Editorial

Skalpell statt Holzhammer

(2.11.17) Mit einem ausgeklügelten Adenin-Basen-Editor lassen sich Basen in DNA-Sequenzen austauschen, ohne den Strang zu zerschneiden. Ein ähnliches System ermöglicht den Austausch in RNA.
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© Susannah Hamilton

Das konventionelle CRISPR/Cas9 System zur Edition von Genen ist trotz vieler Modifikationen und Verbesserungen ein ziemlich grobschlächtiger Haudrauf: Geführt von der guideRNA (gRNA) findet die Nuklease Cas9 ihre Zielsequenz und zerschneidet den DNA-Doppelstrang ohne viel Federlesens. Das zelleigene Reparatursystem verknüpft die losen Enden durch Nicht-Homologe Rekombination (NHEJ) – macht hierbei jedoch Fehler, die in der Regel zur Inaktivierung des betroffenen Gens führen. CRISPR ist deshalb perfekt dazu geeignet, Gene zuverlässig auszuknocken.

Soll das anvisierte Gen jedoch durch eine Variante ersetzt werden, bleibt bei Nuklease-basierten Techniken wie CRISPR/Cas vieles dem Zufall überlassen. Hat der Experimentator Glück, setzt das auf homologer Rekombination (HR) basierende Reparatursystem der Zelle das untergeschobene DNA-Fragment korrekt an der richtigen Position ein. Das ist jedoch nicht immer der Fall und funktioniert nur in Zellen, die sich teilen.

Editorial

David Liu von der Universität Harvard arbeitet schon seit einiger Zeit an Editier-Systemen, die feinfühliger vorgehen als CRISPR/Cas und gezielt nur einzelne Basen austauschen. Sein neuestes Basen-Editier-System stellte er mit seinem Team in Nature vor.

Die Idee, die hinter Basen-Editoren steckt, ist im Grunde simpel und bedient sich aus dem CRISPR/Cas-Baukasten. Ein Grundbaustein des Systems ist eine katalytisch inaktive Cas9-Mutante (dCas), die den DNA-Doppelstrang nicht schneidet, sondern auf dem Zielabschnitt aufweitet und in Einzelstränge trennt. Wie beim klassischen CRISPR-System wird dCas von der entsprechenden gRNA zur Ziel-Sequenz geführt. Um dort zum Beispiel die Basenpaarung C:G in T:A zu überführen, muss man nur noch zwei weitere Komponenten mit dCas fusionieren: Eine Einzelstrang-spezifische Cytidin-Deaminase sowie eine Nickase. Die Cytidin-Deaminase schreibt Cytidin innerhalb des aufgetrennten Doppelstrangs in Uracil um. Gleichzeitig bricht die Nickase den nicht-editierten Strang in dem geöffneten DNA-Abschnitt und setzt hierdurch die DNA-Reparaturmaschinerie in Gang. Diese ersetzt den Guanin-enthaltenden Strang, erkennt Uracil als Tymin und paart es schließlich mit Adenin, wodurch der Austausch von C:G zu T:A perfekt ist.

C:G-zu-T:A-Basen-Editoren sind zwar ganz nett – viel interessanter wäre jedoch ein Basen-Editor, der die Umwandlung von A:T zu G:C katalysiert. Mehr als fünfzig Prozent humanpathologischer Punktmutationen resultieren aus der spontanen Deaminierung von Cytosin und der anschließenden Umwandlung von C:G zu T:A. Um diese rückgängig zu machen, bräuchte man einen Adenin-Basen-Editor (ABE), der Adenosin deaminiert und in Inosin überführt. Inosin paart mit Cytosin und wird von der Replikationsmaschinerie als Guanosin gelesen beziehungsweise repliziert.

Keine schlechte Idee – in der Natur existiert jedoch keine Adenin-Deaminase, die DNA als Substrat akzeptiert.

Lius Mannschaft ließ sich hiervon nicht beirren. Sie besorgte sich eine tRNA-Adenin-Deaminase (TadA) aus E. coli, die Adenin in der einzelsträngigen Anticodon-Schleife der tRNA in Inosin überführt. Das war der erste clevere Schachzug von Lius Truppe, denn sie brauchte eine Adenin-Deaminase, die nur innerhalb der aufgeweiteten Ziel-DNA auf einem Strang aktiv ist. Die zweite Glanzleistung war ein intelligentes Selektions-System in E.coli. Dieses basierte auf Punktmutationen in Antibiotika-Resistenz-Genen, die die Adenin-Deaminase reparieren musste. Nur wenn sie dies erfolgreich tat, konnten die Zellen auf Antibiotika-behandelten Platten wachsen.

Lius Mitarbeiter schickten verschiedene TadA-dCas-Nickase-Fusionen, die unterschiedliche Mutationen in TadA enthielten, durch die Selektionsmühle. Nach mehreren Optimierungsrunden blieben schließlich verschiedene Adenin-Basen-Editoren mit unterschiedlicher Adenin-Deaminase-Aktivität übrig. Die aktivste Variante empfiehlt Lius Team für die A:T-zu-G:C-Basen-Edition.

Im Wettlauf um die neuesten CRISPR-Techniken darf Feng Zhang vom Broad Institut in Cambridge, USA, natürlich nicht fehlen. Zeitgleich mit Liu veröffentlichte seine Gruppe ein Science-Paper, das einen Adenin-Basen-Editor für RNA beschreibt. Wie bei Liu basiert auch dieser auf einer Adenosin-Deaminase, die Adenosin in Inosin überführt. Zhangs Mannschaft musste diese jedoch nicht mühevoll über Selektion und genetisches Engineering herstellen wie Lius Team: Die Natur stellte sie in Form der 'auf RNA einwirkenden Adenosin-Deaminase' (ADAR) generös zur Verfügung. Für ihren Basen-Editor musste die Gruppe lediglich die Deaminase-Domäne von ADAR mit der katalytisch inaktiven Cas-Variante dCas13b fusionieren. Auch bei Zhangs Technik führt eine gRNA das Fusions-Protein zum Ziel. Die gRNA hybridisiert hierzu mit den RNA-Sequenzabschnitten, die das zu editierende Adenin umgeben. Um die Effektivität der Basen-Edition zu erhöhen, enthält sie zudem ein fehlgepaartes Cytosin, das als Gegenpart für das auszutauschende Adenin dient – und dieses für die Basen-Edition quasi markiert.

Die weitere Funktionsweise ist ziemlich unspektakulär: Die ADAR-Domäne wandelt Adenin auf dem anvisierten RNA-Abschnitt in Inosin um, das bei den meisten zellulären Prozessen als Guanosin durchgeht.

Harald Zähringer



Letzte Änderungen: 23.11.2017