Editorial

Inkontinenz am Inn: Von Blinden, Standhaften und Süppchenkochern (15)



Erinnern Sie sich noch an den Innsbrucker Urologie-Skandal? Nach 14 Folgen zu diesem Schmierentheater musste Laborjournal-Reporter Rehm wegen Schreibkrampf pausieren. Die Innsbrucker haben inzwischen fröhlich weitergemacht.

Folge 15 (Mai 2009):

Strasser bewirbt sich um die Nachfolge Bartsch.


Bevor wir zu den neuesten Entwicklungen kommen, eine Zusammenfassung dessen was geschah: 2007 legten die Innsbrucker Urologie der Ethikkommission (EK) eine Phase II Studie über die Behandlung von Harninkontinenz zur Stellungnahme vor. Dabei stellte es sich heraus, dass der Urologie Chef Bartsch und sein Oberarzt Strasser schon eine Phase III Studie zur Publikation in Lancet eingereicht hatten. Dies ohne vorher die EK zu konsultieren. An der Phase III Studie stimmte auch sonst einiges nicht. Als EK Mitglied Glossmann versuchte, sich Klarheit zu verschaffen, erstatteten Strasser und Bartsch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und legten Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Polizei und AGES ermittelten. Eine Klagewelle rollte, anonyme Briefe kursierten. Glossmann wurde Befangenheit und Industriespionage unterstellt. Jedoch: Der Abschlussbericht der Polizei entlastete ihn. Die Staatsanwaltschaft ermittelte indessen gegen Strasser wegen Verdacht auf Körperverletzung und Dokumentenfälschung. Der damalige Rektor Sorg suspendierte Strasser vorläufig und wollte auch Bartsch suspendieren. Doch zuvor wurde Sorg aus undurchsichtigen Gründen entlassen. Nationalratspräsident Graf stellte drei parlamentarische Anfragen und griff darin Glossmann und EK Mitglied Scheil an. Grafs Gewährsmann war Strasser. Grafs Anfragen wurden abgeschmettert. Scheil und Glossmann zeigten Strasser und Bartsch wegen falscher Zeugenaussage, Urkunden- und Beweismittelfälschung und Verleumdung an. Die Medizinische Universität Innsbruck (MUI) suspendierte Strasser erneut und erstattete Disziplinaranzeige gegen ihn.

Für den entlassenen Rektor Sorg trat Interimsrektor Manfred Dierich an, unterstützt durch die Vizerektorin Hochleitner. Diese stellte sich zur Wahl als die Bestellung des neuen Rektors anstand. Mir ihr bewarben sich 31 Akademiker aus dem In- und Ausland (siehe Folge 12). Dies zur Überraschung des Reporters. "Warum bewerben die sich um eine Stelle auf der noch jeder gescheitert ist?", fragte er einen Insider. Der: "Ach, das ist wie beim Kegeln. Wenn da einer fehl wirft, kommen die anderen und sagen, jetzt lass mich mal!"

Zehn der Kegler durften zum Vorsingen antreten und der Senat der MUI entschied sich für den Dreiervorschlag Herbert Lochs, Margarethe Hochleitner und Wolfram Knapp. Die Kandidaten wurden vom Senat nicht gereiht, d.h. vom Senatsvorsitzenden als gleichwertig bezeichnet. Die Entscheidung, welcher Kandidat das Rennen machen würde, lag dann beim Universitätsrat. Wenn der, so wie der Senat, die drei Kandidaten für gleich gut geeignet gehalten hätte, wäre die Entscheidung für Frau Hochleitner gefallen. Denn bei gleich gut geeigneten Kandidaten müsste, wie ein Jurist Laborjournal versicherte, nach dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz der Frau der Vorzug gegeben werden. Dies solange, bis 40 Prozent der Rektoren an österreichischen Universitäten und Hochschulen Frauen sind (derzeit sind es exakt 0 %). Anscheinend hat der Universitätsrat am 15. April 2009 Herbert Lochs, Gastroenterologe von der Charite Berlin und gebürtiger Innsbrucker, für besser gehalten. Das nimmt wunder, denn im Senat erhielt Frau Hochleitner die meisten und Herr Lochs die wenigsten Stimmen.

