Editorial

Warum heißt Ihre Firma Biflow Systems, Herr Nestler?

(12.04.2018) Rede und Antwort steht Elektrotechniker Jörg Nestler, Gründer und Geschäfts­führer des Chemnitzer Mikrofluidik-Unternehmens Biflow Systems.
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Biflow Systems-Geschäftsführer Jörg Nestler

Laborjournal: Herr Nestler, wie ist aus Ihnen ein Firmengründer geworden?

Jörg Nestler: Ich entwickele bereits seit 2006 mikrofluidische Kartuschen für analytische Fragestellungen und habe darüber im Jahr 2010 auch promoviert. Im gleichen Jahr habe ich gemeinsam mit Partnern die Firma Biflow Systems gegründet, um nach der Promotion noch eine sinnvolle Aufgabe zu haben [lacht].

Das klingt nach einer klassischen Hochschul-Ausgründung.

Nestler: Ja. Auf Konferenzen kamen immer wieder Leute zu uns und fragten, wo sie diese Mikrofluidik-Kartuschen kaufen könnten. Allerdings hatten wir anfangs nur Funktionsmuster aus Forschungsprojekten, die für einen bestimmten Anwendungszweck entwickelt waren. Außerdem konnten wir die Kartuschen auch gar nicht in großen Stückzahlen herstellen. Letztlich war klar, dass wir eine Firma gründen würden. Zunächst galt es, ein Produkt zu entwickeln, welches es potentiellen Kunden erlaubt, sehr schnell mit dieser Technologie zu arbeiten, quasi um damit warm zu werden. Dieses Evaluation Kit hatte eine flexibel gehaltene Kartusche und konnte so Nachweisverfahren recht schnell adaptieren.

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Die mikrofluidischen Kartuschen sind die Basistechnologie Ihrer Firma. Welche Parameter lassen sich damit charakterisieren?

Nestler: Das ist sehr unterschiedlich. Die ersten Anwendungen waren Protein-basierte Analysen, zum Beispiel die Integration von ELISAs. Inzwischen können auch DNA-basierte Analysen auf solchen Kartuschen laufen. Durch integrierte Heizelemente lässt sich DNA amplifizieren oder auch hybridisieren, beispielsweise für die DNA- oder RNA-basierte Detektion von bakteriellen Erregern oder Antibiotikaresistenzen. Wir detektieren mittels Fluorophoren und einer entsprechenden Optik. Die Kartusche besitzt hierfür ein Mikroarray mit typischerweise etwa 100 Spots. Gerade arbeiten wir daran, auch die Zelllyse direkt auf der Kartusche durchzuführen. Wir denken, dass wir im Laufe dieses Jahres eine komplett integrierte Lösung zur Verfügung haben.

Wichtigstes Merkmal Ihrer Kartuschen ist, dass sie komplett ohne externe Pumpen auskommen. Wie muss ich mir das vorstellen?

Nestler: Wir nutzen ein elektrochemisches Pumpenprinzip. Wir können elektrisch steuern, dass ein Gas unter einer Membran erzeugt wird. Der erzeugte Gasdruck bläht diese Membran ähnlich einem Luftballon auf und verdrängt dadurch Flüssigkeit aus dem anliegenden Reservoir. So werden Flüssigkeiten durch die Kanäle der Kartusche bewegt. Dieses Prinzip ist nicht reversibel, unsere Kartuschen sind Einwegsysteme. Aber für die meisten Assays genügt solch ein unidirektionaler Pumpprozess.

Wer braucht so etwas, oder anders gefragt: Wo sind solche Kartuschen sinnvoll?

Nestler: Überall dort, wo eine schnelle und komplexe Vor-Ort-Diagnostik eine Rolle spielt. Konkurrierende Technologien in Form von Teststreifen sind zwar preisgünstig, aber häufig nicht quantitativ. Sie decken meist auch nur einen Parameter ab. Für bestimmte Krankheitsbilder ist es aber erforderlich, viele Parameter detektieren zu können. Über den Mikroarray können wir nicht nur die Erregerspezies bestimmen, sondern mithilfe von Sonden gegen sogenannte SNP-Positionen, single nucleotide polymorphisms, gleich noch potentielle Antibiotikaresistenzen mit. Anwendungen liegen beispielsweise in der Human- und Veterinärdiagnostik sowie der Umwelt- und Lebensmittelanalytik.

Sie benötigen also vor Ort nur die Kartusche und ein entsprechendes Detektionsgerät?

Nestler: Genau. Weil wir keine externen Pumpen benötigen, ist so ein Gerät recht klein und somit portabel. Das größte ist letztlich die Optik zur Detektion der Fluoreszenz. Wir können Mikroarrays aber auch über elektrochemische Sensoren auswerten, so dass keine Optik mehr nötig ist. Alles lässt sich dann elektrisch steuern: Pumpen, Heizen, Auslesen. Solche Kartuschen können Sie sogar über eine App auf einem Mobiltelefon steuern.

Kommen wir zum Firmennamen. 'Flow' erschließt sich mir sofort, aber wofür steht das 'bi' davor?

Nestler: Das 'bi' steht an dieser Stelle aus zwei Gründen. Zum einem symbolisiert es die zwei Kompetenzen, die wir vereinen: Biochemie einerseits und Systemintegration beziehungsweise Mikrofluidik andererseits. Deswegen befindet sich auch der Slogan 'biofluidic integration' in unserem Logo. Außerdem, wenn Sie sich das Logo anschauen, steht nach dem 'bi' ein kleiner Punkt, den man auch als 'o' verstehen kann, so dass dort im Prinzip erneut 'bio' zu finden ist.

Die Fragen stellte Sigrid März

    Steckbrief Biflow Systems

  • Gründung: 2010
  • Sitz: Technologie-Campus in Chemnitz
  • Mitarbeiter: 10
  • Produkt: Pumpenlose Mikrofluidik-Kartuschen für die Bioanalytik


Letzte Änderungen: 12.04.2018