Editorial

Wie alles begann

(15.01.2018) In ihrer fünfzigsten Kolumne für Labor­journal erinnert sich unsere (andere) TA, wie und warum sie damals überhaupt zum Schreiben von Labor-Kolumnen kam. Nicht ganz schuldlos waren unver­standene bioche­mische Reaktionen.
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Hätte ich in meinem zweiten Ausbildungsjahr zur Technischen Assistentin eine Eins in Biochemie und Organischer Chemie gehabt, hätte es in den letzten sechs Jahren hier wohl keinen Text von mir zu lesen gegeben. Es sei denn, das Schicksal hätte mich auf Umwegen zum Schreiben von Labor-Kolumnen geführt.

Ein Quäntchen Verdienst gebührt daher vielleicht auch der Komplexität der damals im Unterricht abgehandelten biochemischen und organischen Reaktionen wie „Gringnard“ und „Cannizzaro“, die ich damals beim besten Willen nicht begriff. Mein Gehirn weigerte sich schlichtweg, das korrekte Umklappen irgendwelcher Bindungen zwischen einzelnen Molekülen zu erfassen. Klappte einfach nicht.

Womit ich nicht allein war. Meine Klassenkameradin Rita tat sich ebenfalls schwer.

Bianca und Susanne versuchten mehrmals, uns beiden die Umklappungen zu erklären, wir gründeten dafür sogar eigens unser „Lernquartett“ – leider ohne messbaren Erfolg.

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Schließlich sahen wir ein, dass es nicht mit ein paar Minuten Erklären getan war. Hier mussten andere Kaliber aufgefahren werden. Und so kamen wir auf die Idee eines Intensivtrainings. Sozusagen ein biochemisches Bootcamp. Dieses wollten ich und meine drei bereits erwähnten Klassenkameradinnen im Rahmen eines verlängerten Pfingstwochenendes an der Müritz veranstalten.

„Dort machen wir vormittags Unterricht – und nachmittags unternehmen wir was“, verkündete Bianca, die aufgrund ihrer guten Noten zur Hauptlehrerin auserkoren worden war.

Dass die Komplexität der von ihnen entdeckten Reaktionen zirka hundert Jahre später einen Lernurlaub an der Müritz nach sich ziehen würde, haben die Herren Gringnard und Cannizzaro damals bestimmt auch nicht erwartet.

Eine Einser- und eine Zweier-Kandidatin, zusammen mit zwei Vierer-Kandidatinnen. Was soll ich sagen? Es funktionierte! Ich werde nie vergessen, was unsere Lehrerin in Organischer und Biochemie neben meine gute Note in der Examensarbeit schrieb: „Geht doch ☺!“

Da wir Vier es neben der ganzen Lernerei auch sehr lustig miteinander gehabt hatten, beschlossen wir, uns fortan jährlich an Pfingsten zu treffen. Was mit gelegentlichen Babypausen zu meiner großen Freude bis heute funktioniert.

Und während ich die ganzen Gleichungen und Formelumstellungsregeln längst wieder vergessen habe – Nicht hauen, Bianca! –, hält das durch den Lernurlaub geschmiedete Band zwischen uns Vieren bis heute. Obwohl wir uns in alle Himmelsrichtungen Deutschlands verstreut haben, kommen wir jährlich für ein paar Tage zusammen.

Am Pfingstsonntag 2012 saßen wir daher gemütlich in einem Eiscafé beisammen und tauschten Lagerfeuergeschichten aus. Was die Kollegen so treiben, wie lange wir auf Bestellungen warten müssen, wie die Vertreter so sind. TA-Belange eben. Dabei kam es zu folgendem Dialog:

Bianca: „Tolle Geschichten. Die müsste man mal aufschreiben.“

Ich: „Was guckst du mich so an?“

Bianca: „Na, wer von uns macht denn gerade einen Schreibkurs?“

Was leider nicht von der Hand zu weisen war. Ich hatte tatsächlich bereits ganze vier neunzigminütige Termine meines Volkshochschul-Kurses für kreatives Schreiben besucht. In 360 Minuten vom Schreibkursteilnehmer zur Chronistin. So schnell kann´s gehen. Andererseits soll Aufschreiben ja hilfreich beim Verarbeiten von Erlebnissen sein. Also setzte ich mich nach der nächsten Arbeitskrise zuhause an meinen Schreibtisch und fing einfach an. Mal sehen, was so dabei herauskommt.

Was soll ich sagen? Es funktionierte! Die Geschichte über eine problembeladene Erbsensaatgutlieferung floss flüssig aufs Papier. Das Ergebnis mailte ich meinen drei TA-Freundinnen, bei denen die Geschichte ebenfalls große Heiterkeit auslöste. Da packte mich der Ehrgeiz. Vielleicht begeistert meine Geschichte auch eine größere Leserschaft? Auf einen eigenen Blog hatte ich keine Lust, also mailte ich meinen Text kurzerhand an die Laborjournal-Redaktion – mit dem Vorschlag, mein Werk in ihrem Journal abzudrucken. Mein kühner Vorstoß wurde belohnt. Am nächsten Tag schon fand ich in meinem E-Mail-Postfach eine Antwort-Mail vor. Vom Chefredakteur persönlich.

„Nehmen wir, wie oft können Sie liefern?“

Schluck! Damit hatte ich nicht gerechnet. Die wollten nicht nur meinen einen Text veröffentlichen, die wollten mehr. Kriege ich das hin?

Ich kriegte und kriege es immer noch hin. Dies ist immerhin schon die fünfzigste Kolumne, die das tägliche Geschehen in unserem Labor thematisiert, und wenn hier aktuell mal nichts los ist, krame ich alte Erlebnisse aus meiner Erinnerung hervor. Schließlich soll man ja auch seine Vergangenheit verarbeiten.

An dieser Stelle vielen Dank an meine drei Damen vom Lernquartett, an die Laborjournal-Redaktion, an meine Leser – und auch an meine Kollegen. Jemand muss all die inspirierenden Dinge ja erst einmal mit mir erleben, bevor ich sie aufschreiben kann.

Mal sehen, für wie viele zukünftige Kolumnen Gegenwart und Vergangenheit noch reichen.

Ich bin gespannt.

Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 15.01.2018