Editorial

Wurzeln statt Blätter bombardieren

(20.02.2019) In Grün-Algen ist es seit Jahren Routine. An der Transformation von Plastiden in Arabidopsis thaliana haben sich Forscher aber bisher die Zähne ausgebissen.
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Nicht alles, was eine Pflanze zu dem macht, was sie ist, wird von ihrer „Schaltzentrale", dem Zellkern, koordiniert. Neben den Ge­nomen von Kern und Mitochondrien hat auch das Chloroplasten-Genom mit seinen 120 bis 130 Genen ein Wörtchen mitzureden.

Das kreisförmige, gewöhnlich 120 bis 220 Kilobasenpaare große Plastiden-Genom photosynthetisch aktiver Samenpflanzen bietet viel Spielraum für genetische Mani­pulationen. Ausgerechnet bei Arabidopsis thaliana, dem klassischen Modellorga­nismen der Pflanzenforscher, funktioniert die Trans­formation von Plastiden, etwa durch den Beschuss der Blätter mit fremder DNA, aber nicht so einfach wie bei anderen Pflanzen oder auch Algen. Die Chloroplasten nehmen die DNA zwar auf, die transformierten Arabidopsis-Pflanzen bleiben jedoch steril und können nicht weitervermehrt werden. Ralph Bock und sein Team vom MPI für Molekulare Pflanzen­physiologie in Potsdam entwickelten jedoch eine Transformations-Strategie für das Chloroplasten-Genom von Arabidopsis, die zu fruchtbaren Pflanzen führt.

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Unkooperative Pflanzen

Warum sollte man sich überhaupt die Mühe machen, das Plastiden-Genom zu transfor­mieren? Dafür sprechen qualitative und quantitative Gründe. So sind zum Beispiel RNAi-Methoden, die Schadinsekten den Schmaus verderben sollen, wirksamer und nachhaltiger, wenn die Expression der entsprechenden dsRNA im Chloroplasten statt im Zellkern erfolgt. Das liegt daran, dass plastidär produzierte dsRNA nicht den pflanzen­eigenen RNAi-Weg durchläuft und in short interfering RNAs zerlegt wird. Plastidäre Transgene erzielen oft hohe Expressionsraten und können zu künstlichen Operons hintereinander geschaltet werden. Äußerst praktisch ist zudem, dass Plastiden-Gene hauptsächlich maternal vererbt werden. Das begrenzt die Verbreitung gentechnisch modifizierter Organismen (GMOs) durch Pollenflug. Klingt alles gut. Aber leider sind die meisten Pflanzenspezies bei der Transformation von Plastiden äußerst unkooperativ. Nur wenige Spezies mit guter Regenerationsfähigkeit, wie Tabak, Tomate, Salat und Pappel, machen sie problemlos mit.

Im ersten Schritt der Transformation werden meist Goldpartikel, die mit den Transgenen beladen sind, mit der Gen-Kanone auf die Blätter geschossen. Der Erfolg hängt hauptsächlich von den mechanischen Eigenschaften der Blätter und den darauf abgestimmten Beschuss-Bedingungen ab. Weitaus schwieriger ist es, aus den erfolgreich transformierten Zellen ganze Pflanzen zu züchten. Spä­testens wenn sich zeigt, dass das hoch gepäppelte Exemplar (weiblich und männlich) steril ist, ist die Ernüchterung groß. Schuld an der Sterilität ist die insbesondere bei Arabidopsis für die Zellen ausgewachsener Blätter typische Polyploidie. Bocks Team schlussfolgerte daher, dass nicht die Transformation das Problem ist, sondern die anschließende Selektion und Regeneration. Das für den Beschuss ausgewählte Gewebe sollte möglichst diploid und regenerationsfähig sein.

Wurzeln in Stücke geschnitten

Die Gruppe startete mit sechs Tage alten Arabidopsis-Keimlingen. Die Wurzeln der Pflanzen, die reich an meristematischen weitgehend diploiden Zellen sind, schnitt sie in kleine Stücke und kultivierte diese steril auf Nährmedium. Nach fünf Tagen wurden die auf Petrischalen kultivierten Mikrokalli mit Transformations-Vektoren beschossen, die entsprechende Antibiotika-Marker enthielten. Überlebende der auf Selektionsmedium transferierten Mikrokalli waren nach vier bis acht Monaten groß genug, um einzeln entnommen und zu ganzen Pflanzen herangezogen zu werden. Insgesamt verstrichen bis zur Ernte transgener Samen neun bis elf Monate.

