Editorial

Nanoskopie zum Schnäppchenpreis

(16.09.2020) Kommerzielle, höchst­auflösende Mikroskope sind sündhaft teuer. Ein DIY-Nanoskop aus dem 3D-Drucker gibt es schon für deutlich unter 1.000 Euro.
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CAD-Modell des Nanoskops

Konstruiert hat das Do-it-yourself-Nanoskop ein inter­nationales Team um Rainer Heintzmann von der Uni Jena mit Erstautor Benedict Diederich. Letzterer ließ bereits 2018 mit einem Smartphone-Mikroskop aufhorchen (siehe hierzu auch das Interview mit Die­derich auf Laborjournal Online).

Das Jenaer dSTORMII-Nanoskop basiert auf dem Prinzip der (direct) Stochastic Optical Recon­struction Microscopy (dSTORM). Bei dieser Variante der sogenannten Einzel­molekül-Lokali­sations-Mikroskopie (SMLM), zu der auch die von Nobelpreis-Gewinner Eric Betzig entwickelte Photoactivated Localization Microscopy (PALM) zählt, werden zufällig verteilte Fluorophore an- und ausgeschaltet, um ein hoch­aufgelöstes Bild zu rekonstruieren.

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Smarte Einheit

Herzstück von dSTORMII ist eine äußerst smart aufgebaute optische Einheit: Das Anre­gungslicht einer Laser-Diode wird zunächst mithilfe einer sogenannten Optical Pickup Unit aus einem Blu-Ray-Player gebündelt und auf einen Photochip mit inte­griertem Wellenleiter geworfen, auf dem sich die Probe befindet. Ein Objektiv sammelt die von der Probe ausgehenden Fluoreszenz-Signale und leitet sie in das optische System eines handels­üblichen Smartphones, das mit einer CMOS-Kamera beziehungs­weise einem CMOS-Sensor ausgestattet ist. Eingebaut ist das Ganze in ein mit dem 3D-Drucker hergestelltes Mikroskop-Gehäuse, inklusive Objekttisch und Motor-gesteuertem Fokus.

dSTORMII nimmt in kürzester Zeit unzählige Bilder auf, wobei die Anre­gungsmuster jeweils minimal variiert werden. Anders als bei einem Profi-Fotografen, der sich am Ende das beste Bild eines Foto­shootings aussucht, entsteht das perfekte Bild mit einer Auflösung von bis zu 100 Nanometern nach der Rekon­struktion aller Einzel­aufnahmen. Die Rechen­einheit des Handys übernimmt hierbei die Bildver­arbeitung und trennt echte Signale oder Strukturen vom Hinter­grundrauschen. Diederich und Co. haben den Computer des Smartphones so gehackt, dass es autonom Bilder aufnehmen sowie verarbeiten kann und zugleich die Geräte­komponenten dirigiert.

Passt in jeden Inkubator

Das komplette dSTORMII-Nanoskop ist nicht größer als ein Würfel von circa 12 Zentimetern Kanten­länge und passt in einen Inkubator oder unter den Abzug eines Hoch­sicherheitslabors. Die Jenaer installierten das DIY-Nanoskop in einem S3-Labor des Jenaer Univer­sitätsklinikums und testeten, ob es auch SARS-CoV-2 visualisieren kann. Dazu verwendeten sie zunächst Virus-ähnliche Partikel (VLP), die mit dem Spike-Protein von SARS-CoV-2 dekoriert waren. Für den immuno­logischen Nachweis inkubierten sie die VLPs mit AF647-markierten Antikörpern und detektierten deren Fluoreszenz­signale.

Auch Analysen mit zwei Fluoreszenz­farben sind möglich, wenn man das Gerät mit einem weiteren Laser aufrüstet. Damit können nicht nur Antigene, sondern auch Viren generell anhand ihrer Kontur visualisiert werden. Um das zu belegen, unter­suchten die Forscher aktive SARS-CoV-2-Viren, deren Membran sie mit dem Farbstoff Myr-Palm-mCherry sichtbar machten. Das Spike-Protein detektierten sie mit AF647-markierten Antikörpern. In einem fünf­minütigen Fotoshooting entstanden etwa 3.000 Aufnahmen, aus denen das Handy anhand zuvor eingespeister Bilddaten ein Bild des Virus rekonstruierte.

Wer das dSTORMII-Nanoskop nachbauen will, findet die vollständige Konstruk­tionsanleitung inklusive der Handy-Software auf Diederichs cellSTORM II-Github-Seite.

Andrea Pitzschke

Diederich B. et al. (2020): Nanoscopy on the Chea(i)p. BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.09.04.283085

Foto: Diederich et al.





Letzte Änderungen: 16.09.2020