Editorial

Naturschutz mit Hund

(29.03.2021) Gut ausgebildete Spürhunde können so ziemlich alles erschnüffeln – sogar invasive und seltene geschützte Tier-, Pilz- und Pflanzenarten.
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Im Vergleich zum Menschen mit seinen nur 6 Millionen Geruchs­rezeptoren haben Hunde mit je nach Rasse bis zu 300 Millionen Rezeptoren einen deutlich besseren Geruchssinn. Kein Wunder, dass der Mensch sich dies seit jeher zunutze macht – früher vor allem zum Aufspüren von Wild bei der Jagd, heutzutage beispiels­weise auch zum Erschnüffeln von Sprengstoff oder Drogen.

Eine auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Einsatz­möglichkeit findet sich im Artenschutz. Die richtige Ausbildung voraus­gesetzt sind Hunde nämlich in der Lage, seltene oder versteckt lebende Arten mit Hilfe ihres Geruchssinns aufzuspüren. Damit können sie helfen ein Problem zu lösen, vor dem viele Natur­schützer stehen: Um Arten schützen zu können, braucht man erst einmal möglichst viele Informationen über ihre Häufigkeit und Verbreitung sowie ihren Lebensraum.

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Klein und versteckt

Während sich größere Tiere in offenen Landschaften über Luft- und Satelliten­aufnahmen verfolgen lassen, müssen Wissen­schaftler bei kleinen, versteckt lebenden, nachtaktiven oder unbeweglichen Arten andere Tricks anwenden. Vor allem Säugetieren kann man mit Kameras, Fotofallen oder Haarfallen auf die Spur kommen. Bei Pflanzen, Pilzen oder Insekten sind diese Methoden dagegen nutzlos. Hochtechnisierte Verfahren, die ein Tracking über GPS oder die Sequenzierung von DNA voraus­setzen, sind außerdem teuer und benötigen eine entsprechende Infrastruktur, die in vielen Teilen der Welt – oftmals gerade in Regionen, in denen Diversitäts­hotspots liegen – nicht verfügbar ist. Hunde haben hier den Vorteil, dass sie sich aktiv auf die Suche nach einer Art machen und dabei sogar unterirdisch vorkommende Pflanzen- oder Pilz­bestandteile erkennen können.

Eine Übersichtsstudie unter der Leitung von Annegret Grimm-Seyfarth vom Helmholtz-Zentrum für Umwelt­forschung in Leipzig hat nun die bislang über Einsätze von Arten­spürhunden veröffentlichte Literatur systematisch ausgewertet. In den 1.220 seit 1930 erschienenen Publikationen wurden insgesamt 2.465 Einsätze der Arten­schnüffler in 62 verschiedenen Ländern dokumentiert. Besonders häufig eingesetzt wurden Arten­spürhunde in Nordamerika, Europa und Ozeanien.

Von Fledermäusen bis zum Laubholzbockkäfer

Beim ältesten dokumentierten Fall aus dem Jahr 1890 wurden in Neuseeland Hunde eingesetzt, um boden­brütende Vögel aufzuspüren. In Deutschland sind bisher 132 Einsätze der Arten­spürhunde beschrieben. „Ein Einsatzgebiet in Deutschland ist die Suche nach Schlagopfern, also toten Fledermäusen oder Vögeln, unter Windkraft­anlagen“, so Annegret Grimm-Seyfarth. „Aber auch für die Suche nach der Losung von Großsäugern wie Wolf, Luchs, Wildkatze und Schakal oder nach invasiven Borkenkäfer wie dem Asiatischen Laubholz­bockkäfer kommen Arten­spürhunde zum Einsatz. Daneben gibt es ein paar ganz wenige Amphibien- und/oder Reptilien­spürhunde.“

In der untersuchten Literatur, bei der es sich zum größten Teil um wissen­schaftliche Publikationen handelte, wurden insgesamt 483 Arten aus 102 Ordnungen mit Hilfe von Hunden gesucht. Mit über 80 Prozent entfiel dabei der Großteil auf Tiere, die teilweise anhand ihrer Spuren, ihres Kots oder ihrer Behausungen identifiziert werden konnten. Im Vordergrund standen Säugetiere und zwar aus den Familien der Katzen, Hunde und Bären.

