Speicheltest zum Schnäppchenpreis
(19.08.2020) In den USA macht gerade ein SARS-CoV-2-Test Furore, der mit Speichelproben funktioniert. Gesponsert wurde er auch von der National Basketball Association.
Wladimir Putin hat sein Sputnik V in die Umlaufbahn geschossen, doch ob er SARS-CoV-2 damit besiegt, oder demnächst ein anderer wirksamer Impfstoff verfügbar ist, steht in den Sternen. Klarheit zum Infektionsgeschehen verschaffen gegenwärtig nur Tests, die möglichst schnell verlässliche Ergebnisse liefern.
Die Gruppe des Virologen Nathan D. Grubaugh von der Yale University lässt jetzt mit einem vor wenigen Tagen von der US Food and Drug Administration (FDA) genehmigten Speicheltest aufhorchen, der nicht nur schnell und einfach durchzuführen ist. Der von Grubaughs Mitarbeitern entwickelte SalivaDirect-Test ist auch für den Hochdurchsatz geeignet, benötigt keine Hersteller-abhängigen Chemikalien oder Instrumente und ist mit Kosten von 1,29 bis 4,37 US-Dollar je Probe zudem kostengünstig. Er zielt primär auf großskalierte Testungen asymptomatischer Personen ab.
Verzichten und ersetzen
Verschiedene Abkürzungen reduzieren die Kosten von SalivaDirect. Statt Abstrichproben wird Speichel verwendet, der einem weiteren Paper des Teams zufolge, sogar die Sensitivität von SARS-CoV-2-Tests erhöhen soll (medRxiv, DOI: 10.1101/2020.04.16.20067835). Darüber hinaus verzichten die Forscher kurzerhand auf Reagenzien zur Proben-Stabilisierung, wie zum Beispiel Puffer (TBE, PBS) sowie Additive (Tween20, NP40) und ersetzen den RNA-Extraktionsschritt durch eine einfache Proteinase-K- und Hitzebehandlung (95°C). Danach folgt das Protokoll dem klassischen Weg der qRT-PCR (das genaue Protokoll gibt‘s hier).
Als Zielsequenzen verwendete Grubaughs Mannschaft zunächst die gängigen Regionen N1 und N2 des viralen Nukleokapsid-Gens. Als Kontrolle diente die RNA-Komponente (RP) der humanen RNase P. Die RT-qPCR startete die Gruppe im Multiplex-Format mit allen drei Primer-Sets gleichzeitig. Nach Experimenten mit 613 klinischen Proben von Patienten und infiziertem Personal erkannte sie jedoch, dass der Nachweis für N2 schwieriger ist und entschied sich für einen Dualplex-Assay mit N1 und RP. Zusätzlich tauschte sie den für die RP-Probe verwendeten Fluoreszenz-Farbstoff FAM gegen Cy5 aus.
Ein Protokoll für alle Kits
Anschließend organisierte das Team drei kommerzielle qRT-PCR-Kits von NEB, Bio-Rad sowie ThermoFisher Scientific und setzte diese für das SalivaDirect-Protokoll ein. Um die Sache zu vereinfachen (die Kits sehen leicht abweichende PCR-Zykluskonditionen vor), entwickelte die Gruppe aus Yale ein Universal-Protokoll, das für alle drei Kits passte und gleiche Ergebnisse (Ct-Werte) lieferte. Bei den RT-qPCR-Geräten (CFX96 von Bio-Rad; Applied Biosystems 7500 Fast und 7500 Fast Dx) traten zwar leichte Unterschiede in den Ct-Werten zu Tage. Dennoch funktionierte der Test mit allen drei Systemen, die Detektionsschwelle lag bei 6 bis 12 SARS-CoV-2-Kopien pro Mikroliter.
SalivaDirect ist nicht ganz so sensitiv wie die Standardprozedur mit RNA-Extraktion und RT-qPCR. Bei 3 von 41 Patientenproben lieferte der Test ein falsch-negatives Ergebnis (entspricht 94 % Übereinstimmung). Die offenbar besonders geringe Viruskonzentration in diesen Proben detektierte nur der Standard-Test (mit relativ hohen Ct-Werten von 35 bis 40). Berücksichtigt man jedoch den beabsichtigten Einsatz von SalivaDirect in regelmäßigen Tests (derselben) Personen, relativiert sich das Problem – man erwischt einen positiven Kandidaten eben erst am Folgetag.
Ähnliche Trefferquote
Grubaughs Team validierte SalivaDirect schließlich anhand von parallel entnommenen Nasen-Rachenraum-Abstrichen und Speichelproben, die von 34 nachgewiesen positiven und 30 negativen Personen stammten. Im Vergleich zum Standardverfahren, das zwei falsch-positiv und drei falsch-negative Resultate ergab, lieferte SalivaDirect drei unsichere Ergebnisse und keine falsch-negativen. Die Trefferquote der beiden Verfahren war also sehr ähnlich.
Das gegenwärtige SalivaDirect-Protokoll ist nicht für Tests von hospitalisierten COVID-19-Patienten geeignet, da mögliche Inhibitoren wie Spuren von Blut oder Schleim zu falsch-negativen Ergebnissen führen könnten. Um den Transport der Proben muss man sich offenbar nicht sonderlich sorgen. Nach einwöchiger Lagerung bei 4 °C, 19 °C oder 30 °C waren die Ct-Werte für N1 in Spike-in-Proben nahezu unverändert. N1 scheint wesentlich stabiler zu sein als die humane RP-RNA. In ungekühlten Proben stieg der entsprechende Ct-Wert für diese um 4 bis 5 an.
Die Testentwickler wollen SalivaDirect möglichst rasch und großflächig anwenden, finanzielle Interessen stehen hinten an. Solange eine CLIA-Zertifizierung vorliegt (Clinical Laboratory Improvement Amendments), die gemäß US-Standards den Umgang mit menschlichen Proben erlaubt, können interessierte Labore einsteigen. Grubaughs Gruppe verspricht individuelle Unterstützung bei der Anpassung des Tests an die jeweilige Geräteinfrastruktur und entsprechende Protokolle.
Halbe Million von der NBA
Profit-orientierte Unternehmen sollen eine kostenlose Lizenz erhalten, wenn sie ihre Testgebühren offenlegen und belegen können, dass der Spareffekt von SalivaDirect nicht auf dem Firmenkonto, sondern beim Kunden landet. So viel Großzügigkeit mag verblüffen. Wäre da nicht die National Basketball Association (NBA) der USA, die die Entwicklung von SalivaDirect, nach einem Bericht der Yale Daily News, mit 500.000 Dollar gesponsert hat. Unter den ersten Probanden einer größeren Studie zu SalivaDirect waren deshalb auch einige der seit Anfang Juli in Florida einkasernierten 351 NBA-Stars. Ob die NBA SalivaDirect in ihr Testregime aufnehmen will, ist aber noch nicht klar. Dennoch könnte SalivaDirect auch ein kostengünstigeres Modell für die deutschen Fußball-Ligen sein, die ihre Spieler ebenfalls regelmäßig testen müssen.
Andrea Pitzschke
Vogels C. et al. (2020): SalivaDirect: Simple and sensitive molecular diagnostic test for SARS-CoV-2 surveillance. medRxiv, DOI: 10.1101/2020.08.03.20167791
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