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Blick auf durchsichtige Mäuse

(18.09.2019) Ein neues DIY-Lichtscheiben-Mikroskop erlaubt auch Aufnahmen von Kleintieren. Die Bauanleitung gibt‘s gratis, die Bauteile sind aber nicht ganz billig.
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Eine CLARITY-Probe in der Proben-Küvette.

Bei der Lichtscheiben-Mikroskopie wird nur eine einzelne Proben-Schicht beleuchtet, wodurch auch intakte und große Gewebe mikroskopiert werden können. Damit dies funktioniert, müssen die Proben durchsichtig sein. Für dieses sogenannte Tissue Clearing existieren zwei unterschied­liche Ansätze, die entweder organische Lösungs­mittel ver­wen­den, wie die DISCO (Three-Dimensional Imaging of Solvent-Cleared Organs)-Protokolle, oder mit wäss­rigen Lösungen arbeiten, etwa CLARITY und CUBIC.

Der grundlegende Mechanismus ist jedoch bei allen Verfahren identisch: Das Wasser in der Probe wird durch ein Lösungs­mittel ersetzt, gleichzeitig werden Lipide aus dem Gewebe gewaschen, wodurch die Probe nahezu durchsichtig wird. Da die gesamte Probe transparent ist, muss sie nicht mehr zerschnitten werden, sondern kann schnell in einem Stück mikro­skopiert werden.

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Hakendes Zusammenspiel

Noch hakt es jedoch beim Zusammenspiel zwischen geklärten Proben und den Aufnahme-Techniken der verschiedenen Lichtscheiben-Mikroskope. So ist es zum Beispiel mit den Tissue-Clearing-Verfahren möglich, „transparente“ Mäuse herzustellen. Um sie mit den derzeit existierenden Lichtscheiben-Mikroskopen untersuchen zu können, muss man sie jedoch noch immer zerschneiden.

Ein großes Team mit Forschern aus der Schweiz, Italien und Ungarn, zu denen unter anderem die Gruppen von Fritjof Helmchen (Universität Zürich, ETH Zürich), Adriano Aguzzi (Universitätsspital Zürich) sowie Christian Lüscher und Anthony Holtmaat (Universität Genf) gehörten, nahm sich vor dies zu ändern: Die Wissenschaftler konstruierten ein sogenanntes mesoscale-Selective-Plane-Illumination-Mikroskop (mesoSPIM), mit dem diese Einschrän­kungen passé sind.

Das mesoSPIM ist ein Open-Hardware-Projekt, bei dem alle Bau- und Konstruk­tionspläne frei zugänglich sind und auf der Webseite http://mesospim.org herunter­geladen werden können. Damit kann jede interessierte Arbeitsgruppe ihr eigenes Lichtblatt-Mikroskop bauen – wenn sie noch etwas Geld auf der hohen Kante hat. Je nach Konfiguration sind für die nötigen Bauteile 150.000 bis etwa 220.000 Euro fällig. Klingt viel, ist aber immer noch günstiger als eines der kommerziellen Systeme zu kaufen, die bis zu 600.000 Euro kosten. Nach Angaben der Gruppe lässt sich das mesoSPIM in einem Tag zusammenbauen – das dürfte aber ziemlich sportlich und nur für Gruppen realistisch sein, die sich nicht zum ersten Mal an ein solches Projekt wagen.

Für Fliegen, Hirne und Mäuse

Die Konstruktion des Mikroskops ist sehr durchdacht. Um möglichst viele Proben hinter­einander mikrosko­pieren zu können, verwendet die Gruppe magnetische Einspann-Vorrichtungen für Küvetten und mit dem 3D-Drucker hergestellte Probenhalter, die schnell ausgetauscht werden können. Durch die flexiblen Halterungen ist das System für verschieden­artige Proben geeignet, die von ganzen Drosophila über Teile des menschlichen Cortex bis hin zu Mäusen reichen.

Die Mikroskopie eines gesamten Mäuse-Gehirns (ca. 1 cm3) mit einer isotropen Auflösung von 6,5 µm dauert mit dem mesoSPIM nur sieben bis acht Minuten und liefert über­schaubare Datensätze von zwölf bis sechzehn Gigabyte. Das weite Sehfeld (Field of View, FOV) des Mikroskops von 2 bis 21 Millimetern erlaubt in Kombination mit einer sCMOS-Kamera auch Aufnahmen großer Proben. Werden dabei besonders interessante Strukturen oder Veränderungen erkannt, können diese mit einer höheren Auflösung einzeln aufge­nommen und in einem Mosaik-Verfahren wieder zu einem großen Gesamtbild zusammen­gesetzt werden.

Gleichmäßige Ausleuchtung

Die Lichtscheibe des mesoSPIMs wird von einem Laserstahl (Gaußstrahl) erzeugt, der durch einen sogenannten Galvano­meter-Scanner rasterförmig in vertikaler Richtung bewegt wird. Das hat verschiedene Vorteile: Das FOV wird sehr gleichmäßig ausgeleuchtet, die Höhe der Lichtscheibe lässt sich sehr einfach einstellen und zu guter Letzt werden Beleuch­tungsarte­fakte vermieden. Um die Daten­qualität zu erhöhen, integrierte das Team ein sogenanntes Axially-Scanned-Lichtscheiben-Mikroskop (ASLM) in das mesoSPIM, das die axiale Auflösung auf etwa 5,5 µm verbessert.

Mittlerweile sind fünf mesoSPIM-Systeme in europäischen Laboren im Einsatz und etliche weitere werden bereits zusammen­gebaut. Die mesoSPIM-Entwickler erhoffen sich von der Offenlegung der Konstruk­tionsdetails, dass sich weitere Arbeits­gruppen an dem Projekt beteiligen.

Frederique Wieters

Voigt F. et al. (2019): The mesoSPIM initiative: open-source light-sheet microscopes for imaging cleared tissue. Nature Methods, DOI: 10.1038/s41592-019-0554-0







Letzte Änderungen: 18.09.2019