Editorial

Chinesische Gelddruckmaschine

Den alten Chinesen verdanken wir Schwarzpulver, Seide, Papier, Porzellan und Kompass. Doch auch der moderne Chinese zeigt Erfindungsgeist und Initiative.

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(17. September 2009) So haben einige Chinesen nicht nur Methoden gefunden, schnell und materialsparend zu Publikationen zu kommen (ein Beispiel in Laborjournal 10/2008, Seite 38), sie haben inzwischen sogar eine Maschine gebaut, die aus dem wissenschaftlichen Mitteilungsbedürfnis Münze schlägt. Dazu erreichte uns folgende E-Mail eines Lesers:
"Vor ein paar Tagen hätte ich mich nach einer netten Einladung als Speaker fast bei einem "Cardiology Congress" in Shanghai/China angemeldet und die Gebühren überwiesen. Ich bekam kurz hintereinander drei E-Mails von drei verschiedenen "Organizers" der Firma BIT. Es gab auch eine Website mit den üblichen Informationen. Glücklicherweise traf rechtzeitig noch eine weitere E-Mail mit dem Absender "Lawyer" ein, die mich darauf hinwies, dass eine kriminelle Gruppe den tatsächlich in Shanghai stattfindenden International Cardiology Congress, der wohl von BIT organisiert wird, mit einer fast identischen Website imitiert hatte. Datum und Location des realen und des kopierten Kongresses waren identisch. Mir ist nicht bekannt, ob jemand darauf reingefallen ist und tatsächlich Anmeldegebühren überwiesen hat, aber vielleicht sollte man diese Praktik einer breiteren Wissenschafts-Öffentlichkeit mitteilen."
Letzteres tun wir hiermit, obwohl wir uns des Gefühls der Spielverderberei nicht ganz erwehren können. Einen wissenschaftlichen Kongress kopieren, um die Anmeldegebühren zu kassieren, das ist immerhin ein Einfall, auf den bisher keiner gekommen ist. Dabei gibt es wissenschaftliche Kongresse schon seit mindestens 150 Jahren.
Erfolg scheinen die Betrüger gehabt zu haben:
Nach einem Beitrag zum The Scientist-NewsBlog hatten sich mehrere Wissenschaftler zu dem Scheinkongress, der von 5. bis 7. Dezember in Shanghai stattfinden sollte, angemeldet. Manche hatten auch die Einschreibgebühr von 600 Dollar bezahlt und dazu 1.200 Dollar für eine von den Organisatoren angebotene Reise. Einem seien von seiner Kreditkarte zudem noch über 2.000 Dollar abgezogen worden. Auch die Flugkarten scheinen einige in dem Glauben bezahlt zu haben, dass ihnen die Kosten ersetzt würden.
Der tatsächlich von BIT organisierte, von 5. bis 7. Dezember in Shanghai stattfindende Kongress scheint ebenfalls in erster Linie des Geldes wegen organisiert worden zu sein. Einer der eingeladenen Sprecher berichtet, von ihm seien 700 Dollar Einschreibgebühren verlangt worden. Die Organisatoren seien jedoch bereit gewesen, diese Gebühr zu streichen und ihm 500 Dollar und das Hotel zu zahlen, wenn er vier andere Kardiologen überzeuge, an dem Kongress teilzunehmen. Da diese jeweils 700 Dollar Einschreibgebühr zahlen, hat dann jeder was davon. Ja, von den Chinesen können wir noch einiges lernen.

Hubert Rehm
Foto: iStock/phfft



Letzte Änderungen: 04.03.2013