Editorial

Leibniz-Preise 2006

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat kürzlich die Preisträger des "Deutschen Nobelpreises" 2006 bekannt gegeben. Der Nominierungsausschuss wählte dieses Jahr aus 148 Vorschlägen elf Glückliche aus, darunter auch drei Biowissenschaftler.

(07.12.2005) Elf Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachbereichen wird die DFG zum Jahresanfang 2006 mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis beglücken. Die damit verbundene Förderung mit bis zu 1,55 Millionen Euro wird den Preisträgern innerhalb der nächsten fünf Jahre ein unkomplizierteres und weitgehend sorgenfreies Forschen ermöglichen. Aus den Biowissenschaften können sich diesmal folgende drei Forscher darauf freuen:

Architektur im Angström-Maßstab

Patrick Cramer widmet sich insbesondere mit strukturbiologischen Methoden der Dynamik rund um die Transkription. Mit seinen 36 Jahren hat er bereits eine steile Karriere hinter sich - vorerst letzte Etappe ist eine volle Professur für Biochemie samt dem Amt des Managing Directors am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Cramer und seinem Team gelang es als Ersten, die dreidimensionale Architektur der RNA-Polymerase II in hoher Auflösung aufzuklären. Als größtes Enzym des Zellkerns ist es der zentrale Bestandteil der Transkriptions-Maschinerie, einem hochkomplizierten Komplex aus annähernd 60 Polypeptiden, der an kodierenden DNA-Sequenzen entlang "rattert" und dabei prä-mRNA-Stränge synthetisiert. Die RNA-Polymerase II ist somit in Eukaryoten das Schlüsselenzym bei der Genexpression aller Protein-kodierenden Gene. Nachdem die Struktur dieser Polymerase nun bekannt ist, beschäftigt sich Cramer momentan mit der strukturellen Aufklärung des makromolekularen Transkriptions-Komplexes - ein keineswegs triviales Unterfangen.

Cramers ultimatives Ziel ist jedoch, den molekularen Mechanismus der Transkription zu verstehen: "Ich möchte gerne den Ablauf des Transkriptionszyklusses wie einen Film sehen können. Von der Initiation über Elongation und Termination bis hin zum Recycling der RNA-Polymerase II" (siehe Laborjournal 10/2003, S. 40).

Gedächtnisstützen dank veränderter Verschaltungen

Während seiner Promotion beschäftigte sich Peter Jonas mit dem Natriumkanal an peripheren Nerven. Die Faszination an der Neurophysiologie ließ ihn seither nicht mehr los, und so habilitierte er sich 1992 am Heidelberger Max Planck-Institut für Medizinische Forschung über die molekulare Identifizierung spannungsgesteuerter Kalium- und Glutamat-aktivierter Ionenkanäle.

Seit 1995 ist er Direktor des Physiologischen Instituts der Universität Freiburg. Hier widmet er sich weiterhin den Kommunikationsmechanismen zwischen Nervenzellen. Jonas und seine Arbeitsgruppe interessieren sich vor allem dafür, wie die beteiligten Membrankanäle und Transmitter zeitlich koordiniert zusammenarbeiten. Im Fokus stehen dabei die Funktion und synaptische Verschaltung inhibitorischer Interneurone sowie die Mechanismen der synaptischen Transmission und Plastizität im Zentralnervensystem - insbesondere im Hippocampus. Diese Gehirnstruktur heißt auch "Tor zum Gedächtnis", da sie den Übergang von Gedächtnisinhalten vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis steuert. Dabei spielt vor allem die Bildung neuer Verbindungen zwischen Nervenzellen, die synaptische Plastizität, eine entscheidende Rolle.

Die etwas andere Spedition

Der Dritte im Bunde, der gebürtige Italiener Marino Zerial, ist seit 1998 Direktor am Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. Sein Interesse gilt vor allem den molekularen Mechanismen der Endozytose in eukaryotischen Zellen. Drei Aspekte stehen dabei im Zentrum der Forschung von Zerial und seinen Mitarbeitern: Wie entstehen Endosomen, wie interagiert der Transport in Endosomen mit Signalmolekülen, und wie wird die Endozytose in polarisierten Zellen wie Epithelzellen gesteuert.

Besonderes wichtig bei all diesen Vorgängen scheint eine kleine GTPase mit dem Namen Rab5 zu sein. So formulierte Zerial beispielsweise ein Modell der Endosom-Biogenese, bei dem Rab5 eine zentrale Rolle spielt.

Am Rande notiert

Ferenc Kraus, ein weiterer Preisträger, ist zwar Quantenoptiker und kein Biowissenschaftler oder Mediziner. Dennoch finden die Arbeiten des gebürtigen Ungarn in diesen Gebieten Anwendung. Der derzeitige Direktor am Max Planck-Institut für Quantenoptik in Garching entwickelte zusammen mit anderen Forschern ein Gerät, das hochpräzise Messungen im Attosekunden-Bereich ermöglicht. Der Einsatz dieses Lasers wird in der hochauflösenden Mikroskopie von lebenden Organismen getestet, so beispielsweise auch in der frühen Diagnose von Augen- und Krebskrankheiten.

Annette Hupfer



Letzte Änderungen: 07.12.2005