Editorial

Hufeisennase stoppt Bagger-Armada

Ein fünf Gramm leichtes Flattertierchen hat es geschafft, die im Dresdner Elbtal in Heeresstärke angerückten Großbagger zu blockieren. Zumindest vorerst.

(09.08.2007) Das Verwaltungsgericht Dresden hat den Baubeginn für die geplante Waldschlösschenbrücke nahe Dresden auf Eis gelegt. Das umstrittene Bauprojekt hatte internationales Aufsehen erregt, da durch die Brücke der UNESCO-Weltkulturerbe-Status des Dresdener Elbtals hinfällig geworden wäre. Am kommenden Montag (dem geplanten Baubeginn) können die Baggerfahrer jedoch erst einmal Pause machen – und bei der Gelegenheit am besten einen Fußmarsch in die nahegelegenen Elbauen unternehmen. Dort lebt das scheue Tierchen, das für die überraschende Arbeitspause der Bauarbeiter gesorgt hat.

Seltener Winzling

Das Flattertier namens Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) ist mit einer Masse zwischen vier und neun Gramm sowie 25-40 cm Flügelspannweite die kleinste europäische Fledermausart. Den Namen hat sie (wie auch ihre etwa dreimal größere Schwester, die Große Hufeisennase Rhinolophus ferrumequinum) von einem hufeisenförmigen Hautaufsatz auf ihrer Nase.

Laut Informationen des sächsischen Umweltamtes bewohnt die Kleine Hufeisennase im Sommer ihre "Wochenstube" (dunkle, warme und zugluftfreie Dachböden oder geheizte Kellerräume in Gebäuden, in denen Anfang Juli das Junge geboren wird) sowie Jagdgebiete im Umkreis von vier Kilometern (Laubwälder mit ausgeprägter Strauch- und Krautschicht sowie Parks, Alleen und Streuobstwiesen). Erbeutet werden vorwiegend langsam fliegende Insekten wie Käfer, Fliegen und Nachtfalter. Im Herbst zieht es die Kleine Hufeisennase in ehemalige Bergwerke, Keller oder Höhlen, wo sie den Winter verschläft.

Selbst in Sachsen selten und streng geschützt

Das Bundesland Sachsen ist die nördlichste Verbreitungsgrenze der Kleinen Hufeisennase; die bekanntesten Vorkommen liegen im Dresdener Elbtal, in der Sächsischen Schweiz, im unteren Osterzgebirge und in der Oberlausitz südlich von Zittau. In Sachsen bewohnen etwa 650 Tiere zehn Sommer- und knapp zwanzig Winterquartiere. Die Kleine Hufeisennase ist vom Aussterben bedroht, auch wenn sich der Bestand seit den 1980er Jahren in Sachsen (dem deutschen Hauptvorkommensgebiet) auf niedrigem Niveau stabilisiert hat.

Die Art ist nach der Bundesartenschutzverordnung "streng geschützt" und steht in der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie in Anhang II (dort stehen Tier- und Pflanzenarten, deren Vorkommen bzw. Lebensräume im Rahmen des europäischen Netzes von Schutzgebieten "Natura 2000" zu erhalten sind).

Der am Donnerstag (9. August) vom Verwaltungsgericht Dresden angeordnete Baustopp ist die Folge eines Eilantrags der Naturschutzverbände Grüne Liga, NABU und BUND Sachsen. Er gilt zugleich als letzte Chance, den UNESCO-Weltkulturerbe-Status des Dresdener Elbtals doch noch zu erhalten.

Brückenbau bereits 1996 beschlossen

Der Bau der gigantischen Stahlbetonbrücke mit einer Länge von 635 Metern wurde bereits 1996 vom Stadtrat beschlossen; seitdem streiten Gegner und Befürworter. 2005 endete ein Bürgerentscheid "pro Brücke" und das Regierungspräsidium Sachsen ordnete den sofortigen Beginn des Brückenbaus an. Die Kosten dafür liegen bei geschätzten 156 Millionen Euro. Sollte das Regierungspräsidium nun, wie erwartet, in die zweite Instanz vor das Oberverwaltungsgericht gehen, könnte das Tauziehen noch zwei bis drei Jahre andauern.

Eines zumindest gilt als sicher: Im Elbtal wird die Kleine Hufeisennase, wird die Waldschlösschenbrücke tatsächlich gebaut, nicht überleben.

Winfried Köppelle

(Foto: www.stiftung-fledermausschutz.ch; der Autor dankt ferner dem Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie für ausführliche Informationen zur Kleinen Hufeisennase)



Letzte Änderungen: 10.08.2007