Editorial

Tumult in Verhandlung Asim gegen Schüle



In Laborjournal 4/2009 "Über den Teich gezogen" wurde über den Fall des Inders Mohammad Asim berichtet. Er behauptet, Roland Schüle, Leiter der Abteilung für Molekulare Gynäkologie an der Freiburger Universitäts-Frauenklinik, habe ihn betrogen.

(14. Mai 2009) Er, Asim, habe eine gute Stellung in USA aufgegeben weil ihm Schüle einen Zweijahresvertrag mit 50 000 EURO Jahresgehalt angeboten habe. Auch habe Schüle ihm versprochen sich dafür einzusetzen, dass er ein Humboldt-Stipendium erhalte. Als Asim dann im Januar 2009 seine Stelle antrat, sei er im Januar nicht bezahlt worden, obwohl Schüle ihn aufgefordert habe zu arbeiten und er auch gearbeitet habe. Danach habe ihm die Verwaltung, auf Schüles Anweisung hin, nur einen Dreimonatsvertrag mit 35 000 EURO Jahresgehalt vorgelegt. Auf Asims Beschwerde hin wurde schließlich ein Zweijahresvertrag vom 30. Januar 2009 zum 29. Januar 2011 ausgestellt, jedoch nur mit 35 000 EURO Jahresgehalt und mit einer nach dem Kündigungsschutzgesetz üblichen Wartezeit von einem halben Jahr. Innerhalb dieser Zeit kann der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen kündigen. Die Parteien können zwar anderes vereinbaren aber das ist unüblich und zudem lag eine solche Vereinbarung hier nicht vor. Der Januar wurde Asim nicht erstattet. In den folgenden Wochen gab es zwischen Schüle und Asim verschiedene Auffassungen über die Klonierung von miRNAs und Mitte Februar kam es zu einem Showdown. Ein Mitarbeiter Schüles soll Asim den Diebstahl einer Mensakarte vorgeworfen haben, worauf Asim mit Beschimpfungen reagiert habe. Es sollen die Worte "Bastard", "Hund von Schüle" "Rassist" gefallen sein. (Im Detail in Laborjournal 4/2009). Nachdem ein Roundtable Gespräch zu keiner Einigung führte, wurde Asim am 4. März "außerordentlich, hilfsweise ordentlich" zum 31. März gekündigt.

Asim klagte gegen diese Kündigung beim Arbeitsgericht Freiburg. Er klagte sowohl gegen den Arbeitgeber, das Land Baden-Württemberg, als auch gegen Schüle privat. Asim fordert vom Land Weiterbeschäftigung, ersatzweise von Schüle 98 000 EURO, d.h. die zwei Jahresgehälter aus dem versprochenen Vertrag abzüglich des schon ausgezahlten Betrages von 2000 EURO.

Güteverhandlung

Die Güteverhandlung im Fall Asim gegen Schüle fand am 7. Mai 2009, 11:00 Uhr, vor der Richterin Dorothee Schmiegel statt.

Asim erscheint mit seinem Anwalt, Jens Runge-Yu. Roland Schüle erscheint nicht, stattdessen betritt Magdalena Goldammer, Leiterin der Personalabteilung des Universitätsklinikums Freiburg und der Anwalt von Herrn Schüle, Peter Rambach, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fliegenträger, das mit weißem Resopal tapezierte Verhandlungszimmer. Asim hatte sehr kurzfristig einen Dolmetscher beantragt, doch die Richterin bedauerte, sie habe bei zwei Dolmetschern angefragt, keiner habe so schnell einen Termin freimachen können.

"Herr Asim kann gut Deutsch", sagt Frau Goldammer.

Die Richterin wendet sich an Asims Anwalt. Sie habe die Akten studiert. Eine ordentliche Kündigung sei auf jeden Fall zulässig.

Asims Anwalt wendet ein, dass die Kündigung gegen frühere Abmachungen Schüles mit Asim verstoße. Die Gründe für Asims Rauswurf seien konstruiert worden. Richterin: "Es braucht keinen Grund für eine Kündigung."

Schüles Anwalt pflichtet ihr mit Verve bei: "In den ersten sechs Monaten braucht es keinen Grund. Das ist deutsches Arbeitsrecht. Sollen wir das für Herrn Schüle umschreiben? Ende der Durchsage."

Asims Anwalt: "So einfach ist das nicht. Herr Schüle hat sich hier sittenwidrig verhalten." Schüles Anwalt: "Was ist hier sittenwidrig?"

Asims Anwalt: "Der Herr Asim wurde mit Versprechungen aus Amerika hierher gelockt, Versprechungen, die dann nicht eingehalten wurden."

