Editorial

Heute vor 89 Jahren: Alexander Fleming entdeckt das Penicillin

(28.9.17) Eine der wichtigsten Menschheits-Entdeckungen nahm in einem Labor an der St Mary's Hospital Medical School im Londoner Stadtteil Paddington ihren Anfang: Ein schottischer Forscher kehrt aus dem Urlaub zurück und bemerkt in einer Staphylokokken-Kultur seltsame Kreise...
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Alexander Fleming bei der Arbeit
© Imperial War Museum

„When I woke up just after dawn on September 28, 1928, I certainly didn't plan to revolutionise all medicine by discovering the world's first antibiotic, or bacteria killer. But I suppose that was exactly what I did.“

So beschrieb der 1881 in der schottischen Kleinstadt Darvel geborene Alexander Fleming die Zufallsentdeckung, die so viele Menschenleben retten sollte wie keine andere. Der Bauernsohn begann mit 21 Jahren ein Medizinstudium an jener Einrichtung, an der er 26 Jahre später die eingangs geschilderte Entdeckung machen sollte: der St Mary’s Hospital Medical School in Paddington. 1921 wurde er zu deren stellvertretendem Leiter ernannt; im gleichen Jahr gelang ihm die Isolierung des Enzyms Lysozym. Sieben Jahre vor der Penicillin-Anekdote hatte er damit die erste natürlich vorkommende, potenziell Bakterien-zerstörende Substanz dingfest gemacht.

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Die Mutter aller Forscher-Anekdoten

Und dann kam jener legendäre Tag am 28. September 1928. Der mit seinen bisherigen Resultaten längst zu Ruhm gelangte Wissenschaftler war im Familienurlaub gewesen; die Platten mit den Staphylokokken-Kulturen, deren Eigenschaften er seit gut einem Jahr erforschte, hatte er in die hintere Ecke seiner Laborbank geschoben. Bei seiner Rückkehr bemerkte er verärgert, dass auf einer Platte ein Pilz gewachsen war – und dann mit Verwunderung („That’s funny...!“), dass rings um die Kontamination sämtliche Bakterien abgestorben waren.

Fleming brachte den Pilz in Reinkultur und entdeckte, dass er in der Tat eine bislang unbekannte Substanz produzierte, die eine Reihe Krankheits-verursachender Bakterien abzutöten in der Lage war. Der Pilz entpuppte sich als zur Gattung Penicillium gehörig, und am 7. März 1929 taufte Fleming dessen Produkt „Penicillin“. Das Antibiotikum wirkt auf die meisten Gram-positiven Pathogene, zum Beispiel auf die Erreger von Lungenentzündung, Meninghitis, Diphtherie und Scharlach, mit wenigen Ausnahmen (Neisseria gonorrhoeae) jedoch nicht auf Gram-negative Bakterien.

Flemings Veröffentlichung im British Journal of Experimental Pathology anno 1929 blieb weitgehend unbeachtet. Seine sich anschließenden Versuche, den Schimmelpilz zu kultivieren und vor allem, dessen Antibiotikum in größeren Mengen zu isolieren, waren ebenfalls nur mäßig erfolgreich – und so schätzte er die Erfolgsaussichten, Penicillin als Medikament einzusetzen, als niedrig ein. Kurz nachdem sich der Entdecker in den 1940ern endgültig von Penicillin abwandte, gelang Howard Florey and Ernst Boris Chain in Oxford die Massenproduktion.

Manche Historiker behaupten, dass es gegen Ende des Zwieten Weltkriegs speziell nach der verletzungsträchtigen Invasion in der Normandie 1944 kriegs- oder zumindest schlachtenentscheidend gewesen sei, dass den alliierten Truppen Penicillin nahezu grenzenlos zur Verfügung stand, den Mittelmächten hingegen nicht.

In Anerkennung seiner Verdienste wurde Fleming 1944 geadelt; ein Jahr später verlieh man ihm sowie Florey und Chain „für die Entdeckung des Penicillins und seiner heilenden Wirkung bei verschiedenen Infektionskrankheiten“ den Nobelpreis. Am 11. März 1955 starb der Wissenschaftler in London an einem Herzinfarkt und wurde in St Paul’s Cathedral zu Grabe getragen.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 21.10.2017