So sieht der grobe Plan der Potsdamer aus – er enthält jedoch einige raffinierte Details. Chimäre aadA-Gene für Spektinomycin-Resistenz gelten als Standard-Selektionsmarker bei der Chloroplasten-Transformation. Spektinomycin blockiert die plastidäre Protein-Biosynthese. Um das Resistenzgen möglichst stark zu exprimieren, statteten die Potsdamer Forscher ihre Transformations-Vektoren unter anderem mit einem Wurzel­plastid-spezifischen Promoter sowie einem Transkript-stabilisierenden 3´UTR aus. Zudem optimierten sie die aadA-Sequenz bezüglich des Codon-Gebrauchs.

Munterer Wildwuchs

Dennoch konnte die Gruppe nur ein einziges Pflänzchen aus über 500 beschossenen Petrischalen beziehungsweise tausenden Mikrokalli regenerieren. Offensichtlich wuchs auf den Selektions-Platten auch das nicht-transformierte Pflanzen-Gewebe ziemlich munter weiter. Dass überhaupt Resistenzgen-freie Zellen wuchern können, liegt an dem pflanzlichen Gen ACC2 aus dem Zellkern. Dieses kodiert die alternative acetylCoA-Carboxylase, die ungewollt als Lebensretter einspringt, indem sie die ansonsten Chloroplast-gesteuerte De-novo-Fettsäuresynthese übernimmt.

Um dies zu verhindern, generierte das Team mithilfe von CRISPR-Cas9 und Floral-dip-Transformation ACC2-Knockout-Pflanzen. Die erhaltenen acc2-Mutanten entwickelten sich ganz normal und ihre Wurzeln standen somit als Quelle für die Mikrokallus-Gewinnung bereit. Die Mikrokalli wurden wie gehabt mit den Transformations-Vektoren beschossen und anschließend auf Spektinomycin selektioniert. Dieses Mal kapitulierten die nicht-transformierten Zellen, wodurch die Transforma­tionseffizienz erheblich anstieg: Aus drei beschossenen Platten konnten Bocks Mitarbeiter durchschnittlich einen Transformanten gewinnen, und daraus wiederum etwa ein Drittel zu samenproduzierenden Pflanzen regenerieren.

Unerwartete Beschleunigung

Die Selbstbestäubung (Selbstung) der transgenen Linien und ihre Kreuzung mit nicht-transformierten Pollendonor- beziehungsweise -empfänger-Pflanzen bestätigte die zu erwartende, ausschließliche mütterliche Vererbung des Plastiden-Transgens. Unerwartet aber sehr willkommen war die Beobachtung, dass alle regenerierten Pflanzen homo­plasmisch vorlagen, ihre transgene Chloroplasten-DNA also identisch war. Die Gruppe vermutet, dass dies auf den immensen Selektionsdruck zurückzuführen ist. Hierdurch entfallen zusätzliche Regenerations- und Selektionszyklen, was die bis hierhin recht zeitaufwendige Methode ungemein beschleunigt.

Mit YFP als Reportergen verfolgten und quantifizierten die Potsdamer die Produk­tionsleistung ihrer transplasto­mischen Zöglinge. Unter dem Fluoreszenzmikroskop leuchteten die regenerierten Pflänzchen, und zwar spezifisch in den Plastiden. Die YFP-Ausbeute mit einem Anteil von einem bis zwei Prozent am gesamten löslichen Pflanzen­protein ist beeindruckend. Wer die transgene Linie lieber im Wildtyp- statt im acc2-Hintergrund haben möchte, muss nur entsprechend kreuzen. Gleiches gilt für den Transfer transgener Plasmide auf einen alternativen Ökotyp. Die Technologie ist insbesondere interessant, um Interaktionen von Plastiden und Zellkern in Arabidopsis zu untersuchen. Sie sollte aber auch in anderen Pflanzenspezies funktionieren.

Andrea Pitzschke

Ruf S. et al. (2019): High-efficiency generation of fertile transplastomic Arabidopsis plants. Nature Plants, DOI: 10.1038/s41477-019-0359-2



Letzte Änderungen: 20.02.2019