Editorial

Unsolidarisches Monopol

(22.03.2018) Das Krebsmedikament Carmustin wird immer teurer, weil der weltweit einzige Hersteller den Preis bestimmt. Onkologen in Deutschland sind besorgt.
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(22.03.2018) Er ist der „meistgehasste Mann“ der USA. Als seine Firma Turing Pharmaceuticals im September 2015 die Vermarktungsrechte des Medikaments Daraprim erhielt, ließ Martin Shkreli den Verkaufspreis des Anti-Parasitikums postwendend raketenartig in die Höhe schnellen – von 13 US-Dollar auf 750 US-Dollar pro Tablette. Patienten, Ärzte und der Rest der Welt waren – zu Recht - empört. Dennoch lief alles mit legalen Mitteln ab.

Die britische Pharma-Firma GlaxoSmithKline (GSK) hatte 2010 die Rechte für den US-amerikanischen Markt an CorePharma verkauft, die wiederum im März 2015 von Impax Laboratories aufgekauft wurden. Einige Monate später ergatterte Turing die Rechte.

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Fast überall günstig

Witzigerweise ist eine Daraprim-Pille fast überall auf der Welt für unter einen Euro zu bekommen: In Deutschland – von GSK hergestellt und verkauft – kosten 30 Tabletten etwa 30 Euro. Nur nicht in den USA, wo das Medikament immer noch für 750 US-Dollar vertrieben wird. Nach einer Namensänderung und dem Austausch der Führungsriege nun nicht mehr von Turing sondern von „Vyera Pharmaceuticals“, die interessanterweise neben New York, USA, auch einen zweiten Sitz in Baar, im Schweizerischen Kanton Zug, haben.

Shkreli unterdessen wurde kürzlich zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt, wegen anderer Verfehlungen (Betrug). Kann jedoch eine ähnliche Geschichte auch in Europa, in Deutschland, passieren? Die erschreckende Antwort lautet: Ja. Und sie ist bereits passiert.

Das Zytostatikum Carmustin wird seit 40 Jahren in der Krebsbehandlung eingesetzt und kommt insbesondere in Vorbereitung auf eine Blutstammzelltransplantation bei Lymphknotenkrebs zum Einsatz. Laut der Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) ist das Medikament „unverzichtbar“. Mit Sorge beobachtet die Gesellschaft in den letzten Jahren daher einen kontinuierlichen Preisanstieg und zwar seitdem der Patentschutz des Medikaments 2013 ausgelaufen ist.

Alleiniger Hersteller

Bis 2013 verkaufte das US-amerikanische Pharma-Unternehmen Bristol-Myers Squibb Carmustin unter dem Handelsnamen Carmubris. Damals bezahlte man für 100 mg des Wirkstoffs 35 Euro. Dann ging die Lizenz nach Pune, Westindien, zu Emcure Pharmaceuticals. Das 1981 gegründete Unternehmen beschäftigt mehr als 8000 Mitarbeiter und entwickelt, stellt her und vermarktet ein fettes Portfolio an unterschiedlichsten Medikamenten. Weltweit sind sie allerdings die Einzigen, die Carmustin herstellen. Ein Monopol sozusagen.

Und mit einem Monopol lassen sich auch wunderbar Preise gestalten. So kam es bereits 2015 zu einer weiteren, massiven, unangekündigten Preissteigerung. Eine Ampulle des Arzneimittels kostete nun mehr als 900 Euro. Und das war noch nicht das Ende der Fahnenstange. Anfang dieses Jahres erhöhte sich der Preis auf 1400 Euro pro 100 mg. Zur Erinnerung: vor nicht mal fünf Jahren war die selbe Menge für 35 Euro zu haben. „Tumorkliniken und die betroffenen Krebspatienten sind dieser monopolistischen Preisgestaltung hilflos ausgeliefert“, schreibt die DGHO in einer Pressemitteilung.

In Deutschland erfolgt der Vertrieb des Medikaments seit Januar über die Tillomed Pharma GmbH mit Hauptsitz in Ahrensburg und Betriebsstätte in Schönefeld bei Berlin. Interessant: Tillomed gehört zur Emcure Group und dessen Geschäftsführer, Ajit Chand Srimal, ist gleichzeitig „Director“ der englischen Emcure-Niederlassung, Emcure Pharma UK. In einer aktuellen Job-Anzeige rühmt sich Tillomed Pharma mit den Worten: „stets kostengünstig mit top Konditionen“. Das können wohl nicht viele Onkologen so unterschreiben.

Patientenversorgung gefährdet

Aufgrund der prekären Versorgungslage hat es Carmustin inzwischen auf die „Liste der Arzneimittel/Wirkstoffe, die in Bezug auf ihre Verfügbarkeit für die Patientenversorgung einer besonderen behördlichen Beobachtung unterliegen“ des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte „geschafft“. Zusammen mit einer besorgniserregenden Anzahl weiterer Wirkstoffe, für die „entweder nur ein Zulassungsinhaber oder nur ein endfreigebender Hersteller oder nur ein Wirkstoffhersteller verfügbar“ ist.

Diese Liste kann aber nicht alles sein. Wieder mal ist die Politik gefragt. „Hier müssen wir gemeinsam mit der Politik dafür sorgen, dass eine Balance zwischen einem auskömmlichen Mindestpreis und dem Schutz vor unkalkulierbaren Preisexplosionen gefunden wird. Einerseits muss es sich lohnen, die Medikamente sicher und in hoher Qualität herzustellen. Andererseits dürfen Herstellungsmonopole nicht zulasten solidarischer Gesundheitssysteme und zulasten von Krebspatienten missbraucht werden, wenn der Patentschutz abgelaufen ist“, sagt Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO.

Das wäre doch mal ein Projekt, bei dem der aktuelle deutsche Bundesminister für Gesundheit zur Abwechslung mal positiv von sich reden machen könnte.

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 22.03.2018