Bei der Bekanntgabe dieser Entscheidung sei Frau Hochleitner wütend aus dem Sitzungssaal gerannt, die Universitätsratsvorsitzende Fischer hinterher, vermutlich um sie zu besänftigen. Frau Fischer sei dann alleine zur Sitzung zurückgekehrt (Tiroler Tageszeitung vom 15.4). Angeblich habe sich Frau Hochleitner auf Frau Fischer verlassen, die aber sei auf Druck von zwei Universitätsratsmitgliedern eingeknickt und zum Schluss hätten sechs der Universitätsratsmitglieder für Lochs gestimmt und nur Frau Smolle-Jüttner dagegen. Für Lochs hätte u.a. gesprochen, dass er mit Land und TILAK kooperieren wolle, versicherte ein Informant. Auch fehle der Hochleitner die internationale Erfahrung. Ein zweiter jedoch meinte, er könne sich nicht vorstellen, dass die Hochleitner gesagt habe oder dass man aus Ihrem bisherigen Verhalten annehmen müsse, sie werde nicht mit dem Land Tirol und der TILAK "kooperieren". Jeder Rektor, auch Hochleitner, müsse mit dem Land und mit der Tilak "kooperieren". Im übrigen müsse der Unirat und mit ihm der Rektor die Interessen der Uni vertreten und nicht einem Kandidaten den Vorzug geben, der auf das für die MUI unzuständige Land "höre". Ein Insider schließlich sagte: "Frau Hochleitner hatte das beste Konzept vorgelegt, sie erhielt im Senat auch sieben Stimmen mehr als Lochs. Sie hat auch, was das von ihr in Aussicht genommene Rektorenteam betrifft, eine sehr gute Auswahl getroffen. So Peter Loidl. Natürlich ist sie keine Superforscherin - aber sie konnte viele Probleme der klinisch tätigen Ärzte regeln und verschaffte sich dadurch Respekt. Ich sehe Frau Hochleitner nur positiv. Es ist an der Zeit, dass endlich mal eine Frau das Sagen hat. " (Zur Klarstellung dieses Zitats: Es handelt sich nicht um eine Aussage von Peter Loidl. Gemeint ist, Loidl gehöre zu Hochleitners Rektorenteam)

Alle drei Informanten sind Männer.

Um auch Herbert Lochs nicht mit Gerüchten zu verschonen: Hinter ihm soll die Wiener "Riege" und der "Altherrenklub" mit Winkler, Platzer und zur Nedden stehen.

Frau Hochleitner, ausgewiesene Gender-Propagandistin, kündigte noch am Wahltag an, die Entscheidung vor den Gleichbehandlungsausschuss zu bringen. Nach Tiroler Tageszeitung: "Ich bin es der Frauensache schuldig," erklärte sie, meinte aber: "Eine Frau wird eher Papst als in Innsbruck Rektor."

Im Blog der Tiroler Tageszeitung schrieb dazu ein gewisser "Schlaumeier": "hochleitner ist vermutlich ihr nahverhältnis zu dierich zum verhängnis geworden. nach all der jahrelangen unterstützung wäre sie ja wirklich befangen, als rektorin die abgezweigten institutseinnahmen in millionenhöhe von ihm zurückzufordern. sie hat ja schon als personalvertreterin mitgeholfen störende kollegen hinauszumobben obwohl die bedeutend mehr publikatonen hatten als sie selbst. und die emanzennummer diente nur dazu höher qualifizierte kollegen zu diskriminieren."

Ob das mit dem Mobbing und der Emanzennummer stimmt, weiß der Reporter nicht, auch Schlaumeiers Geschlecht kennt er nicht. Schlaumeiers Beitrag steht aber schon seit drei Wochen auf TT-online, anscheinend hat Frau Hochleitner nicht dagegen geklagt. Das zeugt immerhin von Souveränität (wenn sie denn von dem Kommentar weiß).

Die Feministinnen Österreichs sind anderer Meinung als "Schlaumeier". So unterstützte Heidemarie Ambrosch, Frauenvorsitzende der Kommunistischen Partei Österreichs, den Protest der Frau Hochleitner mit einem Flugblatt, aber auch Frauen anderer politischer Überzeugung haben sich für Frau Hochleitner stark gemacht.

Im übrigen machte Frau Hochleitner ihre Drohung wahr und der Arbeitskreis für Gleichbehandlung der Medizinischen Universität Innsbruck hat beim Wissenschaftsministerium eine Aufsichtsbeschwerde eingebracht: Er sei nicht zur Anhörung der Kandidaten geladen worden. Das Ministerium prüft die Beschwerde. Solange darf die MUI den Vertrag mit Lochs nicht unterschreiben.

