Editorial

Nobelpreis für künstliche Befruchtung

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2010 geht an den britischen Physiologen Robert Geoffrey Edwards für die Entwicklung der In vitro-Fertilisation (IVF) im Menschen.

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Robert G. Edwards

(4. Oktober 2010) Seit den späten 1950ern arbeitete Robert G. Edwards an der In vitro-Fertilisation (IVF) als Therapie gegen Unfruchtbarkeit – zuerst am Institute of Animal Genetics, University of Edinburgh, ab 1963 an der University of Cambridge. Er entwickelte Zellkulturmedien für die Fertilisation und die frühe Embryonalentwicklung. Am 25.7.1978 wurde in Oldham, Greater Manchester, UK, das weltweit erste "Test tube baby" geboren, Louise Joy Brown – Höhepunkt von Edwards' über 20 Jahre dauernden Forschung zur IVF.

 

Inspiriert von der Erkenntnis, dass Hormone in Mäusen Oozytenreifung und Eisprung regeln, suchte Edwards seit den 1950ern nach einer Behandlung von menschlicher Unfruchtbarkeit. Die Vorarbeiten zu Edwards Methode der In vitro-Fertilisation leisteten unter anderem zwei Amerikaner: Gregory Pincus, Mitgründer der Worcester Foundation for Experimental Biology in Shrewsbury, Massachusetts, USA, und Miterfinder der Antibabypille, beschrieb 1935 die In vitro-Reifung von Kaninchen-Eizellen, die die Metaphase von Meiose II erreichten – dem Stadium kurz vor der Ovulation. Min Chueh Chang, ebenfalls an der Worcester Foundation for Experimental Biology, zeigte 1959, dass in vitro gereifte Kaninchen-Eizellen in vitro auch fertilisiert werden können und lebensfähige Embryonen hervorbringen, die sich über das 2-Zell-Stadium hinaus entwickeln. In erwachsene Kaninchenweibchen zurückverpflanzt resultierten diese Embryonen in lebensfähigem Nachwuchs.

 

Bevor Edwards die IVF erfolgreich im Menschen anwenden konnte, musste er jedoch diverse Hürden nehmen: die Oozytenreifung kontrollieren, Oozyten eines bestimmten Entwicklungsstadiums (Metaphase der Meiose II) entnehmen, Sperma in vitro aktivieren, Zellkulturmedien finden, welche in vitro die Fertilisation und die frühe Embryonalentwicklung unterstützen und schließlich eine Methode finden, diese frühen Embryonen zurück in den Uterus der Mutter zu transferieren. Diese Probleme arbeitete Edwards nach und nach ab, und er hatte Hilfe: So fand einer von Edwards Studenten an der Cambridge University, Barry D. Bavister, eine Puffermischung, welche die In vitro-Aktivierung von Hamsterspermien unterstützte. Mit ihrer Hilfe aktivierte Edwards 1969 menschliche Spermatozoen für die In vitro-Fertilisierung von reifen Eizellen.

Die Entnahme menschlicher Eizellen perfektionierte der britische Chirurg und Gynäkologe Patrick Christopher Steptoe. Dieser hatte seit 1951 unter Raoul Palmer am Oldham General Hospital in Greater Manchester, England, an der Verbesserung der Laparoskopie zur Gewinnung von menschlichen Eizellen aus unfruchtbaren Patientinnen gearbeitet. Bei der Laparoskopie wird ein fiber-optisches Endoskop durch einen Schnitt in der Bauchdecke in den Eileiter eingeführt, um Eizellen zu entnehmen. Bis dahin wurden Eizellen zusammen mit einem Stück Ovar aus den unfruchtbaren Frauen entnommen, was eine Therapie mit IVF unmöglich machte.

 

Nachdem auch die Probleme, über das 2-Zell-Stadium hinauszukommen und die menschlichen Embryonen wieder in den Uterus einzupflanzen, erfolgreich gelöst waren, konnten Steptoe und Edwards 1976 die erste IVF-Schwangerschaft verzeichnen, die jedoch abgebrochen werden musste, da sich der Embryo ektopisch im Eileiter eingenistet hatte. 1978 schließlich verkündeten Edwards und Steptoe die Geburt des ersten per IVF gezeugten Babys – Louise Joy Brown – worauf die Zahl der hilfesuchenden Patienten exponentiell anstieg. Um sie unterzubringen und weitere IVF-Spezialisten auszubilden, gründeten Steptoe und Edwards 1980 die Bourn Hall Clinic in Bourn, Cambridgeshire, UK. Steptoe war hier Medical Director bis zu seinem Tod im März 1988.

 

Seit 1978 erblickten rund vier Millionen per IVF gezeugte Babys das Licht der Welt.

 

Die Übergabe von Medaille, Preisgeld und Urkunde findet am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, in Stockholm statt.

 

Lara Winckler

Foto: AP



Letzte Änderungen: 04.03.2013