Editorial

Wie fit ist das Zellkraftwerk?

(19.09.2019) In Innsbruck bei Oroboros Instruments wird diese Frage mit Respirometern und einem Open-Innovation-Ansatz beantwortet. So ist man Marktführer geworden.
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Mitochondrien sind der Ort der Zellatmung, jenes Stoff­wechsel­vorgangs, bei dem aus Fetten, Zuckern und anderen Nährstoffen mithilfe von Sauerstoff Energie gewonnen wird. Die Funktion von Mitochon­drien ist in den letzten Jahren immer mehr in den wis­sen­schaftlichen Fokus gerückt, da man fest­stellte, dass sie ein entschei­dender Faktor für die Gesundheit von Organismen ist. Par­kin­son, Alzheimer sowie Krebs, Diabetes, aber auch der Alterungs­prozess werden mit defek­ten Mitochon­drien in Verbindung gebracht.

Wie aber untersucht man den Zustand der Mitochon­drien? Das ist die Expertise von Oroboros Instruments. Die Tiroler haben ein Gerät, den Oxygraph-O2k entwickelt, das eine exakte Messung der Atmung von Mitochondrien ermöglicht. Vor 19 Jahren gründete der Biochemiker Erich Gnaiger das Unternehmen. Oroboros ist übrigens ein uraltes Bildsymbol, bei dem sich eine Schlange in den eigenen Schwanz beißt und so einen perfekten Kreis bildet. Dieses Bild findet sich auch im Firmen­logo wieder – hier ist es allerdings eher ein Reptil mit zwei Beinen.

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Gestörte Mitochondrien?

Bei der Respirometrie misst man zunächst den Energie­umsatz des „Brennstoffs“ (Proteine, Fette, Kohlenhydrate). Dieser wird dann ins Verhältnis zum abgegebenen Kohlendioxid und aufgenom­menen Sauerstoff gesetzt und lässt Rückschlüsse auf even­tuelle Störungen der Mitochon­drien zu. „Wir können anhand von geringen Proben­mengen aus Muskelgewebe oder dem Blut die Intensität der Zellatmung messen – und das mit einer einzigartig hohen Auflösung“, erläutert Gnaiger in einem früheren Interview. In der Geräte-Ausführung mit optischer Fluores­zenz­messung (seit 2012 auf dem Markt) können auch die Produktion von Sauerstoff-Radikalen und ATP, die Calcium-Konzen­tration oder das mitochondriale Membran-Potenzial bestimmt werden.

Studien zur Bioenergetik, zur mitochon­drialen Physiologie, zum Einfluss von unterschied­lichen Substanzen auf die Zellatmung oder zu mitochon­drialen Erkrankungen lassen sich mit dieser Technologie recht einfach durchführen. Das erklärt wohl auch den Erfolg von Oroboros Instruments. 1992 kam das erste Respirometer auf den Markt, 2010 standen weltweit bereits rund 300 Geräte in den Laboren. Im Jahr 2016 arbeiteten 800 Labore mit den Oroboros-Oxygraphen, 100 Geräte verkaufte die Firma innerhalb eines Jahres. Aktuell steht man bei mehr als 1.000 verkauften FluoRespirometern und mehr als 3.200 Veröffentlichungen. Die meisten Geräte verkaufen die Tiroler in die USA, Deutschland und Kanada.

Workshop im Amazonas

Zum Oroboros-Universum gehören übrigens auch weltweite Workshops unter dem Motto „Expeditions: The world as a laboratory“. Vor vier Jahren war man dafür in Brasilien unterwegs, um in einem Pilotprojekt/Workshop zu untersuchen, ob es möglich ist, anhand von Fisch-Mitochondrien (beispielsweise von Schwarzem Pacu, Colossoma macropomum, oder Arapaima-Spezies) zu verstehen, wie menschliche Mitochondrien funktionieren.

Mit den bisherigen Erfolgen geben sich Erich Gnaiger und sein Team aber keineswegs zufrieden. Immer bessere und höher auflösende Respiro­meter will Oroboros entwickeln. Kürzlich erhielt die Firma für die Entwicklung und Marktein­führung eines neuen All-in-one-Geräts 1,7 Millionen Euro Fördermittel aus dem EU-Forschungs­rahmen­programm Horizon 2020. Das NextGen-O2K-Gerät soll bereits 2021 auf den Markt kommen, wenn in der Zwischenzeit noch ca. 2,4 Millionen Euro für die Entwicklung aufgetrieben werden können.

In seiner finalen Version soll dieses neben dem Modul zum Monitoring des Redox-Zustands in der Atmungskette von Mitochon­drien auch ein Modul zu Messung der Photo­synthese-Aktivität beinhalten. Damit könnte Oroboros seinen Fokus auch auf die Ökologie bzw. Optimie­rung der Biomasse­produktion (zum Beispiel auf Algenfarmen) und die Klimaforschung erweitern.

Im NextGen-O2K spiegelt sich die intensive Forschungsarbeit des Teams um Erich Gnaiger wider, die sich in einer Vielzahl an Optimie­rungen der Apparatur zeigt. Wie der Firmen-Chef dem österreichischen Standard verriet, tauschte man für den Rührer Teflon gegen Titan, weil man festgestellt hatte, dass Ersteres die Messwerte verfälschte. Für die Dichtungen verwendet Oroboros nun spezielles Kautschuk.

Keine Patente, aber zufriedene Kunden

Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen macht man kein Geheimnis um die Neuent­wicklungen. Ganz im Gegenteil. Sie werden nach dem Open-Innovation-Prinzip diskutiert und einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Patente hält die Firma nicht. „Unser Schutz ist, dass wir unsere Forschungs­ergebnisse publizieren“, sagt Gnaiger dem Standard. „Wir setzen auf laufenden Kontakt mit unseren Kunden, deren Ideen – etwa die Fluoreszenz­methode – für neue Entwicklungen aufgegriffen werden.“

Im letzteren Sinne haben die Österreicher auch ein weltweites Netzwerk von Experten und Anwendern der hochauf­lösenden Respiro­metrie aufgebaut. Ebenso unterstützt und koordiniert Oroboros das EU-Projekt MitoEAGLE, das unser Wissen über die mitochondriale Funktion in Gesundheit und Krankheit mit Bezug auf Evolution, Alter, Geschlecht, Lifestyle und Umwelt erweitern will.

Frederique Wieters
Kathleen Gransalke







Letzte Änderungen: 19.09.2019