Editorial

Einzelzell-Fahndung bei CRISPR-Screens

(25.10.17) Gepoolte CRISPR-Screens sollen Auskunft über die Funktion von Genen liefern. Die üblichen Verfahren berücksichtigen jedoch nicht, dass identische sgRNAs unterschiedliche Phänotypen in einer Zellpopulation auslösen können. Eine neue auf barcodierten sgRNAs basierende Screening-Technik erlaubt die Analyse einzelner Zellen.
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© Ben Panko

Die CRISPR/Cas9-Technologie wird entsprechend modifiziert für unterschiedliche Fragestellungen verwendet. Das Prinzip bleibt jedoch immer gleich: eine guideRNA führt Cas9 oder eine andere Endonuklease zu dem gewünschten Abschnitt des Genoms wodurch dieser zerschnitten wird. Bisher konzentrierten sich die Forscher bei der Optimierung von CRISPR/Cas9-Experimenten darauf, eine möglichst hohe Spezifität der sgRNA zu erzielen, um unerwünschte Off-Target-Effekte zu verhindern. Zusätzlich suchten sie nach neuen Cas9-Varianten, die schneller oder effizienter arbeiten. Einen dritten Aspekt ließen sie aber meist außer acht - die Heterogenität der Zellpopulationen.

Nicht jede Zelle reagiert auf dieselbe CRISPR-Manipulation gleich. Das ist insbesondere bei gepoolten Ansätzen problematisch, die mehrere Kandidaten-Gene gleichzeitig testen. Um einen Pool unterschiedlicher Mutanten zu erzeugen, transfiziert man Cas9 exprimierende Zellen mit viralen Bibliotheken, die für die gewünschten sgRNAs codieren. Misst man die relative Häufigkeit der sgRNAs in Zellpopulationen vor und nach einer Selektion (etwa der Anfälligkeit für ein Mutagen), erkennt man sgRNA-Spezies die ausgedünnt oder angereichert wurden und kann auf die entsprechenden Zielgene rückschließen.

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Bei diesem Verfahren ist aber Vorsicht geboten: Der sgRNA-Cas9-vermittelte Strangbruch findet zwar im Zielgen statt und wird dank der zelleigenen nichthomologen End-zu-End-Verknüpfungs-(NHEJ)-Reparaturmaschinerie wieder geschlossen. Mitunter bleibt der Leserahmen aber trotz des herausgeworfenen Stücks erhalten, das betroffene Gen kann unter Umständen funktionell bleiben oder sogar hyperaktiv werden. Bei der statistischen Auswertung führt dies zu unschönen Ausreißern.

Eine Gruppe um Ulrich Elling vom Wiener Biozentrum entwickelte deshalb die CRISPR-UMI-Technik, mit der Forscher Einzelzellen bei gepoolten CRISPR-Screens aus der Anonymität der Zellpopulation herausholen können (Nat Meth). Die Strategie besteht darin, eine CRISPR-Manipulation eindeutig einer Einzelzelle zuzuordnen. Zellen, die im gleichen Gen manipuliert sind, bleiben einzigartig und unterscheidbar. Der Trick hierfür sind Barcodes (Unique Molecular Identifiers, UMI) die aus Zufallsmotifen von zehn Nukleotiden bestehen. Diese stehen vor der eigentlichen sgRNA und werden bei der NGS-Sequenzierung der Zellen nach dem Selektionsschritt mitgelesen. Statt wie bisher ein Gesamtbild einzufangen, das durch einzelne Ausreißer verzerrt wird - etwa einen extrem auffälligen Phänotyp, der mit der eigentlichen Genmutation nichts zu tun hat - verliest CRISPR-UMI die Zellen quasi von Hand.

Die Barcode-Markierung von Zellen ähnelt der von Büchern in einer modernen Bibliothek: Im Archiv ist jeder Buchcode einmalig, dennoch kann es mehrere Exemplare des selben Buchtitels (Zielgen-Mutation) geben. Ein fehlerhaftes Exemplar, etwa mit einem Eselsohr (Ausreißer), kann physisch entfernt und sein Archiveintrag gelöscht werden.

Das Team testete das CRISPR-UMI-Verfahren bei CRISPR-Screens mit negativer (Dropout) und positiver Selektion. Für die Dropout-Experimente transfizierten die Forscher Mäusezellen mit einer barcodierten CRISPR-Bibliothek die 26.000 sgRNAs enthielt. Die sgRNAs zielten auf 6560 Gene. Anschließend behandelten die Forscher die Zellen mit Etoposid, das Doppelstrangbrüche in der DNA auslöst. Die Häufigkeit der einzelnen sgRNAs bestimmten sie mittels Sequenzierung vor und nach der Etoposid-Behandlung. In diesem Fall deuteten ausgedünnte sgRNA-Spezies auf potenzielle DNA-Reparaturgene hin. Die Gruppe stieß hier auch auf die üblichen Verdächtigen, etwa bekannte Gene des NHEJ-Signalwegs wie Lig4. Dank der hohen Sensitivität des CRISPR-UMI-Screens deckte das Team aber auch zwei neue Kandidaten auf: Einen ABC-Transporter sowie eine SUMO E3-Ligase, die sie in K.O-Experimenten verifizierten.

Für die positiven Selektions-Experimente nutzten die Forscher Mausembryo-Fibroblasten, die eine sogenannte OKSM-Kassette trugen. Die OKSM-Kassette beherbergt vier Transkriptionsfaktoren, unter anderem Oct4, die nach der Induktion mit Dox exprimiert werden und die Zellen in induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC) umwandeln. Damit die Forscher die Zellumprogrammierung verfolgen konnten, enthielten die Zellen zusätzlich ein Oct4-GFP-Reportergen.

In die so vorbereiteten Mausfibroblasten schleusten die Wiener Cas9 sowie die komplette CRISPR-UMI-Bibliothek ein. Nach der Behandlung mit Dox und einigen Tagen Kultivierung fischten sie GFP-positive Zellen, die erfolgreich zu iPS-umprogrammiert wurden, mit einem Durchflusszytometer heraus. Anschließend ermittelten sie in den Zellen die Menge der sgRNAs und verglichen sie mit unbehandelten Kontrollen. Mithilfe der Barcode-Markierungen konnte das Team zusätzlich messen, wie häufig unabhängige sgRNA-Barcode-Kombinationen (iPSC-Kolonien) auftraten. Diese gaben Auskunft über die Koloniegröße und somit über die Geschwindigkeit der Umprogrammierung sowie die Wachstumsrate - was mit bisherigen Verfahren nicht möglich war. Hierdurch konnten die Forscher erstmals zwei Typen von Kandidaten-Genen unterscheiden: der erste legt den Schalter zur Pluripotenz um, der zweite hilft der Zelle, diese schneller zu erreichen.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 17.11.2017