Editorial

Heinz Schaller ist tot

Am 10. April verstarb Heinz Schaller im Alter von 78 Jahren nach kurzer Krankheit. Die Universität Heidelberg verliert mit ihm eine überragende Forscherpersönlichkeit, einen Pionier der Molekularbiologie, einen Wegbereiter moderner Wissenschaftsstrukturen und einen großzügigen und weitsichtigen Stifter.

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Heinz Schaller

(19. April 2010)Über viele Jahre hat er die Entwicklung der Heidelberger Biowissenschaften zu einem international führenden Zentrum für Molekular- und Zellbiologie geprägt und war treibende Kraft bei Gründung und Aufbau des ZMBH.

 

Heinz Schaller war Chemiker, der früh den Weg in die neu entstehende Molekularbiologie gefunden und deren Entwicklung entscheidend geprägt hat. Als Postdoc bei Gobind Khorana gelang Schaller die Synthese des ersten Pentanukleotids mit definierter Sequenz, ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Entschlüsselung des genetischen Codes. Nach Deutschland zurückgekehrt beschrieb er gemeinsam mit Friedrich Bonhoeffer am Max-Planck-Institut in Tübingen mit der „DNA-Polymerase III“ erstmals ein Enzym, das die Erbsubstanz in Bakterien verdoppeln kann. Ein weiterer Höhepunkt war die Charakterisierung einer Region in bakteriellen Promotoren, heute bekannt als Pribnow-Schaller-Box. Seit 1973 und noch über seine Emeritierung im Jahr 2000 hinaus war Schaller an der Universität Heidelberg als Professor für Mikrobiologie tätig, wobei sein wissenschaftlicher Schwerpunkt ab Ende der 70er Jahre das Hepatitis-B-Virus (HBV) wurde. In diese Zeit fiel auch die Gründung von Biogen, einer der ersten Biotechnologiefirmen weltweit, die er 1978 gemeinsam mit weiteren führenden Molekularbiologen auf den Weg brachte. Mit Ken Murray und Walter Gilbert sequenzierte Schaller erstmals das HBV Genom und war maßgeblich an der Entwicklung des heute routinemäßig eingesetzten rekombinanten Impfstoffs gegen Hepatitis-B beteiligt. Die Replikationswege und Infektionsmechanismen des HBV blieben das bestimmende Thema seiner Forschung bis zum Auslaufen seiner Forschungsgruppe im Jahr 2006. Viele seiner wissenschaftlichen Beiträge sind heute Bestandteil gängiger Lehrbücher.

 

Heinz Schaller war Träger der Robert-Koch-Medaille in Gold und der Loeffler-Frosch-Medaille der Gesellschaft für Virologie. Für die Entwicklung der Molekularbiologie in Deutschland besonders wichtig war er als Initiator des ersten Schwerpunktprogramms der DFG für Gentechnik. Nach seiner Emeritierung lag sein Hauptinteresse im Aufbau der gemeinsam mit seiner Frau gegründeten Chica-und-Heinz-Schaller-Stiftung, mit welcher der wissenschaftliche Nachwuchs gefördert und in seiner Eigenständigkeit unterstützt werden soll. Dabei handelt das Ehepaar nach der Devise, durch Erfolge in der Wissenschaft erworbenes Vermögen wieder in die Wissenschaft fließen zu lassen. Bereits zum sechsten Mal wurde in diesem Jahr der mit 100.000 € dotierte CHS-Förderpreis verliehen. Darüber hinaus wird die seit 2002 erfolgreich arbeitende Abteilung für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum sowie Nachwuchsgruppen im Exzellenzcluster „Zelluläre Netzwerke“ durch die Stiftung finanziert. Heinz Schaller arbeitete für die Stiftung bis zuletzt fast täglich in seinem Büro am ZMBH und verfolgte aktiv das wissenschaftliche Geschehen.

 

Neben all den genannten Aktivitäten war Heinz Schaller vor allem auch Lehrer und Mentor, aus dessen Labor viele heute in Leitungsfunktion tätige Wissenschaftler hervorgingen.

Ihnen, seinen Kollegen, aber insbesondere vielen jüngeren Wissenschaftlern, für die er immer ein offenes Ohr und einen Rat hatte, geht mit Heinz Schaller ein Gesprächspartner, kluger Ratgeber und Freund verloren. Wir werden ihn vermissen.


Bernd Bukau und Hans-Georg Kräusslich

 

 



Letzte Änderungen: 04.03.2013