Editorial

Behörden-Einmaleins für Stipendiaten

(25.03.2021) Als Doktorand muss man sich nicht nur wissen­schaftlichen Heraus­forderungen stellen, sondern manchmal auch pedantischen Finanzbeamten.
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Einkommensteuer­erklärungen, Verlust­vortrag und Doppel­besteuerungs­abkommen gehören nicht gerade zur akademischen Ausbildung. Zum Glück sind die meisten Stipendien steuerfrei, aber eben nicht alle. Das musste kürzlich ein ausländischer Gastwissen­schaftler erfahren, der sich in der FAZ anonym über eine hohe Steuer­nachzahlung beschwerte.

Eine verbindliche Entscheidung zur Steuerpflicht trifft in Zweifels­fällen das für die Stipendiaten zuständige Finanzamt, berichtet beispielsweise die Universität Bielefeld auf ihrer Webseite. Wenn der jährliche Gesamtbetrag an einen Empfänger mindestens 1.500 Euro beträgt, muss die Hochschule Zahlungen von Stipendien­geldern an das zuständige Finanzamt des Empfängers melden. Den Kopf in den Sand zu stecken und eine mögliche Steuerpflicht zu ignorieren, hilft also nichts.

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Besser rechtzeitig Hilfe suchen

Allerdings kann sich der direkte Gang zum Finanzamt als Problem erweisen, umso mehr wenn man kein Mutter­sprachler ist. Auch die Autorin dieses Artikels musste – trotz guter Deutsch­kenntnisse – schon Einkommen­steuer für ein nicht gerade üppiges Stipendium nachzahlen. Der Finanz­beamte war ein besonders unfreundlicher Zeitgenosse. Was ich denn die ganzen Jahre zuvor gemacht hätte, in denen ich keine Steuern gezahlt hätte, fragte er mich. Als ich antwortete, ich hätte studiert, blaffte er mich aggressiv an, ob ich das denn belegen könne. Natürlich konnte ich das, fand seinen Tonfall allerdings unpassend und einschüchternd. Zum Glück gibt es für Wissen­schaftler, die in Deutschland mit einem Stipendium forschen wollen, an den aufnehmenden wissen­schaftlichen Institutionen, online und von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) zahlreiche Informations­angebote.

Die Graduierten­akademie der Universität Heidelberg berichtet aus ihrer Beratungs­arbeit, dass beispiels­weise bei der Kombination von Arbeits­stelle und Stipendium komplexe Regeln und Vorschriften zu beachten seien. Bei Doktoran­dinnen und Doktoranden, die mit einem Stipendium aus dem Ausland nach Heidelberg kämen, stehe die Abhängigkeit der Aufenthalts­genehmigung von der aktuellen Finanzierung im Vordergrund. Auch Stipendien­berechtigung und gesamt­familiäre Einkommens­situation seien ein wieder­kehrendes Thema. Insbesondere unter den inter­nationalen Stipendiaten gebe es einige, die „Patchwork-Stipendien“ aus unter­schiedlichen Systemen bezögen. Hier stelle sich die Frage, ob die verschiedenen Stipendien nach den Regeln der verschiedenen Zuwen­dungsgeber miteinander vereinbar seien, so die Graduierten­akademie.

Komplexe Detailfragen

Bei jungen Familien spiele die Kinder­geldfrage eine hervor­gehobene Rolle, insbesondere inwieweit eine Stipendiatin oder ein Stipendiat einen Anspruch auf Kindergeld­zuschlag habe, wenn der Partner aus seiner Arbeits-, Beschäftigungs- und Finanzie­rungssituation heraus bereits Kindergeld­zuschüsse beziehe. Zu den weiteren Aspekten, die im Zusammenhang mit Stipendien für Doktoran­dinnen und Doktoranden von Bedeutung seien, gehörten die Frage der Kranken­versicherung sowie der möglicher­weise freiwilligen oder auch Pflichtbeiträge für die Sozialver­sicherungssysteme.

Die befragten Forschungs­einrichtungen und auch die GEW empfehlen bei komplexen steuerlichen  Sachverhalten, einen Steuer­berater oder einen Lohnsteuer­hilfeverein zu konsultieren. Auf jeden Fall lassen sich die eigenen Ansprüche gegenüber dem Finanzamt dann besser begründen und eher durchsetzen, auch im Falle eines Einspruchs gegen den Steuerbescheid.

Einen ausführ­lichen Beitrag zum Thema und ein Interview mit Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) können Sie im demnächst erscheinenden Laborjournal-Heft (4/2021) lesen.

Bettina Dupont

Bild: Pixabay/webandi


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Letzte Änderungen: 25.03.2021