Das ist gut, denn so gewinnt Herbert Lochs gleich den richtigen Eindruck von seiner künftigen Wirkungsstätte und es ist schlecht, weil Lochs so - jedenfalls für´s erste - das Vergnügen entgeht, die Bewerbungen um den Lehrstuhl für Urologie zu lesen.

Schon in Folge 13 hatte der Reporter Ihnen eine Meldung aus dem Mitteilungsblatt der MUI vom 4. Februar 2009 ans Herz gelegt: "An der Medizinischen Universität Innsbruck gelangt ab 01.10.2010 die Planstelle einer Professorin /eines Professors für Urologie zur Besetzung." Es handelt sich um die Nachfolge von Georg Bartsch. Der Reporter hatte diesen Posten für Urologen empfohlen, die Spannung und ein aufregendes Leben lieben.

Ein solcher Urologe ist offensichtlich Hannes Strasser, fanatischer Kämpfer für das was er für Gut hält. Herr Strasser hat sich am 26.3.2009 beim Rektorat der MUI um die Nachfolge seines Mentors Bartsch beworben. Im Bewerbungsanschreiben versichert Strasser u.a.: "In den letzten Jahren wurde von meiner Arbeitsgruppe die Therapie der Harninkontinenz mittels autologer Myo- und Fibroblasten entwickelt. Da diese minimal invasive Therapie mittels autologer Zellen sehr effizient und sehr gut verträglich ist und dieses Projekt international sehr große Anerkennung erhalten hat, wurde ich in den letzten Jahren zu etlichen Gastprofessuren in führende internationale Kliniken eingeladen." Sie erinnern sich: die Studie, in der diese Experimente beschrieben wurden, die oben erwähnte Phase III Studie, wurde von Lancet zurückgezogen nachdem die AGES Strasser Fälschung vorgeworfen hatte (Folge 9). In seiner Bewerbung um die Nachfolge Bartsch erwähnt Strasser die Lancet Studie allerdings nicht, sondern endet mit: "Wie sie meinem Lebenslauf entnehmen können, verfüge ich über Durchsetzungsvermögen sowie ein entsprechendes Auftreten in der Öffentlichkeit. Strategisches Denken, gute Personalführung, die Planung und Organisation von innovativen Projekten sowie wirtschaftliches Handeln stellen wesentliche Stärken in meiner Tätigkeit dar. Darüber hinaus sagt man mir Seriosität und Loyalität nach.

Die Gesamtsituation an der Medizinischen Universität in Innsbruck ist ja bekanntermaßen derzeit sehr angespannt, und von einzelnen Mitgliedern der Medizinischen Universität wurde ich in den letzten Monaten aus mittlerweile bekannten Gründen attackiert. Ich habe mich bewusst nicht auf das Niveau dieser haltlosen Anschuldigungen begeben, sondern seriös und ruhig alle Fragen geklärt."


Nicht alle Fragen zu Strasser geklärt hat anscheinend die Staatsanwaltschaft Innsbruck, die gegen Strasser nicht nur wegen Verleumdung, sondern auch wegen Körperverletzung und Dokumentenfälschung ermittelt. Das umfangreiche Ermittlungsverfahren sei recht weit fortgeschritten, hieß es von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft, und in zwei drei Monaten werde entschieden, ob Anklage erhoben werde oder nicht.

Auf die Anfrage von Laborjournal, wie er seine Chancen einschätze, meinte Herr Strasser: "Da ich davon ausgehe, dass die neuerliche vorläufige Suspendierung wiederum aufgehoben werden wird und da die Ethikkommissionseinreichungsunterlagen der Lancet-Studie, die ja lt. Behauptungen diverser Personen angeblich nie in der Ethikkommission vorgestellt worden sein soll, im Gesundheitsministerium aufgetaucht sind und vorliegen, gehe ich davon aus, dass die Chancen für meine Bewerbung gar nicht so schlecht sind."

Der Bitte, Laborjournal Kopien der angeblich wieder aufgetauchten Dokumente zuzuschicken, kam Herr Strasser bisher nicht nach.

In Innsbruck scheint alles möglich: Herr Strasser bewirbt sich um die Nachfolge Bartsch, Frau Hochleitner um die Nachfolge Ratzinger. Laborjournal wünscht beiden viel Erfolg!



Hubert Rehm



Letzte Änderungen: 04.09.2009