Editorial

Russische RNA-Extraktion

(10.03.2021) RNA mit Phenol/Chloroform zu extrahieren, ist nicht ganz ungefährlich. Schonender für Umwelt und Experimentator ist Ammonium­trichloracetat.
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Bei der RNA-Extraktion spalten sich die Lager. Die einen schwören auf klassische Protokolle, die auf der Fällung der RNA basieren, weil jeder Schritt eine flexible Dosierung erlaubt und das gewonnene Pellet in einer beliebigen Flüssigkeits­menge resuspendiert werden kann. Die anderen sind überzeugt, dass nur Kits mit vorgefertigten Puffern und Säulchen eine absolute Gleich­behandlung aller Proben gewähr­leisten und saubere, untereinander vergleichbare RNAs liefern.

Die üblichen für die RNA-Extraktion verwendeten Substanzen, wie zum Beispiel SDS, Phenol, Guanidin­thiocyanat sowie Chloroform sind ziemlich giftig und auch kommerzielle Extraktions-Lösungen wie zum Beispiel Trizol sind mit etlichen Gefahren­hinweisen versehen. Geheim, aber laut Hersteller­angabe weniger toxisch, sind die Rezepturen in RNA-Extraktions-Kits. Muss man mit diesen jedoch viele Proben aufarbeiten, reißen sie ziemlich große Löcher in den Labor-Etat. Die Säulchen zu überladen, um Geld zu sparen, ist auch keine gute Idee, denn dies geht auf Kosten der RNA-Qualität. Einen Ausweg aus diesem Dilemma fand Tatiana Gasonovas Gruppe an der Lomonosov Moscow State University. In einem Analytical-Biochemistry-Paper beschreiben die Russen ein vereinfachtes Protokoll für die RNA-Extraktion mit der ungiftigen chaotropen Substanz Ammonium­trichloracetat (ATCA).

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Alte Idee

Auf die Idee gekommen, ATCA für die RNA-Extraktion einzusetzen, war Erstautor Yuri Drygin schon 2016 (Eur J Biotech Biosci, 4 11-19). Das ursprüngliche Protokoll war aber noch ziemlich umständlich und zeitaufwendig. Drygin hat es deshalb zusammen mit seinen Kollegen vereinfacht und an hohe Proben­durchsätze angepasst, wie sie etwa bei Massen­infektionen nötig sind. Die Methode eignet sich zur Extraktion von RNA aus Viren-, Bakterien- und Pflanzenproben.

Der Extraktionspuffer besteht aus 0,1% SDS, 1% DTT, 1% Natrium-Heparin, 20 mM EDTA, 1% Bentonit, 3,5 M ATCA und 0,1 M Tris-HCl (pH 7,5-8). Je nach Anwendung kommen 6% Kieselguhr (Celite R-281) hinzu. Um eine 5,6 M ATCA-Stocklösung herzustellen, gibt man 350 Milliliter einer 25%igen Ammonium­hydroxid-Lösung im Abzug in kleinen Portionen zu 610 Gramm Trichlor­essigsäure. Alternativ kann man ATCA auch bei Herstellern für Feinchemikalien kaufen.

Bakterien auf Eis

Bei der Extraktion von RNA aus Bakterien startet das Protokoll mit zwanzig Milligramm Zellen, die in 200 Mikroliter Lysis-Lösung (Lysozym, Tris-HCl 10 mM, EDTA 0,5 mM, pH 8) auf Eis aufgeschlossen werden. Anschließend gibt man 800 Mikroliter Extraktions­puffer mit 6 Prozent Kieselguhr hinzu und inkubiert die Suspension fünf Minuten bei Raum­temperatur (Denaturierung). Nach einer kurzen Zentrifugation versetzt man den Überstand mit Lithiumchlorid (Endkon­zentration LiCl: 2,5 M) und kühlt die Proben zur besseren Fällung der RNA eineinhalb Stunden auf Eis. Schneller geht es, wenn man den Ansatz eine Viertelstunde im -80°C-Freezer lagert. Danach zentrifugiert man kurz und wäscht die gefällte RNA mit 70% Ethanol.

Um Pflanzen-RNA mit der ATCA-Methode zu extrahieren, mörsert man 1 Gramm Blattmaterial in fünf Milliliter Extraktions­puffer, inkubiert die Lösung zehn Minuten und zentrifugiert sie danach für fünf Minuten. Die RNA fällt man anschließend aus dem Überstand und resuspendiert sie in 150 Mikroliter Wasser. Um an nieder- oder hochmolekulare RNAs mit mehr als 200 Nukleotiden separat zu kommen, wird mit LiCl gefällt beziehungsweise der dabei verbleibende Überstand mit Ethanol versetzt. Die LiCl-Fällung dauert bei -80°C rund 30 Minuten, auf Eis zwei Stunden und im Kühlschrank eine Nacht. Aus einem Gramm Blattmaterial erhält man etwa 0,3 Milligramm RNA.

Höhere Ausbeuten bei Pflanzenproben

Die ATCA-Extraktion liefert die gleiche RNA-Qualität und Ausbeute wie die klassische als Goldstandard geltende Extraktion mit SDS-Phenol/Chloroform. Mit Pflanzen­proben erzielten die Russen sogar um 50 Prozent höhere Ausbeuten und die ansonsten üblichen DNA-Verun­reinigungen traten nicht auf. Leider gilt das nur für Pflanzen- nicht für Bakterienproben.

Um das Protokoll auch mit minimaler Ausrüstung durchführen zu können, etwa bei Feldstudien außerhalb eines Labors, empfehlen die russischen Forscher die Zentrifuga­tionsschritte wegzulassen und durch eine Filtration mithilfe von Spritzen und Nylon-Filtern zu ersetzen.

Andrea Pitzschke

Drygin Y. et al. (2021): Environmentally friendly method of RNA isolation. Analytical Biochemistry, DOI:  doi: 10.1016/j.ab.2021.114113

Bild: Pixabay/didssph




Letzte Änderungen: 10.03.2021