Editorial

Die größten Biotech-Loser

Vier Biotech-Werte haben es auf die berüchtigte "DSW-Watchlist 2006" geschafft. Keine Ehre, ganz im Gegenteil: Die Aktien dieser Firmen sollte man lieber meiden, empfiehlt die "Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz".

Die 1947 gegründete DSW ist mit rund 28.000 Mitgliedern die führende deutsche Aktionärsvereinigung. Die alljährlich von ihr erstellte "Watchlist" ist laut DSW ein Instrument, das "einfach und schnell Problemfälle unter den Aktiengesellschaften herausfiltert". Für die Anleger sei dies eine wichtige Information, weil dadurch Risiken und längerfristige Entwicklungen sichtbar würden, so DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker. Dass die Investition in ein Unternehmen, das sich auf der Liste befindet, durchaus Sinn machen könne - schließlich werde gerade mit Turn-around-Kandidaten das meiste Geld verdient, so Hocker - wird langfristig in die "50 größten Kapitalvernichter" Investierte allerdings nur wenig trösten.

Analysiert haben die DSW-Leute alle im Prime Standard der Deutschen Börse gelisteten Unternehmen, die seit mindestens fünf Jahren notiert sind (insgesamt 313). Erfasst wurde die reine Kursperformance ohne Dividenden und Sonderzahlungen über ein Jahr, drei Jahre sowie fünf Jahre. Die erzielte Performance fließt mit festgelegten Gewichten in die Gesamtnote ein. Im schlimmsten Fall sind minus 1000 Punkte zu erreichen. Der Spitzenreiter Intershop (keine Biotech-Firma!) hätte dies beinahe geschafft.

Liga der Loser

Die diesjährige Liga der Loser wird vom Jenaer Skandal-Laden Intershop (einem Software-Hersteller) angeführt. Intershop "schaffte" minus 903 Punkte. Was bedeutet das? Ein Beispiel: Intershops "Jahresperformance" beträgt minus 69,4 Prozent. Das bedeutet: Wer Ende 2000 für 10.000 Euro Intershop-Aktien kaufte, der konnte diese Ende 2005 für knapp 27 Euro wieder verkaufen.

Die vier laut DSW schlechtesten Biotech-Werte der letzten Jahre sind die Lion Bioscience AG (Heidelberg; minus 655 Punkte), die November AG (Erlangen; minus 376), die Evotec AG (Hamburg; minus 285) und die Medigene AG (Martinsried; minus 230). Für Laborjournal-Leser keine Überraschung, denn über drei dieser Firmen berichteten wir in der Vergangenheit bereits mehrmals. Der vierten von ihnen, der mittelfränkischen November AG, sollten wir uns in Zukunft wohl ebenfalls regelmäßiger widmen.

Trauriger Negativ-Spitzenreiter: Lion Bioscience

Trauriger Biotech-"Spitzenreiter" in der DSW-Liste ist - natürlich - die Lion Bioscience AG (siehe beispielsweise die launige Story vom 16.8.2005 unter http://129.143.8.2/biotech/editorials/141.html). Lion steht als Nummer 6 in der DSW-Liste. Die Lion-Verantwortlichen brachten es fertig, aus einem der besten jemals in Deutschland getätigten Börsengänge und DEM Hoffnungsträger der deutschen Biotechnologie innerhalb weniger Jahre ein komplettes Desaster zu fabrizieren. Fast 201 Millionen Euro sind mittlerweile "verbrannt" (wie man in Börsenkreisen so anschaulich sagt), und die ehemaligen Lion-Chefs fahren noch immer Porsche. Die einstmals hochmotivierte Belegschaft hingegen schuftet längst anderswo für seine Brötchen (oder radelt zum Heidelberger Arbeitsamt). Wir gratulieren herzlichst zu diesem Spitzenplatz.

Ebenfalls nicht berauschendes Management und daraus resultierende, horrende Kursverluste sind November (Rang 22), Evotec (35) und Medigene (44) zu bescheinigen. Die November-Aktie hat im letzten Jahr 41,3 Prozent an Wert verloren, bei Evotec waren es zwischen 2001 und 2005 pro Jahr fast 40 Prozent, und bei Medigene floppten nicht nur regelmäßig die Medikamente-Kandidaten, sondern auch der Aktienkurs: Ein Minus von über 35 Prozent jährlich seit 2001 reichte in der DSW-Liste locker für Platz 44 unter den schlechtesten 50 börsennotierten Unternehmen.

Hokus-Pokus-Verschwindibus: Wir zaubern 9863 Euro weg!

In Zahlen ausgedrückt: 10 000 Euro, Ende 2000 in Lion Bioscience investiert, sind derzeit noch 137 Euro wert. Haben Sie damals für 10 000 Euro November-Aktien gekauft? Die sind immerhin noch 1600 Euro wert. Bei Evotec sind noch 911 Euro übrig, bei Medigene sogar knapp 1200. Ein Vermögen zu vermehren funktioniert allerdings anders. Wenn Sie mal so richtig herzhaft lachen wollen, dann besorgen Sie sich die alten Börsengangs-Prospekte der erwähnten Firmen und lesen Sie sich die dickhalsigen Sprüche bezüglich "Wertsteigerung" und "Nachhaltigkeit" durch. Lachen befreit und ist gesund.

Hämisch zitierte DSW- Hauptgeschäftsführer Hocker denn auch vorgestern bei der Präsentation der Watchlist den Satz: "Wer an der Börse ein kleines Vermögen machen will, muss mit einem großen Vermögen hingehen". - Aber zum Glück gibt es ja noch andere (auch Biotech-!) Werte, zum Glück sind die Life-Science-Unternehmen unter den "worst fifty" in der Minderzahl (vier von 50) - und vielleicht schafft ja eines der oben genannten Unternehmen demnächst wirklich den Umkehrschwung.

Sie müssen nur fest genug daran glauben.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 17.02.2006