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Flotte Gensynthese im Tröpfchen

(24.01.2018) Mal eben auf die Schnelle ein komplettes Gen synthetisieren, kostengünstig und nur mit der ohnehin vorhandenen Laborausstattung? Davon träumt so mancher Molekularbiologe. Mit der neuen Gensynthese-Methode DropSynth wird der Traum wahr.
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(24.01.2018) Auch wenn sich Fragen zur Funktion von Gensequenzen oder bestimmten DNA-Motiven mithilfe der Bioinformatik lösen lassen, braucht man immer das reale Gen sowie dessen Genprodukt, um eine Hypothese auch beweisen zu können. Mit der rasanten Entwicklung funktioneller Assays konnten Gensynthese-Methoden aber nicht mithalten. Theoretisch könnte man zum Beispiel tausende Sequenzen exprimieren und in Hochdurchsatz-Screenings diejenigen Vertreter identifizieren, die für das effizienteste Enzym kodieren. Dieses Vorgehen scheiterte bisher aber daran, die Gene in voller Länge im Großmaßstab herstellen zu müssen.

Mit der DropSynth-Technik, die ein US-amerikanisches Forscherteam um den Experten für Bioengineering Sriram Kosuri von der University of California, Los Angeles, entwickelte, rückt die großangelegte Gensynthese auch in die Reichweite kleiner Labore. DropSynth ist ein Multiplex-Verfahren zum Bau großer Bibliotheken mit vorab definierten Gensequenzen. Es nutzt Microarray-generierte Oligonukleotide sowie Barcodes zur Sortierung, Kügelchen (Beads) als selektive Werkbank und Wasser-in-Öl-Tröpfchen als Fabrikhallen.

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Alle gleichzeitig

Die Idee von DropSynth ist, mehrere Gene, zum Beispiel 96 homologe Vertreter, gleichzeitig zu synthetisieren, und zwar aus etwa 200-Nukleotiden-langen Oligonukleotiden. Die Enden benachbarter Oligos sind hierbei mit überlappenden Sequenzen versehen. Bei dem anschließenden Polymerase Cycling Assembly (PCA), das ähnlich funktioniert wie eine übliche PCR, synthetisiert eine KAPA-Hifi-Polymerase mithilfe von Amplifikations-Primern, aus den ineinandergreifenden Einzelsträngen einen Doppelstrang, der dem fertigen Gesamt-Gen entspricht.

Anstatt für jedes Gen eine einzelne PCA-Reaktion anzusetzen, schmeißt man bei DropSynth jedoch alles in einen Topf: Die Sortierung der Oligos, die bei der jeweiligen Synthese "mitwirken" sollen, läuft durch eine Barcodierung ganz von selbst. Sowohl die Oligos als auch die Kügelchen tragen einen Barcode aus 12 Nukleotiden, mit dem sie sich gegenseitig erkennen. Jedes Kügelchen akzeptiert nur eine ganz bestimmte Barcode-Sequenz.

Blonde und Brünette

Die Beads sind mit dazu passenden Gegenstücken "behaart", die aus komplementären 12-Nukleotiden-langen Sequenzen bestehen. So ist sichergestellt, dass nur passende Fragmente zusammenkommen. Um beim Vergleich mit den Haaren zu bleiben: Es gibt nur eine einfarbige Behaarung. An blonden Kügelchen finden sich Oligos für Gen A, an brünetten Kügelchen jene für Gen B etc. Hunderte Haarfarben, und somit Gene, sind möglich.

Der Clou ist, dass man für die gesamte Synthese und Einzelkundenbehandlung nur einen einzigen "Frisiersalon" betreiben muss. Die einzelnen Kügelchen, sowie auch alle von diesen eingefangenen Oligos, stecken in einem winzigen, wenige Pikoliter fassenden Wasser-in-Öl-Tröpfchen. Der Tropfen verhindert jeglichen Kontakt mit anderen Kügelchen oder nicht-passenden Genabschnitten.

Behaarte Kügelchen werden mit Oligos inkubiert, nichtgebundene Oligos weggewaschen. Anschließend werden die so beladenen Kügelchen mit dem PCR-Mix, einem Restriktionsenzym sowie etwas fluoriniertem Öl gevortext, wodurch eine Wasser-in-Öl-Emulsion entsteht. Im Verlauf der PCR löst das Restriktionsenzym die vom Kügelchen eingefangenen Oligos und legt so die Gen-Bausteine frei. Mit dem Polymerase Cycling Assembly-Verfahren werden die einzelnen Sequenzstücke schließlich zum Gesamt-Gen zusammengebaut. Zum Schluss muss man die synthetisierten Gene nur noch aus den Mini-Inkubatoren herausholen. Dazu versetzt man die Emulsion ganz einfach mit Chloroform.

Realistische Genlängen

Die Forscher raten zu einer Größenselektion nach dem Zusammenbau. So stellt man sicher, dass zum Beispiel unfertige Produkte oder überlange Artefakte aussortiert werden. Mögliche Bauelemente sind zum Beispiel drei oder vier Oligos mit etwa 250 Nukleotiden. Ob Genlängen deutlich jenseits von 1 kb realistisch sind, muss sich zeigen. Die Qualitätskontrolle und Effizienzberechnungen der Gruppe basierten auf NGS-Daten. Die Sequenzierung sollte aber für zukünftige Nutzer der Technik nicht unbedingt nötig sein, insbesondere wenn man sich eigentlich nur für „die perfekte“ Gensequenz interessiert und andere Kandidaten nur loswerden will.

In diesem Fall kann es gleich mit einem Selektionsschritt weitergehen. Hierfür lässt sich die Genbibliothek in einen Expressionsvektor klonieren. Die Gruppe um Kosuri erstellte zum Beispiel eine Bibliothek aus PPAT-Genen (einem Enzym der CoA-Synthese), transformierte entsprechende Expressionsvektoren in eine E.coli-Mutante mit PPAT-Defekt und schaute in einem Komplementations-Test für PPAT nach Überlebenden.

Dreimal tausend

Je dreimal haben die Forscher hierfür die Bakterienkultur um den Faktor 1000 verdünnt und re-kultiviert. Aus den Überlebenden dieses Broad Mutational Scanning ermittelten sie die PPAT-Sequenzen. Ein Sequenz-Alignment verdeutlichte schließlich, welche Aminosäurereste und Proteinregionen für die PPAT-Aktivität wichtig sind.

Grob geschätzt kostet ein mit DropSynth synthetisiertes Gen ungefähr zwei US-Dollar. Sehr zu empfehlen ist das Video, das die DropSynth-Strategie gut erklärt.

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 24.01.2018