Editorial

Erfolg im zweiten Anlauf

(18.04.2019) Lange Wimpern, puschelige Frisur – 80 Alpakas stiefeln auf Jonas Füners Weiden herum und produzieren Nanobodies, die er über seine Firma preclinics verkauft.
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Jonas Füner inmitten seiner Tiere, die Älteren kennt er noch mit Namen.

Wie der gelernte Tierpfleger zu einer Firma und einer Herde südafrikanischer Schwielen­sohler kam, ist eine schöne Geschichte, die Jonas Füner gerne erzählte, als wir uns an einem Sonntagmorgen Ende März in Berlin trafen. Es begann vor fast zwanzig Jahren. „Das war in der Zeit der New Economy, da konnte jeder eine Firma gründen. Also habe ich das mit Kollegen auch gemacht.“

Die Firma bot Auftragsforschung an. Aber das Konzept funktionierte nicht, 2004 war Feierabend. Füner meldete Insolvenz an. Am Schluss waren drei Alpakas übrig, die man zum Immunisieren genutzt hatte, um Nanobodies herzustellen. „Das war damals mehr so ein Hobby und nicht unser Geschäfts­modell.“

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20 Mitarbeiter, 80 Alpakas

Die Tiere lebten am Hof seines Vaters in Niedersachsen und waren dort sehr beliebt, weil sie halt „so süß“ aussehen. Dann aber habe einer seiner ehemaligen Kunden ihn gefragt, ob er nicht noch einmal die Tiere immunisieren könnte. „Das habe ich gemacht. Dann kamen mehr solcher Anfragen herein, und dann gründete ich 2007 nochmals eine Firma, die preclinics GmH in Potsdam. Aktuell habe ich zwanzig Mitarbeiter. Wie der Name schon sagt, machen wir Auftragsforschung für Pharmafirmen, die Hilfe in der präklinischen Phase von Therapiestudien benötigen. Aber wir isolieren und verkaufen eben auch Nanobodies im Auftrag.“

Nanobodies sind die mit nur 15 kDa vergleichsweise winzigen Verwandten der IgG-Antikörper, die man bisher nur bei Kameliden und Haien fand. Sie waren 1993 entdeckt worden (Nature, 363, 446-8). Nachdem erste Patente ausgelaufen sind, werden sie zunehmend in der Forschung verwendet (siehe das „Antikörper 2.0“-Special im aktuellen Laborjournal-Heft). Diesen Trend bekam auch Füner zu spüren. Wegen der gestiegenen Nachfragen nennt er heute 80 Alpakas und Lamas sein Eigen. Alpakas und Lamas erwiesen sich als sehr geeignete tierische Mit­arbeiter. „Damit Tiere – und Menschen – durch Immunisierung Antikörper produzieren, muss man bei ihnen eine möglichst intensive Entzündungsreaktion auslösen. Das ist bei Alpakas nicht nötig, wir haben trotzdem sehr gute Trefferraten, selbst bei ganz schwachen Antigenen. Und weil wir über den Phage Display die wirklich guten Binder identifizieren können, können wir mit ganz niedrigen Titern arbeiten.“

Bunt gemischte Kundschaft

Bei preclinics kann man vom frisch gezapften Blut immunisierter Tiere bis zum validierten Nanobody jeden Produktionsschritt einkaufen. „Wir bieten das an, weil unsere Kundschaft so divers ist. Universitäten bestellen meist nur die Immunisierung. Sie lassen sich dann Blutproben senden und machen die Identifizierung und Charakterisierung von Bindern selber.“ Kunden mit mehr Geld können Full Service einkaufen, also Isolierung, Validierung und cDNA-Klonierung der entsprechenden Antikörper-Gene. Für Kunden, die therapeu­tische Antikörper entwickeln wollen, bietet preclinics auch Studien zur Pharmako­kinetik und Wirksamkeit an. Etwa die Hälfte der Antikörper, die bei ihm in Auftrag gegeben werden, sollen später für die Forschung oder Diagnostik eingesetzt werden, die andere Hälfte zur Therapie dienen.

Auch wenn Füner als Geschäftsführer jetzt vor allem kaufmännische Aufgaben hat, ist er noch immer sehr an Forschung interessiert. Aktuell entwickelt er mit seinen Mitarbeitern Nanobody-Fusionsproteine, die man zur Aktivierung des Immunsystems benutzen kann. Sie enthalten ein Tetanus-Antigen sowie einen Nanobody mit einer anderen Spezifität, beispielsweise gegen ein gefährliches Virus. Da fast jeder Tetanus-Antikörper hat, kann dieses Fusionsprotein erkannt und von Fresszellen entsorgt werden – samt der an den Nano­body gebundenen Erreger. Für die Entwicklung solcher Immuno-Tags erhielt preclinics kürzlich Fördermittel vom ProFit-Programm des Landes Brandenburg. Füner betont, sie seien keine Fördermittel-Junkies. „Unser Wachstum haben wir durch Umsatz und Aufträge generiert.“

Nicht reich, aber Ärger los

Die preclinics GmbH ist jetzt zwölf geworden. Hat sie Füner wohlhabend gemacht, fragte ich? Da musste er doch herzhaft lachen. „Nein, denn wir haben den Gewinn bisher immer re-investiert.“ Beispielsweise in eine zweite Heimstatt für die Kameliden, so dass Stuten und Hengste getrennt gehalten werden können. Das macht weniger Ärger.

Als der in der Nähe von Bremen gelegene, ehemals den Behring-Werken gehörende Behring-Campus Eystrup zum Verkauf angeboten worden war, habe er Interesse geäußert. „Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass wir das Gelände wirklich kaufen können, denn mit über 30.000 Quadratmetern ist es schon sehr groß. Doch dann die Überraschung: ich habe es günstig bekommen.“ Die Behring-Werke wollten dort früher ein Serum gegen Schweinepest entwickeln. Insofern war dort die Tierhaltung und Immunisierung genehmigt. „Das ging alles ganz reibungslos. Nur die Nachbarn waren zunächst skeptisch. Sie be­fürch­teten wohl, wir würden auch mit Schweinen kommen. Aber die Alpakas haben sie versöhnt, es sind echte Sympathieträger.“ Lange Wimpern, puschelige Frisur… keine Frage.

Karin Hollricher



Letzte Änderungen: 18.04.2019