Schüles Anwalt: "Gilt hier das deutsche Arbeitsrecht oder gilt es nicht?"

Richterin (ruhig): "Die Arbeitsvertragskündigung geht in Ordnung."

Asims Anwalt stellt die Sachverhalt in der Breite dar. Schüles Versprechen schließe eine Probezeit aus. Schüle habe treuwidrig gehandelt. Der gegnerische Anwalt macht ihn darauf aufmerksam, dass für die Güteverhandlung nur 20 Minuten angesetzt seien und er auch etwas zu sagen wünsche. Der Herr Kollege solle hier keine Verschwörungstheorien ausbreiten. Asim lüge.

Asims Anwalt: "Ich wäre schneller fertig, wenn Sie mich ausreden ließen."

Schüles Anwalt Rambach, gebürtiger Freiburger, zeigt alamannisches Naturell: Kampfgeist, Witz und Temperament. Dazu kommt ein gewisses Talent zum Darsteller. Sein Gegenpart Runge-Yu, lang und blond, ein Norddeutscher wie er im Buche steht, erscheint leise und farblos aber zäh. Die Richterin wiederum wirkt souverän mit einem Zug von Humor um den Mund.

Runge-Yu, Asims Anwalt, fordert eine Zeugeneinvernahme. Schüles Verhalten habe Methode, er, Runge-Yu, könne mit Zeugen beweisen, dass Schüle auch andere Wissenschaftler so behandelt habe wie Asim. Runge-Yu spielt hier auf den Fall Yaduvanshi an (siehe unten). Runge-Yu kommt allerdings nicht dazu, den Fall darzulegen und schließt mit: "Herr Schüle hat Zusagen gemacht, die er nicht zu halten gedachte."

"Unglaublich!", wirft Frau Goldammer ein.

"Insbesondere hat Schüle, was den Dreimonatsvertrag betrifft, zu Asim das eine gesagt und zur Universitätsverwaltung etwas anderes", fährt Asims Anwalt fort.

Richterin: "Das Land kann nichts dafür was Schüle sagt."

Frau Goldammer: "Asim hat Schüle Anfang November geschrieben, er brauche nur einen Vertrag für drei oder vier Monate (die entsprechende Email hat Laborjournal eingesehen). Dann erhalte er ja das Humboldt-Stipendium. Deswegen hat ihm Herr Schüle dann auch nur einen Dreimonatsvertrag gegeben. Außerdem hat Herr Schüle den Herrn Asim keineswegs aus USA herübergelockt. Asim hat sich vielmehr aufgedrängt. Als Asim Schüle seine Situation in USA im November 2008 schilderte, hat der ihm dringend empfohlen, doch in USA zu bleiben (auch dieses Email hat Laborjournal eingesehen). Asim hat jedoch zurück geschrieben, dass sein Engagement in Wisconsin Ende Dezember beendet sei und er wolle seine wissenschaftliche Karriere unbedingt in Deutschland fortsetzen."

Richterin: "Dann war wohl alles noch recht unsicher?"

Asims Anwalt: "Ich komme doch nicht aus USA ohne feste Anstellung! Vor allem wenn mir in USA eine feste Stelle, steuerfreies Einkommen und Beförderung angeboten wurde."

Rambach: "Natürlich kommt der! Der hat doch in USA viel weniger verdient! Kaum 20 000 EURO. Und lesen Sie doch die Emails, die er an Schüle geschrieben hat."

Richterin: "Wozu braucht es einen Zweijahresvertrag, wenn ein Humboldtstipendium beantragt wurde?"

Asims Anwalt: "Zur Absicherung. Der Antrag kann ja auch abgelehnt werden."

Schüles Anwalt: "Aber den Zweijahresvertrag hat er doch bekommen! Zu den gleichen Konditionen wie alle in Deutschland. Und der wurde nun gekündigt, gemäß deutschem Arbeitsrecht."

Jetzt meldet sich Asim zu Wort. Er redet Deutsch aber nicht fließend, zudem nuschelt er. Er ist bewegt. Er habe zuerst eben keinen Vertrag bekommen. Er habe einen Monat umsonst gearbeitet. Jetzt stehe er vor den Trümmern seiner Karriere. Er habe nichts.

Frau Goldammer: "Sie haben nicht umsonst gearbeitet!"

Richterin: "Geld für Januar bis März, darüber könnte man reden. Aber die ordentliche Kündigung geht in Ordnung."

Asims Anwalt wiederholt: Die Kündigungsgründe seien vorgeschoben. Schüles Verhalten sittenwidrig.

