Editorial

BKA innovativ: Jetzt noch steriler!!

Nach der Blamage rund um die Phantomjagd mit verdreckten Wattestäbchen überrascht das Bundeskriminalamt mit Innovationen.

(30.03.2009) Ende letzter Woche wurde das schwerkriminelle, an drei Morden sowie einer Gartenhäuschen-Einbruchserie beteiligte Phantom enttarnt: Es ist länglich, besitzt einen birnenförmigen Kopf aus Baumwolle und versteckte sich sechs Jahre lang in einem Laborschrank im Stuttgarter LKA. Vermutlich hat es sich dort krank gelacht angesichts der immer hektischer werdenden Ermittlungen und des Deutschland-weiten Rätselns um seine Identität.

Warum wurde das Phantom (alias "UWP") nicht schon viel früher entdeckt? Die Beteiligten, allen voran der Baden-Württembergische Innenminister Rech, überbieten sich gegenseitig mit skurrilen bis peinlichen Erklärungsversuchen und Schuldzuweisungen, doch der wahre Grund dürfte schlicht Schlampigkeit sein, möglicherweise gepaart mit falsch verstandener Sparsamkeit.

Feinstanalytik mit versifften Billigstäbchen

Im Landeskriminalamt von Baden-Württemberg (sowie den entsprechenden Ämtern in Rheinland-Pfalz, dem Saarland sowie in Österreich) wurden billige, DNA-versiffte Wattestäbchen angeschafft, die sich zur feinanalytischen DNA-Spurensuche ähnlich gut eignen wie eine Wasserspritzpistole zur Schwerverbrecherjagd.

Als man sechs Jahre lang immer wieder (insgesamt angeblich 40-mal) die gleiche DNA fand (logisch: in immer den gleichen Wattestäbchen), versäumte man es, den naheliegenden Schluss zu ziehen. Dieser lautet: Das "Phantom" alias UWP ist schlicht eine Verunreinigung.

Anderswo war man weiter. Seit Jahren vermuteten "zivile" Molekularbiologen an Universitäten und anderswo, dass die LKA-Kollegen einer simplen Verunreinigung aufsitzen würden. Doch die LKA-Experten wollten diese Lösung des Rätsels anscheinend nicht wahrhaben. Sie ignorierten die wohlmeinenden Zivilkollegen und suchten lieber weiter im Ländle nach ihrem Phantom, bis sie es dann aber doch im Laborschrank fanden.

Wattestäbchen-Produzent Greiner Bio-One versicherte tagelang, dass die Tupferteile nie zur DNA-Analytik gedacht gewesen seien. Sie seien laut Zertifikat "steril, aber nicht DNA-frei" (seit kurzem allerdings kursieren gegenteilige Behauptungen; siehe unten).

War es Sparsamkeit, welche die LKA-Experten zu Billigstäbchen greifen ließ? Denn anderslautenden Pressemeldungen zum Trotz gibt es - zwar laut Greiner nicht bei Geiner, sehr wohl aber bei vielen anderen Firmen - garantiert & zertifiziert DNA-freie Wattestäbchen. Doch die kosten etwa 15-mal soviel wie ihre lediglich sterilen (und anscheinend gelegentlich DNA-versifften) Geschwister. Zu teuer für die Polizei?

Die tun was: BKA jetzt noch steriler!

Auf jeden Fall wird künftig alles besser. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, versicherte, man werde künftig sterilere Mittel bei der Spurensicherung einsetzen. In der Süddeutschen Zeitung wird der BKA-Chef wie folgt zitiert: "Es gibt spezielle Verfahren, um das Material noch steriler zu machen."

Noch steriler. Faszinierend.

Winfried Köppelle

Nachtrag: Die österreichische Polizei behauptete am Montag, dass die Greiner-Stäbchen laut Beipackzettel sehr wohl als "DNA-frei" bezeichnet worden seien. Greiner dementierte das, ist jedoch seit Tagen zu beschäftigt, um die Unklarheiten aufzuklären.

Doch egal wie diese Posse ausgeht - dass über 100 Polizeibeamten, drei Landeskriminalämter und vier Staatsanwaltschaften sechs Jahre lang eine serienmordende, in Gartenhäuschen einbrechende Transvestitin suchen, die sich letztlich als versifftes Wattestäbchen herausstellt, ist - ähem, beeindruckend. Wir versprechen: Laborjournal bleibt dran am Stäbchen.



Letzte Änderungen: 27.04.2009