Editorial

Gegen Parkinson geimpft

(31.05.2018) Seit Jahren sind Forscher auf der Suche nach neuen Therapien gegen die neuro­degenerative Erkrankung. Ein Vakzin der Wiener Biotech-Firma Affiris zeigt erste Erfolge in der klinischen Phase 1.
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Tremor, Rigor und Bradykinese sind die offensichtlichsten Symptome der Parkinsonschen Krankheit. Hervorgerufen werden sie durch einen Dopamin-Mangel in der Substantia nigra im Mittelhirn. Zur Behandlung steht seit den 1970er Jahren das Medikament Levodopa bereit, das als Dopamin-Vorstufe, die Transmitter-Konzentration wieder auf Normalpegel bringen soll. Dennoch forschen Arbeitsgruppen weltweit an weiteren Wirkstoffen oder Behandlungsmöglichkeiten. So schien vor einigen Jahren die Transplantation von Stamm- oder Dopamin-Vorläuferzellen in das betroffene Hirn-Areal vielversprechend, konnte sich aber bis jetzt nicht durchsetzen.

Die Wiener Biotech-Firma Affiris hat einen ganz neuen Ansatzpunkt gewählt. Unter dem Mikroskop lassen sich nämlich bei Parkinson-Patienten oft Lewy-Körperchen erkennen. Diese neuronalen Inclusion Bodies bestehen aus Ubiquitin, Neurofilament und vor allem alpha-Synuclein. Letzterem wird eine Rolle beim Vesikel-Transport nachgesagt - ganz Genaues weiß man aber noch nicht.

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Ein sympathisches Projekt

Nichtsdestotrotz hat Affiris alpha-Synuclein schon länger als mögliches Vakzin-Target im Blick. Von April 2013 bis September 2017 koordinierte die Firma das SYMPATH-Projekt (mit EU-Unterstützung von fast 6 Millionen Euro), das sich zum Ziel gesetzt hatte, eine aktive Immuntherapie gegen Parkinson zu entwickeln. „Das Immunsystem auf die Krankheit zu lenken, stellt einen neuartigen Ansatz dar, der den Verlauf der Krankheit potentiell verlangsamen kann“, wird Gergana Galabova, Chefin der Neurodegenerations-Abteilung bei Affiris, in der Projektbeschreibung zitiert.

Und, wie genau soll die Therapie funktionieren? Affiris vertraut dabei auf seine patentgeschützte AFFITOME-Technologie. Den Kern dieser Technologie bilden sogenannte AFFITOPE, kurze (8 Aminosäure-lange), synthetische Peptide, die Teile des Zielmoleküls nicht exakt kopieren sondern mit veränderter Aminosäure-Abfolge nachahmen (Stichwort: molekulare Mimikry). Die Affitope wirken wie B-Zell-Epitope und stimulieren so das Immunsystem.

Zur Behandlung von Parkinson kristallisierten sich zwei besonders wirksame Affitope heraus. „PD01A und PD03A wurden so konstruiert, dass sie eine Antikörper-Reaktion auslösen und auf diese Weise die toxische Form von alpha-Synuclein neutralisieren. Gleichzeitig verschonen sie aber beta-Synuclein, welches neuroprotektiv wirkt“, fasst Galabova zusammen. Im Maus-Modell zeigte vor allem PD01, dass es die Aggregation verhindern und den Verlauf der Krankheit verändern kann.

Klinische Studie in Wien

Auch erste klinische Studien gingen als Teil des EU-Projekts bereits über die Bühne. In der Wiener Confraternität Privatklinik Josefstadt hatte man für eine Phase 1-Studie 32 Patienten rekrutiert, von denen 24 mit PD01A behandelt wurden, die restlichen acht setzten ihre Standard-Behandlung fort. Insgesamt erhielten die Patienten sechs subkutane Injektionen, verteilt über drei Jahre.

Alle Patienten vertrugen die Behandlung ohne große Nebenwirkungen und, PD01A löste in der Tat eine humorale Immunantwort gegen alpha-Synuclein aus. Spätere Untersuchungen zeigten, dass die PD01A-induzierten Antikörper bevorzugt an oligomeres und fibrilläres alpha-Synuclein binden, nicht aber an monomeres, also die normale Form des Proteins.

„Die Ergebnisse dieser Studie ermutigen uns, die Entwicklung von PD01 weiter voranzutreiben“, kommentiert Oliver Siegel, CEO von Affiris, in der dazugehörigen Pressemitteilung. „Parallel haben wir die Formulierung von PD01 und auch den Immunisierungsplan für die zukünftige klinische Entwicklung optimiert, um die Immunogenität weiter zu verbessern.“

PD01A ist allerdings nicht der einzige Wirkstoff-Pfeil im Affiris-Köcher. Die Wiener nutzen ihre Technologie auch, um das Immunsystem gegen andere Krankheiten wie Huntington, Alzheimer, Atherosklerosis oder allergische Rhinitis zu mobilisieren. Über 100 Millionen Euro hat die Technologie Affiris schon eingebracht. Über staatliche Förderungen, aber auch Auslizenzierungsgebühren. „Unser Ziel ist es, die Rechte an den Impfstoffen jeweils spätestens nach Abschluss der Phase II an ein Pharmaunternehmen per Lizenz zu veräußern,“ sagte der damalige Chief Scientific Officer Arne von Bonin dem Wirtschaftsforum vor einigen Jahren.

Rekord-Verkauf

Der Plan geht jedoch nicht immer auf. 2008 hatte man in einem der größten Biotech-Deals Österreichs die Rechte zur gemeinsamen Entwicklung zweier Alzheimer-Impfstoffe für 430 Millionen Euro an GlaxoSmithKline verkauft. 2013 gab GSK die Lizenz jedoch zurück – man hatte nun kein Interesse mehr die Impfstoffe weiterzuentwickeln.

Auch der Weg zu einem marktreifen Parkinson-Vakzin ist noch lang. Die „ermutigenden“ Ergebnisse der Phase 1-Studie sollten Affiris aber weiter Auftrieb geben und haben möglicherweise den ein oder anderen Pharma-Riesen bereits aufhorchen lassen.

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 31.05.2018