Editorial

Wasserstoffperoxid-gebleichte RNA-Gele

(30.8.17) Die simple Vorbehandlung von RNA-Gelen mit Wasserstoffperoxid soll die ständige Gefahr durch RNasen während der Elektrophorese eliminieren. Doch hält die Technik tatsächlich, was sie verspricht?
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Struktur von RNase A
© OpenWetWare

Normalerweise kommt an dieser Stelle ein Methoden-Highlight. Dieses mal folgt stattdessen die Kritik an einem nur bedingt schlüssigen Paper. Das Abstrakt klingt vielversprechend, doch der hoffnungsvolle Leser wird bald enttäuscht. Es geht um ein allgegenwärtiges Problem bei der Extraktion und Analyse von RNA: die Gefahr des nukleolytischen Abbaus durch RNasen.

Egal ob Wurm-, Fliegen-, oder Pflanzenmaterial: im aufgeschlossenen Gewebe wimmelt es von RNasen, welche die zu isolierende RNA ratzfatz zerlegen können. Extraktionsreagenzien, wie zum Beispiel Phenol-basiertes TRIZOL, halten RNasen in Schach. Doch ist die isolierte RNA erst einmal in Wasser oder Puffer resuspendiert, fehlt ihr jeglicher Schutz. Ein winziges Stückchen Haut vom Experimentator-Daumen, eine RNase-kontaminierte Pipettenspitze, ein Partikel aus der Luft genügen: RNasen sind überall und haben hohe Umsatzraten. Sie lassen sich auch von extremen pH-Werten oder hohen Temperaturen nicht beeindrucken und überleben sogar das Autoklavieren.

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Deshalb werden wässrige Lösungen gewöhnlich mit Diethylpyrocarbonat (DEPC) versetzt, Apparaturen mit Wasserstoffperoxid-Lösung vorbehandelt und Spitzenschachteln mit neu-behandschuhten Fingern bestückt. Zudem setzen Forscher denaturierende Agenzien wie Formaldehyd, Formamid sowie Guanidinthiocyanat ein, um RNasen auszuschalten. Insbesondere bei der elektrophoretischen Trennung der RNA ist die Gefahr durch RNasen sehr hoch. In Agarose-Gelen kann der Abbau der RNA noch während des Gel-Laufs stattfinden und einen "Schmier" auf dem Gel hinterlassen, der schon so manchen Experimentator zur Verzweiflung brachte. Mit Formaldehyd/Formamid bleibt die Depression aus, dafür steigt das Krebsrisiko.

Schon 2012 fanden US-Forscher (www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22222980), dass Haushaltsbleiche in Gelen den RNA-Abbau unterdrückt. Doch werden die Gele durch die Behandlung bröckelig, laufen heiß und bremsen das Lauftempo der RNA.

Zwei Wissenschaftler der Uni Delhi versprechen in einem Analytical Biochemistry Paper, dass die simple Vorbehandlung von Gelen mit Wasserstoffperoxid zu „Superior Results" bei der horizontalen Agarose-Gel Elektrophorese von RNA führen. Sie verglichen in ihren RNase-Experimenten H2O2 mit kommerzieller Bleiche und zwar bei jeweils verschiedenen Konzentrationen (0.25 bis 5%). Die Agarose setzten sie in klassischem Tris-Acetat-EDTA (TAE)-Puffer an und versetzten das Gemisch mit 30 ng/ml RNase A. Nach zehnminütiger Inkubation mit H2O2 beziehungsweise Bleiche, kochten sie das Gel auf und gossen es in den Gelschlitten.

Die Auftrennung der RNA-Proben (mit TRIZOL extrahiert aus Caenorhabditis elegans; in OrangeG-Ladepuffer) erfolgte bei 100V für 35 bis 40 Minuten. Tatsächlich steigt die Stromstärke im Fall der Bleiche (bei max. 5%) bis auf 234 mA an. Bei H2O2 ist der Anstieg moderat (von 63 mA auf 92 mA) und das „Heißlaufen“ bleibt aus. Ethidiumbromid-gefärbte Gele zeigen die distinkten Banden von 28S, 18S sowie 5,8/5S-RNA. In Gelen, die nicht mit H2O2 oder Bleiche behandelt wurden, erscheint die RNA als Schmier.

Schmierfrei sind die Spuren in den behandelten Gelen dennoch nicht, und wer genau hinschaut sieht diverse zusätzliche-Banden (DNA-Kontamination?) im Hintergrund. Kleinlich? Leider fehlt auch eine relevante Kontrolle: die RNA-Auftrennung in reinen, nicht mit RNase vorbehandelten Gelen. Nur so ließe sich eine mögliche Beeinflussung der RNA-Qualität und des Laufverhaltens durch Substanzen der zugefügten RNase (das hitze-behandelte Enzym selbst oder seine Puffer-Bestandteile) ausschließen.

Da die Agarose-TAE-RNase-H2O2-Gemische vor dem Gießen des Gels aufgekocht werden, zerfällt das H2O2 in Wasser und Sauerstoff, es kann also nur mögliche RNase-Kontaminationen im Gel selbst blockieren. RNAsen die nach dem Gelgießen auftauchen, zum Beispiel aus Luft, Laufpuffer, Apparatur oder endogenen RNase-Spuren in der eigentlichen Probe, verhindert diese Methode nicht.

Den Grund der RNase-Hemmung durch H2O2 versuchen die Forscher ansatzweise mittels Circular Dichroismus und Dynamischer Lichtstreuung zu beleuchten. In H2O2-behandelten Enzymen verschieben sich die entsprechenden Spektren. Die indischen Forscher vermuten deshalb, dass sich der Anteil an Beta-Faltblättern in der Sekundärstruktur erhöht.

Nach Meinung der Autoren macht die H2O2-Strategie auch für DNase-gefährdete DNA-Proben Sinn, um dem nukleolytischen Abbau und somit zum Beispiel Misserfolgen bei der Ligation von DNA vorzubeugen (wer halbwegs sauber arbeitet, sollte dieses Problem aber ohnehin nicht haben). Die Inder argumentieren: „contamination of DNase in agarose gels might chew off few bases“. Dass das exonukleolytische Anknabbern von DNA in Agarosegelen mit ihrem begrenztem Auflösungsvermögen ohnehin nicht detektierbar ist, bedenken sie in ihrem „Beweis-Agarose-Gelbild“ (vergleich zwischen aufgetrennter DNA in H2O2-vorbehandelter oder nicht vorbehandelter Agarose) jedoch nicht nicht. Die erfolgreiche PCR-Amplifikation eines elektrophoretisch aufgetrennten DNA-Stücks mit am Ende positionierten Primern genügt ebenfalls kaum als Nachweis: solange die Probe nur ein paar Moleküle enthält die nicht angeknabbert sind, ist ein amplifizierbares Template vorhanden.

Kurzum: H2O2-vorbehandelte Agarose-Gele könnten eine Alternative zu Formaldehyd-Gelen für die gesundheitlich unbedenkliche Auftrennung von RNA sein. Die Vorteile sind jedoch nur minimal. So funktioniert zum Beispiel der rasche Qualitätscheck von RNA, mithilfe der TAE-Agarose-Elektrophorese, bei diversen Pflanzenmaterialien auch ohne Vorbehandlung.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 22.09.2017