Schüles Anwalt: "Sie wiederholen sich! Der Asim hat Schüle als Rassist und Bastard bezeichnet. Der Asim hat den Schüle bei der DFG als Fälscher angeschwärzt. Die DFG hat bei Schüle eine Stellungnahme dazu eingeholt und Asims Vorwürfe danach als haltlos bezeichnet. So einen kann man doch nicht beschäftigen!"

Asims Anwalt: "Warum ist dann Günther nicht gekündigt worden? Der hat den Asim als Dieb bezeichnet. Warum pickt man meinen Mandanten raus?"

In einem wirren Wortwechsel beschimpfen sich nun Schüles Anwalt Rambach und Asim. Asim verfällt dabei ins Englische, Rambach schießt auf Englisch zurück. Das Gerichtsverfassungsgesetz § 184 sagt: "Die Gerichtssprache ist Deutsch." Keinen kümmerts. Asim wendet sich an die Richterin. Er sei gut erzogen, er würde nie solche Ausdrücke verwenden.

Richterin: "Offensichtlich gab es Schwierigkeiten. Also ist die Kündigung ok."

Asims Anwalt: "Aber es wurde auf die Kündigung hingearbeitet"

Schüles Anwalt: "Das ist Blödsinn. Es braucht doch gar keinen Kündigungsgrund also muss auch nicht darauf hingearbeitet werden."

Asim: "Und was ist mit meinen Job?"

Goldammer: "Das können wir nicht ändern!"

Asims Anwalt: "Auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gelten die Gesichtspunkte der Sittenwidrigkeit. Asim sind Sachen versprochen worden und als er darauf pochte, wurde er gemobbt."

Schüles Anwalt: "Schüle hat ihn nicht hergelockt. Bleiben Sie in USA hat Schüle gesagt. Aber Asim sagt: nein, ich will auf jeden Fall zu ihnen kommen. Und beschimpft den Schüle dann als Bastard und Rassist.

Richterin: "Gegen die ordentliche Kündigung ist nichts zu machen."

Asims Anwalt: "Das treuwidrige Verhalten muss bewiesen werden. Mein Mandant wird ja sonst rechtlos gestellt. Schüle hat auch seine Stellung ausgenutzt um meine Recherchen zu hintertreiben."

Es entwickelt sich eine Diskussion um diesen Punkt mit Frau Goldammer.

Asim zu Schüles Anwalt: "Zerstöre meine Karriere nicht". Schüles Anwalt kontert: "Sie zerstören ihre Karriere selber". Dann reden alle vier aufgeregt und lautstark durcheinander, teils auf Deutsch, teils auf Englisch.

Die Richterin, sie ist als einzige ruhig geblieben, hat genug: "Ruhe! Können wir jetzt zur Sache kommen!"

Sie setzt den Termin zur nächsten Verhandlung fest. Es ist der 28. Juli. Der Kläger soll seine Einwände weiter begründen.

Die Verhandlung hat eine Stunde gedauert.

Frau Goldammer erklärte dem Laborjournal-Reporter hinterher, sie hätte Herrn Asim vorgerichtlich als Abgeltung drei Monatsgehälter a 4000 EURO angeboten. Dies nicht weil sie die Berechtigung seine Forderungen eingesehen habe, sondern um Ruhe zu haben und Weiterungen zu vermeiden. Sie sei ja fast mit nichts anderem beschäftigt als mit dem Fall Asim. Sogar der Aufsichtsrat der Klinik habe sich eingeschaltet. Asim habe jedoch das Angebot ausgeschlagen.

Der Fall Yaduvanshi

Nach Unterlagen, die Laborjournal von Mohammad Asim zur Verfügung gestellt wurden, geschah folgendes:

Roland Schüle hatte Frau Nirmala Singh Yaduvanshi am 28.7.08 in einer Bescheinigung zur Vorlage beim Deutschen Konsulat versprochen: "Frau Nirmala Singh Yaduvanshi erhält einen Arbeitsvertrag nach BATIIa/2 (ca. 30.000 EUR Brutto), mit einer Laufzeit von 2 Jahren." Als Frau Yaduvanshi in Freiburg angekommen war, sei (nach Yaduvanshis Beschwerde an das indische Konsulat) folgendes geschehen: "When I reached Freiburg he [Schüle] told me that I will be getting the contract only after one week, then it became 15 days and at the end I got to know that I will get the contract only from 1st Nov 2008, whereas I supposed to get from 1st Oct 2008." Im November 2008 flog Frau Yaduvanshi nach Indien zurück.

