Editorial

Bringen Scherben Glück?

Alltäglicher Aberglaube auf dem Prüfstand

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(18. August 2010) Soll man am Freitag, dem 13., überhaupt vor die Tür gehen? Was tun, wenn man mit dem falschen Fuß aufsteht und einem draußen auch noch eine schwarze Katze über den Weg läuft? Reicht es dann, seinen Talisman dabei zu haben oder sollte man lieber schleunigst auf Holz klopfen?

Mitglieder der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften" (GWUP – die Skeptiker) forderten am Freitag, dem 13. August, Passanten in der Hamburger Innenstadt zu einem Experiment auf: Sie wollten herausfinden, ob Glücksbringer wirklich Glück und Unglücksbringer Unglück bringen.

Für den Fall, dass der Effekt der einzelnen Glücksbringer oder Unglückszeichen eher gering und bei einem eher kleinen Stichprobenumfang daher nicht signifikant sein sollte, hatten die Freizeitforscher vorgesorgt. Sie bauten für Glück und Unglück jeweils einen ganzen Parcours auf – in der Annahme, dass Glücks- und Unglücksbringer mindestens einen kumulativen, wenn nicht gar einen multiplikativen Effekt ausüben.

 

Das Schicksal herausfordern

Und das erwartete die Probanden: Beim Glücksparcours sollten sie Geschirr zerschlagen, bekamen einen Glückscent, suchten ein vierblättriges Kleeblatt und klopften dreimal auf Holz. Vor dem Würfeln drückten ihnen die Experimentatoren dann noch feste die Daumen.

Der Unglücksparcours hingegen war nur etwas für ganz Mutige: Die Probanden mussten unter einer Leiter durchgehen, sahen eine schwarze Katze über den Weg laufen, zerschlugen eine Spiegelkachel und verschütteten Salz – und vor dem Würfeln gratulierte man ihnen auch noch verfrüht zum Sieg!

Die Probanden durften zwischen dem Glücks- und dem Unglücksparcours frei wählen. Den ursprünglichen Plan, die Passanten nach ihrem Sternzeichen auf die beiden Gruppen aufzuteilen, hatten die Forscher aufgegeben – etwaige astrologische Einflüsse sollten das Experiment nicht verfälschen.

Um das Eintreten des Ereignisses "Glück" im Rahmen des Experimentes zu objektivieren, ließen die Skeptiker die Versuchspersonen würfeln – bei einer 6 gab es  einen kleinen Gewinn ("Glück"), bei den Zahlen 1 bis 5 einen Trostpreis ("Unglück").

Insgesamt nahmen 141 Probanden an dem Experiment teil. Allerdings brachen vier Versuchspersonen die Studie vorzeitig ab: Sie hatten sich zwar erst für den Unglücksparcours entschieden, waren furchtlos unter eine Leiter durchgegangen und hatten eine schwarze Katze über den Weg laufen sehen. Dann aber schreckten sie davor zurück, einen Spiegel zu zerschlagen! Allen vier Probanden erschien das Risiko von sieben Jahren Pech doch zu groß. Einer der Abbrecher erklärte, dass er sich sonst spätestens beim Verschütten von Salz geweigert hätte – weil er nach dem Umkippen eines Salzfasses schon früher hatte Schicksalsschläge einstecken müssen.

Die GWUPler nutzten die Gelegenheit, darüber aufzuklären, dass eine Annahme nicht dadurch richtiger wird, dass viele Leute an sie glauben, und dass wissenschaftliche Tests das einzig angemessene Mittel sind, solche Hypothesen zu überprüfen. Dabei ist nicht nur der Aberglaube den Skeptikern ein Anliegen – die GWUP klärt auf über Mythen und Verschwörungstheorien, Homöopathie und Alternativmedizin bis hin zu Esoterik und Astrologie.

Während die meisten Versuchspersonen mehr oder weniger interessiert an der Arbeit der GWUP waren, schienen zwei Frauen immun gegen die Argumente der Skeptiker. Die eine bezeichnete sich selbst als "Esoterikerin durch und durch", und verließ den GWUP-Stand  nach einer kurzen und engagierten aber fruchtlosen Diskussion mit den Worten "Ich schließe Sie in meine Gebete ein". Die andere ließ ebenfalls nicht an ihrer Überzeugung rütteln: "Alles ist vorherbestimmt. Alles hängt zusammen. Es gibt keine Zufälle."

Das konnten die Forscher nicht bestätigen. Ein Chi-Quadrat-Test der Stichprobe (zusammengesetzt aus den vier Werten "Gewinn bei Glücksparcours" (8), "Gewinn bei Unglücksparcours" (11), "Trostpreis bei Glücksparcours" (61) und "Trostpreis bei Unglücksparcours" (57)) ergab einen Signifikanzwert von p=0,438, weit entfernt von den geforderten p < 0,05. Das Absolvieren des Glücks- oder Unglücksparcours wirkte sich nicht auf die Gewinnchance aus.

 

Julia Offe

Foto: Julia Offe



Letzte Änderungen: 04.03.2013