Editorial

Journals weisen Kunden ab — und sind stolz drauf

(04.06.2021) Führende Online-Journals lehnen genauso viele „eigentlich gute“ Manuskripte ab wie die klassischen Edelblätter. Warum eigentlich? Platz haben sie doch genug.
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In seinen Autor-Richtlinien schreibt Nature, dass es nur 7 bis 8 Prozent der jährlich eingereichten Manuskripte tatsächlich ins gedruckte Heft schaffen.

Bei Science dagegen erblicken nach eigenen Angaben weniger als 7 Prozent der eingereichten Manuskripte das Licht der Publikation.

Noch schwieriger kommt man ins British Medical Journal, das lediglich vier Prozent der angelieferten Manuskripte auf seinen edlen Blättern abdruckt.

Wobei andere Medizin-Edelblätter allerdings ebenso knauserig daherkommen: The Lancet druckt gerade mal jedes zwanzigste Manuskript ab, und auch das New England Journal of Medicine macht unter „Publication Process“ gnadenlos klar:

„Of thousands of research reports submitted each year, about 5% are eventually published by NEJM.“

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Wunderschöne "1B-Arbeiten"

Mit Annahmequoten von 10 bis15 Prozent nehmen sich etwa Cell und Neuron dagegen fast schon großzügig aus – ganz zu schweigen von Cancer Research mit 22 Prozent.

Auf gleichem Level stand das Journal of Cell Biology bereits vor über zehn Jahren — allerdings schien die Tendenz damals schon weiter fallend:

[…] our acceptance rate continues to fall (currently at an incredibly selective ~15%).

Interessanterweise beteuern all diese Edelblätter immer wieder in trauter Einigkeit, dass sie ja keineswegs plusminus 90 Prozent Schrott-Manuskripte geschickt bekommen. Vielmehr müssen sie zu ihrem extremen Bedauern all diese wunderschönen „1B-Arbeiten“ leider deswegen ablehnen, weil sie eben nur begrenzt Platz im gedruckten Heft haben. Wäre dies nicht der Fall, dann… ja, dann!…

Warum haben dann aber manche Online-Journale ähnlich hohe Ablehnungsraten?

Klar, die sogenannten Mega-Journals nicht – PLoS ONE nimmt knapp 70 Prozent der Manuskripte an, PeerJ ebenfalls zwischen 60 bis 70 Prozent. Hier stehen ja auch bewusst „lockerere“ Konzepte im Hintergrund – wie PeerJ es etwa beschreibt:

[…] journals that ask peer reviewers to judge the merits of a manuscript based solely on the soundness of its methodology and conclusions, rather than novelty or expected impact.

Die Selektion der Online-Journals

Bei eLife geht’s dann aber mit den angenommenen Manuskripten wieder scharf runter:  bereits im Jahr 2015 waren es nur noch 15 Prozent. Und mit PLoS Biology und PLoS Medicine, die sich beide mit Ablehnungsraten von etwa 90 Prozent rühmen, ist man dann endgültig wieder auf dem Niveau der altehrwürdigen, gedruckten Edelblätter angekommen.

Geht es denen – im Umkehrschluss des obigen PeerJ-Zitats – mit der unverändert scharfen Selektion doch vor allem um das Zurechtkneten eines hohen Impact-Faktors? Nicht wenige vermuten es (siehe etwa hier).

Wenn aber all die abgelehnten Manuskripte tatsächlich so gut sind, wie alle beteuern – dann wird die ganze Absurdität dieses hochgezüchteten Selektionsprozesses durch die erwähnten Online-Journals mit ihrem praktisch unbegrenzten Publikationsplatz nochmals eine Umdrehung weiter getrieben. Eine Absurdität, die der ehemalige Chief Editor des British Medical Journals, Richard Smith, vor einiger Zeit in seinem Blog-Post „Why not auction your paper?“ sehr treffend folgendermaßen zuspitzte:

High impact journals have high rejection rates (over 90 %) and are proud of it. Who else apart from editors boast about how many customers they reject?

Ralf Neumann

(Illustr.: cognibrain.com)

 

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Letzte Änderungen: 03.06.2021