Editorial

Über die Ehrlichkeit von Betrügern

Nature veröffentlichte kürzlich eine Umfrage zur Datenfälschung in der Forschung. Die Frage ist, ob die wirklichen Betrüger an der Umfrage teilgenommen, und wenn ja, ob sie aufrichtig geantwortet haben.

(20.06.2005) "Wissenschaftliche Redlichkeit und die Beachtung der Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis sind unverzichtbare Voraussetzungen allen wissenschaftlichen Arbeitens, das Erkenntnisgewinn anstrebt und von der Öffentlichkeit respektiert werden soll." Diesen Satz setzte der Senat der Max-Planck-Gesellschaft in seiner Sitzung am 24. November 2000 an den Beginn der "Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis".

Dies mag für viele Forscher eine Selbstverständlichkeit sein, doch immer neue Skandale zeigen, dass das Thema nach wie vor aktuell ist. Vor wenigen Tagen erst gab der Strahlungsonkologe Steven Leadon von der University of North Carolina at Chapel Hill seinen Posten ab, nachdem kürzlich ein 1997 in Science erschienener Artikel zurückgezogen worden war, bei dem es um den Einfluss des Brustkrebsgens BRCA1 auf die zelleigenen DNA-Reparaturmechanismen ging. Der Grund: Ein Untersuchungsausschuss kam zu dem Ergebnis, das er Daten gefälscht habe. Leadon bestreitet die Vorwürfe. Er erklärt in einem Interview mit The Scientist, "Der von uns zuerst beschriebene Signalweg ist immer noch gültig. Auch wenn einige der Daten, die uns zu ihm hin führten, fehlerhaft waren, sind die Ergebnisse doch grundsätzlich richtig". Er kann kein Fehlverhalten in seiner Vorgehensweise finden.

Am 9. Juni 2005 erschien in Nature (Bd. 435, S. 737) eine Umfrage, die darauf abzielte heraus zu finden, wie viele Wissenschaftler bei der Veröffentlichung von Ergebnissen schummeln. Die Forschungsprüfer Brian C. Martinson von der HealthPartners Research Foundation (HPRF), Melissa S. Anderson und Raymond de Vries von der University of Minnesota schickten an über 7000 Forscher die Fragebögen, knapp 48% antworteten. Von diesen 3247 Wissenschaftlern kreuzten 10 an, dass sie in den letzten drei Jahren Daten verfälscht oder erfunden hätten. Bei einem so geringen Prozentsatz erhebt sich die Frage, ob die Antwort den Tatsachen entspricht, oder sich die 10 einen Scherz erlaubt haben. Weitere 45 erklärten, dass sie fremde Ideen als die eigenen ausgegeben hätten; und 195 wollen Daten verheimlicht haben, die nicht zu den übrigen Forschungsergebnissen passten. Ein großer Prozentsatz (12,5%) der Befragten gestand, dass er über offensichtlichen Betrug bei Kollegen hinwegsehen würde. Dieser Grundsatz von "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" ist verständlich, wenn man die Konsequenzen bedenkt: Die Ächtung durch die Kollegen und das Ende der wissenschaftlichen Karriere.

Schwierigkeiten macht auch die unterschiedliche Auffassung des Wortes "Betrug" bei verschiedenen Leuten: Ist es wirklich Betrug, wenn aus der Reihe tanzende Daten nicht beachtet werden? Mache ich mich des Fehlverhaltens schuldig, wenn ich das Ergebnis zu kennen glaube und es veröffentliche, obwohl ich es nicht empirisch nachweisen kann?

Doch nicht nur deshalb erscheint fraglich, inwieweit die Umfrage das tatsächliche Verhalten wiederspiegelt. Martinson erklärt selbst: "Obwohl diese Antwort-Rate vergleichbar ist mit der von anderen Umfragen, muss davon ausgegangen werden, dass die Wissenschaftler, die bereit sind, zu schummeln, aus Angst vor Entdeckung eher nicht an solchen Umfragen teilnehmen werden".

Martinsons Umfrage baut darauf auf, dass Menschen sich selbst des Lugs und Betrugs bezichtigen - wenn auch anonym. Ebenso geht sie davon aus, dass Forscher, die in ihren Papers die Unwahrheit schreiben, dies im Fragebogen nicht tun. Beides nicht gerade Punkte, die das Vertrauen in die Richtigkeit der Umfrageergebnisse stärken.

Lara Winckler



Letzte Änderungen: 23.06.2005