Roland Schüle korrigiert (über seinen Anwalt):

Im Labor Schüle müssen alle Anwärter auf eine Doktorandenstelle vor Vertragsausstellung ein Praktikum von zwei Wochen absolvieren. In dieser Zeit werde nur die Unterkunft bezahlt. Das Praktikum diene zum Kennenlernen und um festzustellen, ob der Anwärter über die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfüge. Bei etwa der Hälfte sei das nicht der Fall. Auch Frau Yaduvanshi hätte sich als ungeeignet erwiesen und deswegen sei ihr kein Anstellungsvertrag ausgestellt worden.

Schüle habe Yaduvanshi in einem Email vom 18.7.08 - also eine Woche vor dem Schreiben an das Konsulat - mitgeteilt, dass sie als Doktorandin nur mit 1000 EURO/Monat rechnen könne. Schüles Mail dazu: "If accepted you would be able to obtain a Ph.D. in Biology from the University of Freiburg. The time requirement to obtain a Ph.D. in my lab is 3-4 years depending on the progress of the particular project. In order in o to receive a Ph. D. degree you need to have at least one first author paper in a reasonable journal such as EMBO J. Mol. Cell, Genes & Dev, Science, Cell or Nature. You shall get a working contract (and salary) during your entire time of your Ph. D-thesis (around 1000 Euro/month)."

Der Betrag von 30 000 EURO im Schreiben an das Konsulat sollte die Konsulatsbeamten beeindrucken und Schwierigkeiten bei der Erteilung des Visums vermeiden. Herr Schüle habe Frau Yaduvanshi auch auf die Praktikumszeit (nicht bezahlt) und den drei bis vier Jahren Doktorandenzeit (bezahlt) hingewiesen. Schüles Mail vom 18.7.08 dazu :

"Applicants usually visit the lab for two weeks to get familiar with the science, the lab, the people and the city. This two weeks are considered as a get-to-know period. Everybody in the lab had to pass this probation. If you (and also we) are satisfied with the situation students start with the Ph.D-thesis very shortly. You'll get a working contract for as long as it takes to get you a Ph.D."

Roland Schüle: "Damit kann bei Frau Yaduvanshi kein Zweifel daran aufgekommen sein, dass es sich bei dem Erprobungspraktikum (probation time) und der Doktorandenstelle um zwei verschiedene Dinge handelt."



Kommentar: So wie sich der Fall für den Laborjournal-Reporter als juristischen Laien darstellt, hätte Asim besser die vom Klinikum angebotenen 12 000 Euro angenommen und sich zähneknirschend eine andere Stelle gesucht. Sein Vierteljahresvertrag wurde durch den Zweijahresvertrag ersetzt und der wurde konform mit dem Arbeitsrecht gekündigt. Dementsprechend gewährt das Gericht auch keine Prozesskostenhilfe für Asims Anträge, die über den 31. März 2009 hinausgehen: Derartige Klagen seien aussichtslos und mutwillig. Zu entscheiden bleibt, ob das Land Asim für den Januar bezahlen muss - hat Schüle Asim zur Arbeit angehalten oder nicht? - und ob Schüle sittenwidrig gehandelt hat. Letzteres ist in Kenntnis der Emails die Schüle und Asim Anfang November 2008 ausgetauscht haben nicht einfach zu entscheiden; die Richterin jedenfalls scheint nicht der Ansicht zu sein, Schüle habe sittenwidrig gehandelt.

Dennoch sollte Herr Schüle in Zukunft in seinen Schreiben an die Konsulate - und auch in allen anderen Schreiben - die richtigen Beträge einsetzen. Es wirkt, milde gesagt, verwirrend, wenn verschiedene Angaben zum Gehalt gemacht werden. Bei Yaduvanshi schrieb Schüle im inoffiziellen Email von 1000 EURO/Monat, im offiziellen Schreiben an das Konsulat von (umgerechnet) 2500 EURO/Monat. Bei Asim hieß es mal 50 000 EURO im Jahr, mal 35 000 EURO, mal 30 000 EURO. Was wohl wird ein armer Doktorand bzw. Postdok für richtig halten?

Des weiteren sollte Schüle klarstellen: Geld gibt es erst ab da und da. Er hat das bei Yaduvanshi zwar gesagt, aber für meinen Geschmack zu verschwurbelt. Frau Yaduvanshi kann, aus ihrer (oben nur teilweise zitierten) Email zu urteilen, nur schlecht Englisch und Schüles logische Feinheiten könnten ihr entgangen sein. Er hätte direkt sagen sollen: Im Praktikum wird nur die Wohnung bezahlt. Und ebenso direkt: Wenn wir mit Ihnen nicht zufrieden sind, bekommen sie nichts und haben den Hin- und Rückflug in den Sand gesetzt.

Ein klares Wort zur rechten Zeit, schafft Ruhe und Gemütlichkeit.



Hubert Rehm



Letzte Änderungen: 04.09.2009