Editorial

Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser

Sie kommen in ein neues Labor. Ihr Vorgänger hat Ihnen zwei Dutzend Plasmide und jede Menge Antikörper hinterlassen. Da können Sie ja einfach weitermachen, wo der aufgehört hat. Oder?

(07.01.2008) Wo wären wir in der akademischen Forschung ohne Kollaborationspartner, die uns Reagenzien für unsere Experimente zuschicken? Was täten wir mit unserem neuen Projekt ohne die Reagenzien unserer Vorgänger? Häufig sind diese Reagenzien von hoher Qualität. Was jedoch als wertvolles Reagenz angepriesen wurde, kann sich auch als wertloser Müll erweisen, der uns Monate unseres wertvollen Zeitvertrages kostet.

Ein häufiges Problem sind unvollständige Plasmidkarten, Plasmide ohne Inserts, mit Mutationen, oder mit unbekannten zusätzlichen Insertionen. Es gab Diplomanden, die Monate mit Klonieren zugebracht haben, ohne jemals die erwarteten Restriktionsfragmente oder die erwarteten Expressionsprodukte zu erhalten. Um psychosomatische Beschwerden und depressive Zustände zu vermeiden, ist es besser, nicht bis kurz vor Ende der Diplomarbeit zu warten, um die Ausgangsplasmide sequenzieren zu lassen. Besser Sie stecken Ihre Energie in die Agitation des Betreuers: Gehen Sie ihm solange auf die Nerven, bis er eine Kontrollsequenzierung erlaubt.

Bei Zellen aus fremden Laboren ist man nie sicher, wie diese Zellen zuvor kultiviert wurden, welche Passagenzahl sie haben oder ob es sich überhaupt um die richtigen Zellen handelt. Eventuell ging ja beim Abwischen der Kryoröhrchen mit Methanol die Beschriftung verloren und aus einer Mauszelllinie wurde eine menschliche Zelllinie. Dann sind die phantastischen Ergebnisse, die zuvor nie erzielt werden konnten, leider nicht publizierbar. Wenn sich das erst kurz vor dem Ende der Doktorarbeit herausstellt, ist das Pech – aber verdientes Pech!

Beim Beginn eines neuen Projekts freut man sich über die Palette von nützlichen Antikörpern im Kühlschrank. Bei genauerer Überprüfung der Reagenzien kann sich jedoch herausstellen, dass einer der Antikörper mit Gesamtbakterienextrakt hergestellt wurde – unter der Annahme, das rekombinante Protein würde überexprimiert. Das war natürlich nicht der Fall. Man hätte das "überexprimierte" Protein vorher anhand seines tags durch Affinitätschromatographie reinigen können. Hat man aber nicht. Die anderen Antikörper der Palette erkannten auch irgendetwas, aber nicht das gewünschte Protein. Es stellte sich später heraus, dass die benutzten Expressionsplasmide Inserts oder Mutationen enthielten. Das kann auch in berühmten Arbeitsgruppen vorkommen.

Pfusch und Betrug sind nicht auf die Universität beschränkt: Biotechfirmen haben schon unter verschiedenen Beschreibungen ein und denselben Antikörper vertrieben, der mithilfe eines Peptidantigens hergestellt wurde. Die Firma hatte nie getestet, ob der Antikörper das Antigen in zellulären Extrakten überhaupt erkennt. Er tat es nicht. Kosten für die Antikörper: zirka 1.500 Euro, Resultate: keine.

Qualitätskontrolle ist keine Obsession von hoffnungslosen Erbsenzählern, sondern eine Voraussetzung für hochwertige Forschung. Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Auch wenn der neue Kollaborationspartner berühmt sein sollte: Er kümmert sich möglicherweise nicht darum, auf welchem Qualitätsniveau seine Gruppe Reagenzien herstellt...



Bettina Dupont



Letzte Änderungen: 08.01.2008