Editorial

Vom Veröffentlichen 'fauler Eier'

(31.01.2020) Aus unserer Reihe 'Anekdoten aus dem Forscherleben': Wie manche Forscher mangelhafte Studien auf Teufel komm raus veröffentlichen wollen.
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Zum x-ten Male musste sich Professor Eisenmann über einen Kollegen ärgern, dessen Manuskript er begutachten musste. Dieses Mal sogar noch ein bisschen heftiger als in den vielen ähnlichen Fällen, die über die Jahre schon auf seinem Schreibtisch gelandet waren. „Es wird immer schlimmer“, schüttelte er den Kopf...

Es war natürlich wieder mal die weitverbreitete und scheinbar unausrottbare Schlamperei, dass die Zahl der Proben einfach zu klein war. „Die Leute kapieren einfach nicht, dass man auf diese Art keine belastbare Statistik bekommen kann“, zischte Eisenmann leise vor sich hin. „Und dass die Ergebnisse auf diese Art nur Anekdoten bleiben, die keinerlei allgemeingültige Schlussfolgerungen erlauben.“

Und mit dieser Begründung lehnte er das Manuskript schließlich ab. Mit höflichen, jedoch klaren Worten – aber auch mit dem einen oder anderen belehrenden Absatz. Man kann ja nie wissen, vielleicht sind die Autoren ja tatsächlich noch lernfähig... 

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Einige Tage später klingelte Eisenmanns Telefon. Am anderen Ende der Leitung war Sturfeld, der Seniorautor des abgelehnten Manuskripts. „Jetzt werde ich sicher bereuen, dass ich meinen Namen unter das Gutachten geschrieben habe“, dachte Eisenmann sofort...

... Doch Sturfeld hatte schon losgelegt. Versicherte Eisenmann erst einmal, dass ihm die geringe Fallzahl natürlich bewusst war. Aber er müsse schließlich doch verstehen, dass es elend schwer sei, überhaupt Proben für solch eine Studie zu bekommen. Selbst mit noch größerem Aufwand wären kaum höhere Fallzahlen drin gewesen.

Und dann sagte er doch tatsächlich: „Und Sie wissen doch selber, lieber Kollege: Wenn wir nicht trotzdem veröffentlichen, was wir haben, lernen wir letztlich gar nichts über das ganze Phänomen.“

Eisenmann kochte innerlich angesichts solcher Ignoranz, auf welche Art Wissenschaft überhaupt nur zuverlässig funktionieren kann. Offenbar war Sturfeld gar nicht bewusst, dass man mit seiner „Philosophie“ vor allem falsche Schlussfolgerungen über irgendwelche Phänomene ziehen kann.

Dennoch blieb Eisenmann ruhig. Eindringlich versuchte er, Sturfeld nochmals zu erklären, warum es besser sei, gar nichts zu veröffentlichen, als mit irgendwelchem Müll herauszuplatzen, mit dem man aufgrund bescheidener Probenzahl und schwacher Statistik am Ende stark daneben liegen könnte. Zum einen können solche unsoliden Ergebnisse eventuellen Folgeprojekten sehr übel den falschen Weg weisen. Und fast noch schlimmer: Wenn Autoren und Reviewer um solche an sich unakzeptablen Limitationen einer Studie sogar wissen und sie dennoch in das Journal durchboxen – dann müssen doch die allermeisten daraus schließen, dass die Limitationen gar nicht so schlimm sind. Und wer wird sich dann noch daran machen, sie mit passender Probengröße und robuster Statistik auf soliden Boden zu stellen?

Doch Eisenmann wollte es noch mit einem konstruktiven Vorschlag zur Güte probieren: „Was Sie aber machen können, werter Kollege, ist, dass Sie sämtliche Rohdaten unter Ihrem Namen für alle einsehbar auf irgendeinem Repositorium ablegen – ohne statistische oder andere Auswertung und ohne Schlussfolgerungen. Ganz im Sinne von Open Science also. Dann bestünde immerhin die Chance, dass daraufhin noch andere Kollegen mit weiteren passenden Daten aus ihren Löchern kämen. Und am Ende würde die gesamte Datenbasis dann womöglich groß genug, um...“

Weiter kam Eisenmann nicht mehr. „Dann schicke ich das Manuskript eben an ein anderes Journal“, hörte er Sturfeld gerade noch fauchen, bevor dieser ihn wegdrückte.

Eisenmann seufzte. Er zweifelte nicht daran, dass er Sturfelds Paper bald unverändert in irgendeinem anderen Journal lesen würde. Heutzutage bekommt man ja leider fast jedes „faule Ei“ irgendwo veröffentlicht. 

Ralf Neumann

(Foto: Adobe Stock, Elnur)

 

(Die einzelnen Geschichten dieser Kolumne sind uns in aller Regel nicht genau so, aber doch sehr ähnlich referiert worden. Die Namen entsprechen keinen realen Personen.)



Letzte Änderungen: 29.01.2020