Editorial

Gefährliche Ostern

(29.03.2018) Ist der Osterhase einfach nur süß, oder stellt er ein nicht zu verachtendes Gesundheitsrisiko dar? Unsere Recherche führt uns nach Australien.
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(29.03.2018) Wie jedes Jahr freuen sich Kinder, aber auch viele Erwachsene auf Ostern. Zwei Feiertage, Ferien und die ein oder andere gut getarnte, süße Überraschung – was kann schöner sein? Schokoladen-Osterhasen bevölkern seit Wochen Supermärkte und demnächst diverse Gärten, Terrassen und Wohnungen. ABER: so harmlos wie er aussieht, ist der Osterhase gar nicht. Nathan Grills von der Universität Melbourne hat sich vor einigen Jahren den Schoko-Osterhasen unter gesundheitlichen Gesichtspunkten mal genauer angeschaut.

„Seit wann legen Häschen Eier aus Schokolade?“, fragt Grills zurecht zu Beginn seines Berichts – und vermutet dahinter eine Verschwörung der Schokoladen-Industrie, die eine niedliche, beliebte Kinder-Figur zu ihren Zwecken gnadenlos ausnutzt. Süße Häschen, süße Versuchung – wer kann da schon widerstehen? Früher feierte man den Frühling in der Tat mit Eiern, allerdings keinen aus Schokolade. Hasen und Kaninchen waren ein Zeichen für neues Leben nach dem harten Winter. Erst im 20. Jahrhundert wurde Ostern kommerzialisiert. Alles fing mit Schokoladeneiern an, „durch exzellentes Marketing züchteten die Schokoladenhersteller dann Hasen, die Schokoladeneier bei sich trugen. Später, in einem cleveren Zug, der Willy Wonka stolz gemacht hätte, schufen sie Osterhasen aus Schokolade und verkauften beides: die Hasen und die Eier“, fasst Grills die delikaten Machenschaften von Milka und Co. zusammen.

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Karies, Diabetes und Bluthochdruck

Schokolade ist jedoch ein sehr energiereiches, nährstoffarmes Lebensmittel. Übermäßiger Genuss kann zu Karies und Fettleibigkeit führen. Letzteres wiederum steht in Verbindung mit Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen, hebt Grills warnend hervor. An dieser Stelle zitieren Schokoladenhersteller und Schoki-Fans oft Studien, die zeigen, dass Schokolade gesunde Polyphenole enthält. Aber, wendet Grills ein, Ostereier beinhalten nur einen kleinen Teil Kakao, dafür umso mehr Transfette.

Abgesehen von ernährungsmedizinischen Aspekten macht Grills noch auf eine weitere, unterschätzte Gefahr von Ostern auf Leib und Seele aufmerksam. Die Ostereiersuche! Gesundheitsfördernde Bewegung an der frischen Luft kann doch niemandem schaden, oder doch? „Kinder können sehr schnell rennen, wenn sie auf der Suche nach Ostereiern sind“, betont Grills. Gleicht sich die physische Aktivität und der Konsum von Oster-Süßkram aus? Nein, meint Grills und rechnet vor: „Angenommen, ein durchschnittliches Kind findet und konsumiert 14 Eier à 10 g und ein Ei à 125 g (5819,9 kJ), dann besagt die Energieumsatzformel, dass das Kind weitere 338 Minuten (also 5,6 Stunden) auf Ostereiersuche gehen muss, damit es die aufgenommenen Kilojoule auch wieder verbrennt.“ Und mit jedem neu entdeckten und verputzten Ei verlängert sich die Suche.

Über Stock und Stein

Hinzu kommt, dass die Ostereiersuche auch das Risiko von Verletzungen erhöht. Im Eifer des Gefechts übersieht man gern Äste, Steine oder vergessene Ostergeschenke vom letzten Jahr. Auch hier rechnet Grills vor: Angenommen, die Ostereiersuche hat eine (sehr geringe) Verletzungsrate von 1 zu 10.000 Kindern; das bedeutet, dass am Ostersonntag, wenn sich in den USA 30 Millionen Kinder auf süße Entdeckungsreise begeben, für 3.000 von ihnen die Suche mit Tränen endet. In Deutschland, mit 11 Millionen Kindern, sind das 1.100.

Aber es gibt noch weitere Gefahren. Grills: „Da Kinder gemeinhin nicht gern ihre Schokoladeneier teilen, hat die Ostereiersuche auch das Potential, emotionalen Stress und interpersonelle Gewalt auszulösen. Wir haben wohl alle beobachtet oder waren selbst daran beteiligt, als ein Kampf um die Süßigkeiten losging. Der stimulierende Effekt von Koffein- und Theobromin-Verbindungen in Schokolade erhöht dieses Risiko nur weiter“.

Neue Entwicklungsstufe

Schokoladenhersteller nehmen diese Gefahren offensichtlich billigend in Kauf. Was aber wäre, wenn der Osterhase seine nächste Entwicklungsstufe erreichte und zu einer Vorzeigefigur für gesunde Ernährung evolvierte? – fragt Grills. Kinder würden animiert, ihre täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu essen. Die Ostereiersuche könnte zum Beispiel zur Rosenkohljagd werden. „Der Osterhase würde das mit Sicherheit unterstützen“, meint Grills, „denn Hasen und Kaninchen vertragen Schokolade nicht sonderlich gut“.

Mit oder ohne Osterhasen – Laborjournal wünscht allen Lesern ein gesundes Osterfest!

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 29.03.2018