sich vermutlich, wenn man es immer wieder mit den gleichen Donor- und Empfängervektoren zu tun hat. Dann könnte man regelmäßig auf die gleichen Anti-Snippet- und Unlinker-Oligos zurückgreifen.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 14.04.2017