Editorial

„Pläne ändern sich“

(07.10.2021) Deshalb machen 21S heute auch was ganz anderes als im Businessplan beschrieben. Was das mit Kristallen und Bahnhöfen zu tun hat, erklärt ihr CEO.
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Herr Witz-Haszler, im demnächst erscheinenden Laborjournal-Heft stellen Sie bereits Ihre Firma und Ihre Technologie vor. Es geht um Laserkristalle und Halbleiter. Wie kam es zur Gründung?
Norbert Witz-Haszler: Die Forschung zu den neuen Kristallen lief schon lange am Institut für Halbleiteroptik und funktionelle Grenzflächen an der Universität Stuttgart. Roman Bek hatte die Technologie auf einer Konferenz vorgestellt und damit direkt potentielle Käufer auf sich aufmerksam gemacht. Gemeinsam mit Institutsleiter Peter Michler und Gruppenleiter Michael Jetter brütete er den Plan aus, eine Firma zu gründen. Ich war damals gerade bei meiner Masterarbeit und von der Idee direkt begeistert.

Das war 2019?
Witz-Haszler: Die Anfänge lagen bereits im Jahr 2018. Wir haben uns dann auf ein EXIST-Gründer­stipendium beworben und es tatsächlich erhalten. Dafür brauchten wie natürlich einen Antrag, im Wesentlichen eine Art Businessplan. Keiner von uns hatte eine Ahnung, wie man so etwas schreibt, aber wir haben uns reingefuchst. Wenn ich den heute lese, dann steht dort etwas anderes, als wir heute tatsächlich machen. Das war halt unser Startpunkt, Pläne ändern sich. Aber – ja – gegründet wurde 21S dann 2019.

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Sie sagen 21S. Eigentlich heißt die Firma mit vollem Namen Twenty-One Semiconductors. Das ist ein doch recht langer, vielleicht sogar sperriger Name. Wie kam der zustande?
Witz-Haszler: [lacht] Wollen Sie die offizielle Version?

Gern sämtliche Versionen.
Witz-Haszler: Semiconductors ist klar, denke ich. Das ist Englisch für Halbleiter. Die 21 steht für das 21. Jahrhundert, die Gegenwart und die Zukunft. Diesen Slogan hat sich Roman Bek ausgedacht. Das ist die offizielle Version.

Dann bin ich gespannt auf die inoffizielle.
Witz-Haszler: Die Menschen wissen, woher wir kommen. Vor allem in der Wissenschaft, in der Laser-Szene, sind wir die Leute aus Stuttgart. Na ja, Roman Bek hat dann in seinem Freundeskreis eine Umfrage gestartet: Was verbindet ihr mit Stuttgart? Es gab exakt zwei Antworten: Stuttgart 21 und der Fernsehturm. Die Zahl ist jetzt im Namen, der Turm im Logo. Interes­santerweise ist die 21 auch noch meine Glückszahl, schon immer gewesen. Sie ist in meinem Autokenn­zeichen enthalten, in gefühlt jedem Passwort. Das war aber nur Zufall. Trotzdem – oder vielleicht genau deswegen – haben wir uns für diesen Namen entschieden. Für unsere Kunden heißen wir aber einfach 21S.

Wer sind diese Kunden?
Witz-Haszler: Das sind alles Laserhersteller aus der Biomedizin. Mögliche Anwendungen sind zum Beispiel Fluoreszenz­mikroskope oder Durchfluss­zytometer. Dort regen die Photonen Fluorophor-gekoppelte Marker etwa auf Zellen an, um Strukturen oder bestimmte Proteine sichtbar zu machen.

Sie bauen die Lasermodule also gar nicht selbst, sondern liefern „nur“ die Bauteile?
Witz-Haszler: Genau, wir liefern die Kristalle, also das Verstärker­medium des Lasers. Wird das mit Energie versorgt, emittiert es Photonen einer definierten Wellenlänge – das Laserlicht. Halbleiter-Kristalle haben den großen Vorteil gegenüber Verstärker­medien aus Festkörper­lasern, dass man durch ihren Aufbau die Wellenlänge des emittierten Lichts gut steuern kann. Unsere Laserkristalle sind zudem verhältnismäßig preiswert und kompakt.

Für Ihre Projekte kooperieren Sie auch immer wieder mit anderen Instituten, zum Beispiel seit Anfang 2020 mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörper­physik im Rahmen der Forschungs­fabrik Mikroelektronik Deutschland, kurz FMD. Was kann ich mir unter einer Forschungs­fabrik vorstellen?
Witz-Haszler: Die Forschungs­fabrik ist ein Verbund mehrerer Fraunhofer- und Leibniz-Institute in Deutschland. Wir sind über das Programm FMD-Space dort hinein gekommen, einer Art Hightech-Inkubator. Ziel war es, gemeinsam mit dem Fraunhofer IAF einen Prototypen für einen UV-Laser zu entwickeln, natürlich auf Basis unserer Halbleiter-Technologie. Das Team vom IAF arbeitet auf dem Feld der optisch gepumpten Halbleiter-Laser, wie wir auch. Daraus ist eine großartige Zusammenarbeit entstanden.

Und das Produkt aus dieser Kooperation, den Laserkristall fürs UV, gibt es inzwischen?
Witz-Haszler: Ja. Das war aber nicht so einfach, weil es keine sonderlich effizienten Verstärker­medien für UV-emittierende Kristalle gab. Wir haben uns deshalb mit einem Trick geholfen und nutzen sogenannte Frequenz­verdoppler-Kristalle. Darin verschmelzen – wenn man so will – zwei Photonen einer längeren Wellenlänge zu einem Photon einer kürzeren, und damit energie­reicheren Wellenlänge. Das ist unser MEXL, MEmbrane eXternal cavity Laser, der demnächst hoffentlich in kompakten Mess­systemen zum Einsatz kommt.

Das Gespräch führte Sigrid März

Steckbrief Twenty-One Semiconductors
Gründung: 2019
Sitz: Stuttgart
Mitarbeiter: 8
Produkt: Halbleiter-Laserkristalle für Fluoreszenz­mikroskope oder Durchflusszytometer

Bild: Hermann Kahle


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Letzte Änderungen: 07.10.2021