Editorial

Haverie eines Abstaubers

Im Laborjournal 12/2007 wurden unter dem Titel "Die Abstauber" die Erfahrungen des Münchner Molekularbiologen Bruno Luckow mit der Creme der deutschen Herztransplantationsforschung beschrieben. Einer dieser cremigen Herren ist noch einmal ausgerutscht und nun "tief getroffen und traurig".

(29.Oktober 2008) Das Arbeitsgebiet Bruno Luckows ist der Chemokinrezeptor CCR5. Ihn interessieren unter anderem die Auswirkungen der CCR5-Delta-32-Mutation auf Organtransplantationen beim Menschen.

Die Idee: Der Rezeptor CCR5 aktiviert verschiedene Leukozyten-Populationen, die an der Abstoßung von transplantierten Organen beteiligt sind. Die Delta-32-Deletionsmutation führt zu einem inaktiven Rezeptorprotein. Bei Trägern der Mutation sollte daher Fremdgewebe länger überleben. Untersuchungen an Patienten mit Nierentransplantation hatten diese Hypothese bestätigt (Fischereder und Luckow et al., Lancet 2001, 357:1758).

Es lag nun nahe, die Auswirkungen der CCR5-Delta-32-Mutation auf Herztransplantationen beim Menschen zu untersuchen. Durch eine Initiative der Firma Novartis kam es 2003 zu einer Zusammenarbeit von Luckow mit einigen prominenten Herzchirurgen, darunter Roland Hetzer und Axel Haverich. Es sollte geprüft werden, ob CCR5-Delta-32-homozygote Patienten ein Herztransplantat besser vertragen als Heterozygote beziehungsweise Patienten mit normalem CCR5. Die Mediziner lieferten Blutproben und Luckow machte die Genotypisierung. Das Ergebnis: kein signifikanter Unterschied. Nach Luckow lag das an der falschen Kontrolle. Er drang darauf, adäquate Kontrollen (Warteliste-Patienten) zu verwenden. Doch inzwischen hatte Novartis das Budget für die Studie gestrichen und die Mediziner waren der Meinung, dies sei zuviel Aufwand und es sei am besten, die verfügbaren Daten in unvollständiger Form zu publizieren.

Luckow lehnte das ab. Es sei wissenschaftlich inakzeptabel, eine Studie ohne einen einzigen geeigneten Kontrollpatienten zu veröffentlichen. Falls man das doch tue, solle man ihn als Autor streichen. Nach einigem Hin und Her übergab Novartis Luckows Daten, Auswertung und Hypothesen einem professionellen Schreiber medizinischer Artikel und die Mediziner, darunter Axel Haverich, reichten das Manuskript unter ihrem Namen und – wie gewünscht – ohne den Namen Luckows bei Transplant Immunology ein. Luckow erhielt nicht einmal eine Kopie des Manuskripts. Es wurde akzeptiert (Transplant Immunology 2007, 17(3):223-6).

Luckow entdeckte die Publikation zufällig bei einer Internet-Recherche und war sauer. Nicht wegen der Veröffentlichung und natürlich auch nicht weil sein Name in der Autorenliste fehlte, sondern weil die Mediziner seine Daten und Hypothesen veröffentlichten, ohne zu erwähnen, woher sie stammten. Nicht einmal das Manuskript hatten sie geschrieben. Die Häuptlinge der deutschen Transplantationsforschung hatten sich mit fremden Federn geschmückt. Zudem enthielt der Artikel einige sachliche Fehler.

Seltsamerweise blieb der Laborjournal-Bericht über die Affäre ohne Wirkung. Weder klagten Haverich und Hetzer gegen Laborjournal, noch hatte dieser Verstoß gegen den wissenschaftlichen Anstand Konsequenzen für sie. Im Gegenteil, Axel Haverich, Mitglied des Senats der DFG, wurde von dieser Förderorganisation dieses Jahr mit dem Projekt "Mitwachsende Herzklappen für Kinder" für den Zukunftspreis nominiert.

Doch auch hier scheint etwas faul zu sein: Gestern zog die Jury des Bundespräsidenten die Nominierung Haverichs zurück. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung gäbe es ethische Bedenken und zudem sei Haverich nicht der erste, der in Deutschland einem herzkranken Kind eine mitwachsende Herzklappe implantiert habe. Eine Gruppe der Berliner Charité um Wolfgang Konertz sei in der Technik weiter als Haverich. Auch habe Haverich "ein Verfahren zur Patentierung angemeldet, das Patenten der Firma Autotissue, eine Charité-Ausgründung "sehr ähnlich" sei ...".

Die ethischen Bedenken entzünden sich an der Tatsache, dass Haverich seine Herzklappen zuerst Kindern in Moldawien eingepflanzt habe. Ein Leserbriefschreiber verteidigt Haverich. Der sei nur deshalb nach Moldawien gegangen, weil es in Deutschland bürokratische Hürden und eine unklare Rechtslage gegeben habe (und gäbe). Zudem habe ein eigens dafür geschaffenes moldawisches Ethikkomitee den Versuchen zugestimmt. Dem mag so sein, doch Haverichs Konkurrent Konertz scheint nicht nach Moldawien gegangen zu sein ...



Siegfried Bär

Artikel "Die Abstauber", Laborjournal 12/2007, als PDF



Letzte Änderungen: 03.11.2008