Editorial

Antikörper für Tierfreunde

(29.01.2018) Forschern am MPI in Göttingen ist es gelungen, Nanobodies mit exzellenten Eigenschaften für die hochauflösende Mikroskopie in E. coli zu produzieren.
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(29.01.2018) Laborarbeit wird immer geeigneter für Vegetarier oder andere Tierschützer. Wer im Privatleben kein Fleisch isst, aber im Labor fleißig Antikörper benutzt, ist sich dessen vielleicht gar nicht bewusst – auch hierfür werden Tiere (meist Mäuse, Kaninchen, Ziegen oder Esel) genutzt und „geopfert“. Dennoch brauchen wir sie: Primäre Antikörper gegen unsere Lieblingsproteine, und sekundäre Antikörper, um sie im Western Blot oder Fluoreszenz-Mikroskop auch sehen zu können. Tiere sind unabdingbar als Antikörper-Produzenten, oder doch nicht?

Verschiedenste Proteine werden bereits von Bakterien produziert - das Problem mit Antikörpern ist jedoch ihre Komplexität. „Klassische Antikörper sind komplexe Proteine, die aus vier Einzelproteinketten, zwei schweren und zwei leichten Ketten, zusammengesetzt sind. Sowohl schwere als auch leichte Kette bestehen aus mehreren Domänen, deren stabile Faltung auf die korrekte Ausbildung von Disulfidbrücken angewiesen ist“ erklärt Dirk Görlich, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. „Im Gegensatz zu professionellen Antikörper-produzierenden Zellen des Immunsystems haben Bakterien aber Probleme damit, Multidomänen-Proteine zu falten und die einzelnen Cysteine korrekt miteinander zu verbinden. Daher führt die Antikörper-Produktion in Bakterien oft leider nur zur Bildung unlöslicher Aggregate.“

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Zu kompliziert für Bakterien

Zum Glück haben nicht alle Tiere solch ein kompliziertes Immunsystem wie wir. Kamele und Alpakas, zum Beispiel, haben Antikörper (sogenannte Nanobodies), die nur aus schweren Ketten bestehen und zudem nur ein Zehntel so groß sind wie unsere Antikörper. „Da Nanobodies lediglich aus einzelnen Domänen bestehen, können sie auch ohne Disulfidbrücken stabil in Bakterien gefaltet werden. Somit können sie auch in großer Menge löslich produziert werden“, schwärmt Görlich. Daher arbeiten er und andere Wissenschaftler schon seit Jahren mit Hochdruck daran, Nanobodies für Anwendungen im Labor herzustellen. Leider ist das nicht ganz so einfach, denn, zum Beispiel, für die Fluoreszenz-Mikroskopie erreichen die kleinen Nanobodies bisher nicht die Fluoreszenz-Intensität ihrer großen Konkurrenten. Das liegt ganz einfach daran, dass weniger Fluorophore an die kleinen Nanobodies gekoppelt werden können.

MPI-Direktor Dirk Görlich und seinem Team ist es nun gelungen, diese und weitere Schwachstellen der Nanobodies zu schließen. Sie haben ein Protokoll zur Massenherstellung dieser Nanobodies veröffentlicht und zeigen zudem noch Vorteile von Nanobodies gegenüber herkömmlichen sekundären Antikörpern.

Zwei wichtige Punkte

Erstautor Tino Pleiner fasst das Vorgehen zusammen. „Begonnen haben wir mit einer Vielzahl von Bauplan-Varianten der Nanobodies, die wir aus einer kleinen Menge Blut von zwei immunisierten Alpakas extrahiert haben. Durch das Phage-Display-Verfahren haben wir dann die besten Varianten herausgefischt und mit diesen schließlich Bakterien für die Nanobody-Produktion programmiert“. Wie die Wissenschaftler feststellten, hängen optimale Fluoreszenz-Signale im Wesentlichen von zwei Punkten ab: Der Bindungsstärke der Fluorophor-markierten Nanobodies an den Primär-Antikörper und der Anzahl der Farbstoffe pro Nanobody. „Nur durch intensive Optimierung beider Parameter konnten wir nutzbare Reagenzien bekommen“ verrät Pleiner.

Sowohl im Western Blot als auch in der Immunofluoreszenz-Mikroskopie gaben Görlichs Nanobodies gute Signale, die denen ihrer konventionellen Sekundär-Antikörper-Kollegen in nichts nachstanden. Doch ihre wirkliche Stärke zeigten die Nanobodies bei der hochauflösenden Mikroskopie-Methode STORM (stochastic optical reconstruction microscopy). Hier liegt die maximale Auflösung bei 6 nm, die jedoch mit herkömmlichen Sekundär-Antikörpern aufgrund ihrer schieren Größe nicht erreicht werden kann: Der Abstand zwischen Fluorophor und der zu untersuchenden Zellstruktur beträgt normalerweise 20 bis 30 nm. Nanobodies können das Fluorphor bis zu 2 nm an das Zielprotein heranbringen und damit die extrem hohe Auflösung der neuesten Mikroskope auch für die Immunofluoreszenz möglich machen.

Der Traum jedes Vegetariers

Die sekundären Nanobodies können also mit ihren herkömmlichen Kollegen nicht nur mithalten, sondern diese für manche Anwendungen sogar übertrumpfen. Bis jetzt haben die Göttinger Forscher nur Nanobodies gegen einige Klassen von Maus- und Ratten-Antikörpern hergestellt, und diese auch nur in einer kleinen Auswahl an Beispielen getestet. Dennoch zeigen sie, dass es möglich ist, Antikörper aus Ziegen, Schafen oder anderen Tieren zu ersetzen, und zwar mit ganz unkomplizierten E. Coli-Kulturen. Damit kommen sie dem Traum eines jeden Vegetariers und Tierschützers näher: Den Tieren zuliebe auf ihre Produkte verzichten, und zwar am liebsten ganz ohne eigene Einbußen.

Die Forscher am MPI haben die Sequenzen ihrer Nanobodies und die bakteriellen Expressionsplasmide der wissenschaftlichen Gemeinschaft frei zur Verfügung gestellt. Görlich sagt: „Wir hoffen, dass diese nützlichen Reagenzien von vielen genutzt und auch weiterentwickelt werden. Wir sind sicher, dass sich da noch viele spannende Anwendungen eröffnen, weit über die von uns beschriebenen klassischen Anwendungen wie Immunofluoreszenz und Western Blotting hinaus. In Zukunft wären frei verfügbare Nanobodies gegen humane Antikörper sicher wichtige Reagenzien, speziell im Hinblick auf diagnostische Tests in der Medizin.“

Karin Lauschke



Letzte Änderungen: 29.01.2018