Editorial

Interview: Thomas Bernauer zu den Schutzkosten von Gentechnik-Feldversuchen

Gentechnisch veränderte Pflanzen sind vor allem eins: umstritten. Wer ihr Potenzial unter natürlichen Bedingungen erforschen will, muss sich mit ihnen aus dem geschützten Labor herauswagen. Die Vergangenheit zeigte, dass es sich dabei tatsächlich um ein Wagnis handelt: Die Kosten für den Schutz von GV-Pflanzen unter freiem Himmel übersteigen – zumindest in der Schweiz – die Kosten ihrer Erforschung.

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(25. Februar 2011) Gentechnik im Freiland ist teuer, wenn gesetzliche Auflagen eingehalten und der Schutz der Versuchsanlagen gewährleistet sein müssen. In der Schweiz ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen durch ein bis mindestens 2013 gültiges Moratorium zurzeit nur für Forschungszwecke erlaubt, für die kommerzielle Verwendung hingegen ausgeschlossen. Thomas Bernauer, Professor für Politikwissenschaften an der ETH Zürich, hat die Kosten für einen Freilandversuch mit gentechnisch verändertem Weizen untersucht.

Laborjournal: Herr Bernauer, was haben Sie im Rahmen Ihrer Studie untersucht?

Thomas Bernauer: Wir haben die Kostenstruktur eines Feldversuchs analysiert und errechnet, wie hoch die Kosten wären, wenn wir keine staatliche Regulierung hätten und wenn die Öffentlichkeit sich praktisch überhaupt nicht für diesen Feldversuch interessieren würde. Dann haben wir geschaut, welche Ausgaben zusätzlich zu den reinen Forschungskosten angefallen sind, die man im engeren oder weiteren Sinne mit staatlichen Vorschriften oder öffentlicher Opposition begründen kann. Dabei haben wir festgestellt, dass auf jeden Euro für reine Forschungskosten zusätzlich 1,26 Euro hinzukommen.

Wie kommen diese Zusatzkosten zustande?

Thomas Bernauer: Das sind zum einen die Biosicherheitskosten. Sie entstehen durch Auflagen der Regulierungsbehörde für solche Feldversuche, etwa zur Aberntung der Versuchspflanzen und zur Sicherung des Feldversuchs – im weiteren Sinne zum Schutz von Mensch und Umwelt vor diesen freigesetzten Gentechnikpflanzen. Weiterhin geht es um den Schutz des Feldversuchs vor Vandalismus. Die dritte Kategorie sind Ausgaben des Umweltbundesamts, welches als Regulierungs- beziehungsweise Aufsichtsbehörde diesen ganzen Versuch bewilligt und begleitet. Über die Hälfte der Zusatzkosten dienten dem Schutz vor Vandalismus.

War die Sorge vor Vandalismus begründet, oder handelte es sich um reine Vorsichtsmaßnahmen?

Thomas Bernauer: Dieser Feldversuch wurde mit relativ bescheidenen Schutzmaßnahmen begonnen, da man sich nicht hinter einer hohen Mauer verstecken, sondern den Dialog mit der Bevölkerung wollte. Das hat nicht geklappt, denn es gab eine größere Vandalenattacke in Reckenholz bei Zürich und dann noch eine zweite in Pully in der Nähe von Lausanne. Bei der ersten Attacke wurde ein Großteil des Feldversuchs beschädigt, so dass man in der Folge die Schutzmaßnahmen erhöht hat.

Glauben Sie, dass sich Ihre Ergebnisse auch auf die Situation in Deutschland oder der EU übertragen lassen?

Thomas Bernauer: Schwer zu sagen, da diese Studie sozusagen eine Pionierarbeit ist. Ich würde mal spekulieren, dass die Zusatzkosten in Deutschland etwas geringer ausfallen. In der Schweiz sind die Versuchsflächen relativ klein, eine Gruppe von GVO-Gegnern kann sie natürlich zerstören. In Deutschland dürfte das aufgrund der viel größeren Versuchsflächen schwieriger sein. Ich denke, dass es solche Skaleneffekte gibt, dass mit Größe der Versuchsfläche die Zusatzkosten abnehmen. Sie dürften aber auch in Deutschland aufgrund der Biosicherheitsvorschriften und den Aktivitäten radikaler GVO-Gegner beträchtlich sein. In China oder den USA sind die Hürden in Bezug auf Bewilligungsverfahren kleiner und die Öffentlichkeit interessiert sich kaum für GVO-Feldversuche.

Braucht man andere Gesetze, um die Kosten von Feldversuchen mit GV-Pflanzen zu senken, oder halten Sie strikte Regeln für sinnvoll?

Thomas Bernauer: Das war nicht die Frage unserer Forschungsarbeit. Man könnte entweder an den staatlichen Vorschriften schrauben und diese lockern, oder man könnte die Kosten zum Schutz vor Vandalismus reduzieren. Ich glaube, dass die erste Variante politisch ein Nonstarter ist, denn die Schweizer Bevölkerung ist eher skeptisch gegenüber dieser Technologie. Politisch wäre es völlig unsinnig, jetzt eine Diskussion zu starten, ob man Biosicherheitsvorschriften aufweichen sollte. Viele Pflanzenwissenschaftler erachten sie als übertrieben, die breite Bevölkerung findet sie gerechtfertigt. Schließlich sind wir keine Technokratie, sondern eine Demokratie. In der Schweiz gibt es eine direkte Demokratie, und das Volk hat sich sehr klar für dieses Moratorium entschieden.

Wie lassen sich die Zusatzkosten für Feldversuche reduzieren?

Thomas Bernauer: Wir schlagen in unserer Analyse vor, dass man sogenannte „Protected Sites“ einrichtet. Das sind Versuchsfelder, die noch besser geschützt werden durch Zäune, Videoanlagen, Bewegungsmelder – das übliche Sicherungsprogramm, dass man auch bei gut geschützten Industrieanlagen hat. Man müsste am Anfang etwas mehr in die Hardware investieren, aber das würde sich langfristig rechnen. Insbesondere wegen der hohen Lohnkosten in der Schweiz ist die Bewachung durch Personal eben unglaublich teuer.

 

 

Interview: Mario Rembold

 

Bilder: iStock/CrackerClips

            ETH Zürich



Letzte Änderungen: 04.03.2013