Nicht nur Tiere im Fokus

Immerhin fast neun Prozent der Einsätze entfiel aber auch auf Pflanzen, fünf Prozent auf Pilze und etwas mehr als ein Prozent auf Bakterien. „Das Erschnüffeln von Bakterien ist sehr speziell und kommt hier sehr auf den Kontext an“, erklärt Grimm-Seyfarth. „So ist es beispiels­weise möglich, den Hund auf mit Bakterien verseuchte Flüssig­keiten zu trainieren. Hier gibt es unter anderem Studien für Kranken­hauskeime. Daneben lassen sich Hunde darauf trainieren, infizierte Personen anhand von physiologischen Reaktionen auf die Krankheit wie z. B. veränderte MHC-Komplexe zu erkennen.“

Im Prinzip kann jede Hunderasse zu einem Arten­spürhund ausgebildet werden, so das Fazit der Übersichts­studie. Doch bestimmte Rassen besitzen Eigenschaften, die sie für spezielle Aufgaben prädestinieren. Nicht immer geht es nämlich nur darum, eine Art zu finden, um sie dann zu schützen. Manchmal sollen Tiere auch lebendig gefangen oder – wenn es sich um invasive oder schädliche Arten handelt – aus dem Ökosystem entfernt werden.

Speziell für das Aufspüren von Wild ohne es zu jagen gezüchtet, wurden sogenannte Vorsteh­hunde wie Pointer und Setter. Sie werden deshalb besonders gerne eingesetzt, um boden­brütende Vögel zu lokalisieren. Terrier sind dagegen so gezüchtet, dass sie nach dem Aufspüren schnell zuschnappen – sie werden deshalb eher bei der Suche nach invasiven Arten eingesetzt. Weiterhin gehören Retriever, Border Collies und Deutsche Schäferhunde zu den beliebtesten Arten­spürhunden.

Auf das Training kommt es an

Von den 611 Fällen, bei denen die Effektivität der Hunde mit der einer anderen Methode verglichen worden war, schnitten die Hunde in 89 Prozent besser ab und waren nur in weniger als einem Prozent den anderen Methoden unterlegen. „Erschwert wird der Einsatz von Arten­spürhunden zumeist durch unzureichendes Training oder Studiendesign“, fasst Grimm-Seyfarth zusammen. „Es geht hier also sehr viel um konkrete Planung, Zielstellung und entsprechend an Hund, Zielart und erwartetes Habitat angepasstes Training. Tatsächlich begrenzt ist die Arbeit dann, wenn in Gegenden gesucht werden soll, in denen für Mensch und Hund kaum Durch­kommen ist, bei sehr heißen Temperaturen, sehr trockener Witterung oder sehr starkem Wind. Schwierig ist der Einsatz auch, wenn eine Tierart das Ziel ist, die verwilderte Hunde als Prädatoren kennt sowie bei Tieren mit sehr geringem Geruch (z. B. Feldhasen­babys).“ Bei richtigem Training, einer geeigneten Fragestellung und günstigen äußeren Bedingungen sind die Arten­spürhunde jedoch unschlagbar: Im Vergleich mit statischen Kamerafallen entdeckten sie der Studie zufolge rund fünf- bis sechsmal mehr Schwarzbären, Fischmarder und Rotluchse.

Larissa Tetsch

Grimm-Seyfarth A. et al. (2021): Detection dogs in nature conservation: A database on their world-wide deployment with a review on breeds used and their performance compared to other methods. Methods Ecol Evol, doi:10.1111/j2041-210X.13560

Bild: Pixabay/RebeccasPictures

 

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Letzte Änderungen: 27.03.2021