Editorial

Membrananker steuert Wirksamkeit von potentiellem Alzheimer-Hemmstoff

Wie hemmt man in vivo die Bildung von ß-Amyloid Peptid durch die ß-Sekretase und damit die Bildung von Amyloid-Plaques bei Alzheimer? Rajendran et al. (Science 320: 520-523, 2008) dirigierten einen Inhibitor zur membranständigen ß-Sekretase, indem sie ihn an einen Membrananker koppelten.

(7.5.2008) Das ß-Amyloid Peptid ist verantwortlich für die Degeneration von Neuronen bei der Alzheimerkrankheit. Das Peptid entsteht aus dem ß-Amyloid Precursor Protein (APP) durch die proteolytische Aktivität von membranständigen ß- und gamma-Sekretasen und wird im Gehirn in extrazellulären Plaques abgelagert. Bei vererbten Formen von Alzheimer hat man Varianten des APP und von Präsenilin 1, einer Untereinheit des gamma-Sekretase-Komplexes, gefunden.

Durch chemische Veränderung eines kommerziell erhältlichen Inhibitors der ß-Sekretase konnten Wissenschaftler um Kai Simons vom Max Planck Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik und um Hans-Joachim Knölker von der Technischen Universität Dresden die Wirksamkeit dieses Inhibitors in vivo entscheidend verbessern. Dazu koppelten sie den Hemmstoff über einen Polyglykol-Linker an einen Sterolrest. Dieser Lipidrest ermöglicht die Integration des Inhibitors in die Cholesterol-Sphingolipid-Domänen (rafts) der Zellmembranen. In diesen Domänen sitzt auch die ß-Sekretase. Inhibitor und Protease gelangen daher bei der Endozytose gemeinsam in die Endosomen und der Inhibitor kann dort die ß-Sekretase daran hindern, das APP zu zerschneiden. So konnte der neue Inhibitor die ß-Sekretaseaktivität in transgenen menschlichen Hela und Maus-Neuroblastomzellen hemmen, die die krankheitsverursachende, "schwedische" Variante des APP (KM670/671NL) exprimieren. Darüber hinaus wirkte der ß-Sekretase-Hemmstoff in Drosophila- und Mausmodellen für die Alzheimerkrankheit. Drosophila-Fliegen mit drei Transgenen für menschliches APP, ß-Sekretase und Präsenilin zeigen altersabhängige Neurodegeneration und eine verringerte Lebenserwartung. Die Behandlung mit dem Sterol-gekoppelten Inhibitor erhöhte die Zahl der geschlüpften Fliegen im Vergleich zu Kontrollexperimenten. Als Mausmodell für die Alzheimerkrankheit dienen transgene Mäuse, die die "schwedische" Variante des APP sowie die krankheitsverursachende Präsenilin 1 Variante (L166P) unter Kontrolle eines Neuron-spezifischen Promotors exprimieren. Im Hippocampus solcher Mäuse ist nach direkter Injektion des Sterol-gekoppelten Inhibitors die Menge an ß-Amyloid Peptid um 60% vermindert, jedoch nicht nach Injektion von Inhibitor ohne Sterolrest oder von Lösungsmittel. Für die Entwicklung eines Alzheimer-Medikaments auf der Basis der neuen Erkenntnisse veranschlagt Simons zehn Jahre - "wenn alles gut geht". Die Strategie, Inhibitoren von membranständigen Molekülen durch "raftophile" Membrananker zum Zielmolekül zu dirigieren, lässt sich jedoch auch für andere therapeutisch interessante Ziele nutzen. Doch muss dazu erst noch ein Problem gelöst werden: Wie bringt man "raftophile" Wirkstoffe zu den Zielzellen - und nur zu diesen?



Bettina Dupont



A! Quellen: Science, dpa, nature, Kai Simons



Letzte Änderungen: 04.08.2008