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Teste Deine Fußball-Gene! Oder auch nicht!

(27.11.2020) Eine US-Firma bietet die individuelle Analyse von 'Fußball-Genen' an. Wäre das nichts für so manchen Papa? Man will schließlich nur das Beste für seine Sprösslinge?
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Das hatte ja kommen müssen. Schließlich ist der Gedanke, Genomik und Fußball zur lukrativen Geschäftsidee zu verbinden, ja auch allzu verlockend. Und siehe da, bereits seit 2015 vertreibt die Firma Soccer Genomics ihren „DNA Soccer Test“ unter dem knackigen Slogan „Discover Your Soccer Genetic Blueprint“.

Für 299 US-Dollar schickt einem Soccer Genomics einen „Player Full Track Genetic Test“. Herzstück davon ist ein „Home-based Buccal Swap Kit“, mit dem man seine DNA-Probe aus der Wangenschleimhaut abstreicht, verpackt und zurück ins Soccer-Genomics-Labor schickt. Dort sequenzieren deren Maschinen diejenigen Gene aus der Probe, die angeblich irgendwie mit Fußball-relevanten Fähigkeiten und Qualitäten zusammenhängen. Welche Gene das im einzelnen sind, geschweige denn, warum gerade sie für die individuellen Fußball-Fertigkeiten wichtig sein sollen — das sucht man vergeblich auf der Firmen-Webseite.

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Wo sind die Fußball-Promis?

Aber warum sollte man sich auch mit solchen Details belasten. Schließlich erstellt laut Firmen-Webseite ein interdisziplinäres Team aus den Sequenzdaten eine individuelle Fußball-genetische Analyse — und erarbeitet auf dieser Basis einen ausgefeilten Ernährungs- und Trainingsplan, mit dem man als einzelner sein jeweiliges genetisches Kick-Potential am effektivsten zum phänotypischen Erblühen bringen kann. Ganz nach dem Firmen-Motto: „[…] unlock your DNA key, and sit back as you witness the beginning of your real genetic evolution.“

Na ja, was sollen wir sagen? Wundert es jemanden, dass wir uns die 299 US-Dollar, die die weitere Recherche gekostet hätte, am Ende doch lieber gespart haben? Eben! Wir glauben auch an diesem Punkt schon nicht, dass die Firma mit ihrem Soccer-Test irgendetwas Substantielles zutage fördert. Punkt!

Was einen nebenbei aber wundert, ist, dass die Soccer-Genomics-Leute nicht einen Promi-Fußballer eingespannt haben — um deren Analyse-Ergebnisse werbewirksam für sich zu vermarkten. Die Herren Ronaldo und Co. sind zwar nicht billig, aber machen doch ansonsten jeden Blödsinn mit…

Lieber Schach spielen

Oder haben sie es vielleicht sogar getan? Und bei Manuel Neuer kam raus, dass er eigentlich die Reaktionsschnelligkeit einer Schildkröte haben müsste. Oder bei Thomas Müller, dass ihm völliger Orientierungsverlust drohe, wenn es um ihn herum etwas schneller zuginge. Oder bei Lionel Messi, dass er mit solchen Feinmotorik-Defiziten besser Schach spielen sollte…

Klar, die wurden alle nicht wirklich von Soccer Genomics getestet. Aber müssen wir jetzt noch extra sagen, dass uns solche Testergebnisse dann nur begrenzt wundern würden.

Ralf Neumann

Illustr.: kaboompix

 

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Letzte Änderungen: 26.11.2020