Editorial

JM Buerstedde und Helmholtz-Zentrum trennen sich

Eine beinahe zweijährige Hängepartie ist beendet: Am gestrigen Montag wurde bekannt, dass der langjährige Leiter des Instituts für Molekulare Strahlenbiologie, Jean-Marie Buerstedde, und das Helmholtz-Zentrum München auf Anregung des Gerichts eine Einigung erzielt hätten.

editorial_bild

(16. Februar 2010)  Jean Marie Buerstedde und das Helmholtz Zentrum München – das war wie die endlose Geschichte von Hund und Katz. Im Dezember 2008 berichtete Laborjournal erstmals und exklusiv über diese „Selbstzerfleischung eines Instituts" – nun scheinen die gegenseitigen Vorwürfe ein Ende zu haben.

 

Zumindest nach außen hin.

Die bisherigen Geschehnisse in Kürze (eine ausführliche Reportage ist in Laborjournal 12/2008, Seite 12-18 sowie hier zu finden):

Eine Großforschungseinrichtung [das Helmholtz-Zentrum] feuert einen Institutsleiter [Buerstedde] – angeblich, um dessen Untergebene vor weiterem Unbill zu schützen. Von lautstarken Beschimpfungen, Drohungen und Erniedrigungen ist die Rede. Doch gerade einige Doktoranden – die man angeblich schützen will – sind die Leidtragenden des Rauswurfs. Auch sonst ist bei dieser Affäre nicht alles so klar, wie es scheint. Angesichts der Härte, mit der reagiert wurde, drängt sich der begründete Verdacht auf, die Helmholz-Oberen wollten den unbequemen und aufsässigen Institutsleiter Buerstedde „elegant entsorgen".

 

Hausverbot wegen "massiver Verfehlungen"

 

Im Zuge der Entlassung Buersteddes im Juni 2008 war dem Helmholtz-Institutsleiter gleichzeitig Hausverbot erteilt worden. Angeblicher Grund: Buerstedde habe sich „massiver Verfehlungen" gegenüber seinen Mitarbeitern schuldig gemacht, das Fortführen des Arbeitsverhältnisse sei somit „nicht zumutbar" gewesen. So die Version des Geschäftsführers des Helmholtz-Zentrums, Nikolaus Blum.

Doch Buerstedde ließ sich nicht so einfach abservieren. Er bestritt die Vorwürfe vehement und ging mit einer privaten Website an die Öffentlickeit. Die zahlreichen, der Laborjournal-Redaktion  vorliegenden Dokumente stützten Buersteddes Darstellung weitgehend. Im Laufe wochenlanger Recherchen kamen immer mehr Seltsamkeiten und bizarre Details zutage. Immer unwahrscheinlicher erschien es, dass hier lediglich ein Chef seine Untergebenen „erniedrigt und bedroht" habe – vielmehr zeigte sich, dass einige Mitarbeiter mit falschen Karten spielten und in einigen Punkten bezüglich Buerstedde die Unwahrheit gesagt hatten.

 

Der Streit geht vor Gericht

 

Buerstedde klagte 2008 beim Arbeitsgericht München gegen die Rechtswirksamkeit der Entlassung sowie auf Weiterbeschäftigung. Der Wissenschaftler konnte wegen des Hausverbots seine Forschungen nicht fortführen. Auch einige von Buersteddes Doktoranden erlitten durch die Kündigung erhebliche Nachteile.

Solidarität unter Kollegen? Fehlanzeige. Buersteddes Institutsleiter-Kollegen zogen ihre Schwänze ein, während die Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums erfolgreich Blockadepolitik betrieben, und Buersteddes ehemalige Mitarbeiter sich unsichtbar machten. Ein vom Helmholtz-Zentrum verhängter Maulkorb (dessen Existenz die Pressestelle des Zentrums gegenüber Laborjournal mehrmals bestritt) tat das Übrige. Lediglich anonym und unter Zusicherung absoluter Vertraulichkeit wurden Laborjournal diverse Hinweise zugespielt.

 

Buerstedde bekommt Recht

 

Vor Gericht bekam Buerstedde zwar mehrmals in großem Umfang Recht zugesprochen, doch das
Helmholtz-Zentrum ging immer wieder in Revision. Zuletzt hatte die 37. Kammer des Amtsgerichts München Buerstedde weitgehend Recht gegeben. Das Gericht erkannte unter anderem, dass die Klage Buersteddes „zulässig und begründet" sei, und dass das Arbeitsverhältnis zwischen Buerstedde und dem Helmholtz-Zentrum nicht (!) beendet wurde – eine schallende Ohrfeige für das Helmholtz-Zentrum München bezeihungsweise für dessen ausführende Personen: den Vorstand, den Betriebsrat und die Personalchefin.


Das Helmholtz-Zentrum hatte im Falle der Buerstedde-Kündigung anscheinend vorschnell und schlampig gehandelt (unter anderem – O-Ton des Gerichts – waren die gegen Buerstedde vorgebrachten Klagen „nicht ausreichend mit konkreten Tatsachen belegt").

Das Helmholtz-Zentrum hatte damals Berufung eingelegt. Nun einigten sich die Parteien  „einvernehmlich":

(aus der Pressemitteilung): „Der fast zweijährige Rechtsstreit mit Herrn Prof. Dr. Jean Marie Buerstedde über die Leitung des Instituts für Molekulare Strahlenbiologie ist zu Ende. Am vergangenen Freitag wurde auf Anregung des Landesarbeitsgerichts München das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen rückwirkend zum 30.06.2008 beendet. Damit ist für alle Beteiligten sowie die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts die notwendige Klarheit geschaffen, um die weitere Entwicklung unbelastet und mit Blick auf die künftigen wissenschaftlichen Herausforderungen zu gestalten."

 

Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, hätte ein Fortgang des Rechtsstreits mindestens ein weiteres Jahr in Anspruch genommen - und der zwangsweise arbeitslose Wissenschaftler Buerstedde wäre eine weiteres Jahr ohne Beschäftigung gewesen.

 

Als Privatperson kann man sich eine dreijährige Auszeit im allgemeinen nicht leisten. Als Forscher noch weniger.

 

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013