Editorial

Immer mal die Perspektive ändern

(03.04.2018) Für Biochemiker Elmar Behrmann war das Freigeist-Fellowship der VolkswagenStiftung das Eintrittstor zur wissenschaftlichen Unabhängigkeit.
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(03.04.2018) Der Deutsche Elmar Behrmann ist seit kurzem W2-Professor für Strukturbiochemie an der Universität zu Köln. Das Biochemiestudium an der Universität Bielefeld schloss er mit einer Diplomarbeit in der Gruppe von Reinhard Jahn am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen ab. 2012 promovierte Behrmann an der TU Dortmund mit einer in der Arbeitsgruppe von Stefan Raunser durchgeführten Doktorarbeit. Das Institut für Medizinische Physik und Biophysik an der Charité Berlin und das Center of Advanced European Studies and Research (caesar) in Bonn waren weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Karriere. Aktueller Forschungsschwerpunkt ist die Weiterentwicklung von Methoden der Kryo-Elektronenmikroskopie, um die Dynamik von Proteinkomplexen untersuchen zu können. Laborjournal sprach mit dem mehrfach ausgezeichneten Wissenschaftler.

Laborjournal: Was brachte Sie zum Studium der Biochemie?

Elmar Behrmann: Im Endeffekt die Begeisterung für die Chemie – wobei hierfür die Grundlagen ganz klassisch in meiner Schulzeit gelegt worden waren. Ich hatte einen sehr guten und motivierten Chemielehrer in der Oberstufe, welcher mich zum Beispiel dazu bewegte, an der Chemieolympiade teilzunehmen. Die Biochemie als spezifisches Feld der Chemie war dann der Universität Bielefeld geschuldet.

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Woran forschen Sie heute?

Behrmann: Mit meiner Arbeitsgruppe versuche ich, den Einfluss der strukturellen Dynamik von Proteinen auf deren Funktion besser zu verstehen. Oder genauer - uns interessieren die strukturellen Veränderungen, die zur Ausübung einer spezifischen biologischen Funktion benötigt werden. Dieses Paradigma ist an sich nicht neu. Da die Strukturbiologie als Feld lange Zeit von der Proteinkristallographie dominiert war, neigen wir immer noch dazu, eher auf die strukturierten als auf die dynamischen Bereiche zu schauen. Die molekulare Kryo-Elektronenmikroskopie ermöglicht uns jedoch genau das: Wir können mit dieser Technik nicht nur die dreidimensionale Struktur von Proteinen sichtbar machen, sondern auch feststellen, wo sich die dynamischen, strukturell flexiblen Bereiche befinden.

Woran forschen Sie in 5 oder 10 Jahren?

Behrmann: Die Elektronenmikroskopie befindet sich derzeit in einer Phase der rasanten Weiterentwicklung – was durch den Chemienobelpreis 2017 aller Wahrscheinlichkeit nach noch verstärkt werden wird. Dadurch werden nicht nur immer mehr Proteine für diese Methode zugänglich. Es erlaubt uns auch, mehr Fokus auf die biologischen Fragestellungen zu legen und nicht nur die Methode an sich im Blick zu haben. Wir interessieren uns insbesondere dafür, welche strukturellen Änderungen in Membranproteinen notwendig sind, um externe Reize in intrazelluläre Signale umzuwandeln. Welche strukturellen Änderungen lösen zum Beispiel die Bindung einer kleinen chemischen Verbindung wie beispielsweise eines Lockstoffs oder eines Hormons an den extrazellulären Bereich eines Membranrezeptors aus? Wie werden diese Änderungen auf intrazelluläre Bereiche des Proteins übertragen? Mit dem Verständnis dieser Prozesse könnten ganz neue Einsichten wie zum Beispiel in unsere Sinneswahrnehmungen gewonnen werden.

Was war in Ihrer Karriere prägend für die wissenschaftliche Ausrichtung?

Behrmann: Das waren sicherlich meine Mentoren. Insbesondere mein Doktorvater Stefan Raunser, welcher mir zeigte, was mit Elektronenmikroskopie alles möglich ist. Ebenso prägend war Christian Spahn, in dessen Arbeitsgruppe ich am Ribosom enorm viel über die Dynamik von Proteinen lernen konnte. Und last but not least Benjamin Kaupp, der mich am caesar als junger Gruppenleiter aufgenommen hat. Mit seinem Wissensfundus und seiner Erfahrung gab beziehungsweise gibt er mir immer noch wichtige Impulse für meine derzeitigen Projekte.

Welche Bedeutung hat für Sie das Freigeist-Fellowship der VolkswagenStiftung, das Sie 2014 erhielten?

Behrmann: Das Freigeist-Fellowship war mein Eintrittstor in die wissenschaftliche Unabhängigkeit – und somit natürlich enorm wichtig für meinen Werdegang. Aber es sind nicht nur die finanziellen Aspekte. Die VolkswagenStiftung „liefert“ als Förderorganisation nicht nur das Geld, welches man für die eigene unabhängige Forschung braucht. Sondern sie unterstützt einen auch enorm in dem, was gerne als „weiche Faktoren“ bezeichnet werden: Training, Netzwerke und Ähnliches. Diese sind heutzutage mindestens genauso wichtig.

Als unabhängiger Max-Planck-Nachwuchsgruppenleiter hätten Sie sich noch bis 2021 nur auf die Forschung konzentrieren können? Was hat Sie bewogen, frühzeitig die Professur in Köln anzunehmen, die ja auch Lehrverpflichtungen mit sich bringt?

Behrmann: Natürlich benötigt Lehre Zeit, welche man ansonsten in die Forschung stecken könnte. Dennoch ist für mich die Lehre ein essentieller Bestandteil des Forscherlebens – es geht ja nicht nur darum, Wissen zu mehren, sondern auch dieses weiterzugeben! Daher hatte ich auch schon während meiner Max-Planck-Zeit Lehrveranstaltungen gehalten. In Köln habe ich nun die Chance, meine Forschung langfristig auszurichten, was in der dynamischeren Max-Planck-Gesellschaft nicht immer möglich ist.

Ein Aufenthalt an einer Forschungseinrichtung im Ausland hat Sie bisher nicht gereizt?

Behrmann: Gereizt schon – aber abseits meines Studiums ergab sich nicht die Gelegenheit. Die Elektronenmikroskopie ist, und war schon immer, sehr gut aufgestellt in Deutschland. Somit hatte ich bisher immer die besten Mentoren und Arbeitsbedingungen im Inland gefunden.

Was ist Ihr Tipp für Nachwuchswissenschaftler?

Behrmann: Nehmt Gelegenheiten wahr, die es euch ermöglichen, eure Perspektive zu ändern. Ja, es ist einfacher seine Doktorarbeit als Erweiterung der Masterarbeit in derselben Gruppe zu machen – und sicherlich auch produktiver. Dennoch bringt es auf lange Sicht mehr, das Arbeitsumfeld zu wechseln sowie neue Methoden und andere Herangehensweisen an Problemstellungen kennenzulernen. Dies trifft eigentlich auf alle Stufen einer wissenschaftlichen Karriere zu.

Die Fragen stellte Ralf Schreck

Im aktuellen Laborjournal-Heft (4/2018) stellt Ralf Schreck die VolkswagenStiftung und deren Förderinstrumente ausführlich vor.



Letzte Änderungen: 03.04.2018