Editorial

Der goldene Schnitt

(07.10.2020) Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna gewinnen den Chemie-Nobel­preis. Ihre CRISPR/Cas-Genschere kennt inzwischen (fast) die ganze Welt.
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Dass die beiden Popstars der modernen Molekular­biologie irgendwann den Nobelpreis abräumen würden, war unter den meisten Beobachtern längst eine ausgemachte Sache. Die Frage war eigentlich nur, wann sich das Nobel­komitee in Stockholm dafür entscheiden würde, den beiden den prestige­trächtigen Preis zu verleihen.

Immerhin ist es inzwischen auch schon acht Jahre her, seit die beiden Forsche­rinnen mit ihrem bahn­brechenden Science-Paper die Ära des Genome Editings mit CRISPR-Cas einläuteten (337(6096):816-21). Doudna und Charpentier waren zwar nicht die Ersten, die sich mit dem Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats (CRISPR)-assoziierten System (CRISPR-Cas) beschäftigten, das Bakterien und Archaeen eine adaptive Immunität gegen Viren und Plasmide verleiht. Sie waren aber die Ersten, die erkannten, dass man DNA mit CRISPR-Cas sehr einfach editieren beziehungs­weise umschreiben kann.

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Genialer Grundstein

Dazu modelten sie den ursprünglichen Duplex aus tracrRNA und crRNA, der die Nuklease Cas9 des CRISPR-Systems zur Zielsequenz führt, in eine einfache single guide RNA (sgRNA) um. Da sich die sgRNA sehr leicht herstellen und für beinahe beliebige Ziel­sequenzen programmieren lässt, hatten Doudna und Charpentier den Grundstein für ein genial einfaches Genome-Editing-System gelegt, auf das sich die Forscher­gemeinde geradezu stürzte. In Windes­eile etablierte sich CRISPR-Cas in den Laboren der Welt und inzwischen CRISPRn Forscher mit immer neuen Varianten des Systems um die Wette.

Während in Berkeley und Berlin die Sektkorken knallen, wird Feng Zhang am Broad Institute of MIT and Harvard, in Cambridge, USA, eher Selters trinken. Kurz nach Doudnas und Charpentiers Veröffent­lichung präsentierte Zhangs Gruppe ebenfalls ein Science-Paper, in dem sie zeigte, dass CRISPR-Cas auch in Maus und Mensch funktioniert (339(6121):819-23).

Ethische Fragen

Damit beanspruchte er nicht nur einen Teil des CRISPR-Cas-Ruhms für sich. Er hatte auch eine ethische Debatte um die Verwendung von CRISPR-Cas für das Editing des menschlichen Genoms eröffnet. Wo sind die Grenzen des Editings und wer legt sie fest?

Mit ganz ähnlichen Fragen muss sich inzwischen auch die Pflanzenforschung beschäftigen. Sind geCRISPRte Pflanzen gentechnisch verändert und müssen entsprechend reguliert werden? Die europäische Rechtsprechung sagt ja! Eine Idiotie, sagt Theresa Schredelseker in einem Laborjournal-Essay vom Sommer.

Die Wissenschaft allein kann all diese Fragen sicher nicht beantworten. Sie hat genügend damit zu tun, die Technik erst einmal so zuverlässig und program­mierbar wie nur möglich zu machen. Dennoch wird CRISPR-Cas von etlichen unerwünschten Neben­effekten geplagt, etwa durch fehl­geleitete Schnitte der Nuklease außerhalb der Zielsequenz. Diese Probleme zu lösen, könnte dann vielleicht nochmal einen Nobelpreis wert sein.

Entdeckt haben Charpentier und Doudna die CRISPR-Sequenzen übrigens nicht. Das war der spanische Forscher Francisco Mojica, der in den 90er-Jahren im Archaeon Haloferax mediterranei auf sehr besondere Repeats stieß, wie er 2016 in einem Interview mit Lab Times verriet. Er war es auch, der den rätselhaften Repeats den heute allseits bekannten Namen gab: CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats).

Harald Zähringer

Bild: Niklas Elmehed





Letzte Änderungen: 07.10.2020