Editorial

Ärger mit S1-Auflagen

Die Sicherheitsstufen 1 bis 4 für das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) schreibt das Gentechnik-Gesetz vor. In den Augen vieler Wissenschaftler sind die Auflagen für die niedrigste Stufe S1 zu hoch. Dies meint auf jeden Fall Rudolf Wiesner, Altersforscher am Institut für Vegetative Physiologie der Uni Köln.

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(27. Mai 2011) Rudolf Wiesner hat einen unangenehmen Job übernommen: Er ist Projektleiter eines zentralen S1-Tierstalls und muss sich laut Gentechnik-Gesetz (GenTG) an die Sicherheitsbestimmungen für S1-Labore halten. Diese hält er für überzogen. Womit er bei weitem nicht alleine ist: Auch der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO) fordert die Abschaffung der Sicherheitsstufe 1.

 

Laborjournal: Herr Wiesner, Sie hatten wegen des Gentechnik-Gesetzes erst vor kurzem Ärger mit den Behörden. Wie kam es dazu?

Rudolf Wiesner: Wir haben einen zentralen S1-Tierstall für Mäuse, die zwar gesund sind, aber Keime tragen, die in den anderen Tierhaltungen nicht vorkommen. Von diesen Tieren werden Embryotransfers in ihre „sauberen“ Artgenossen gemacht. Ist das erledigt, bekommt ein anderer Forscher den kostbaren Käfigplatz – daher wechseln die Arbeitsgruppen in diesem Tierstall häufig. Ich bin Projektleiter geworden, weil irgendjemand es machen musste, nehme diesen Job aber absolut nicht ernst. Genmodifizierte Mäuse muss man nicht überwachen. Es gibt keinen Grund für jeglichen damit verbundenen bürokratischen Aufwand. Wir Altersforscher wissen ja, dass Organismen in der Natur grundsätzlich nicht alt werden. Wildmäuse sterben innerhalb der ersten sechs Lebenswochen, viele bevor sie sich selbst reproduziert haben. Labormäuse sind draußen überhaupt nicht überlebensfähig, genetisch modifizierte ebensowenig. Zudem gibt es im Labor eine Barriere, die eigentlich zum Schutz der Mäuse da ist. Diese ist aber auch umgekehrt unüberwindlich – die Mäuse können dort nicht rauskommen.

Wogegen hatten Sie denn verstoßen?


Rudolf Wiesner: Die Bezirksregierung Köln kam zur Überprüfung und ich hatte die Mitarbeiter nicht belehrt. Da diese so häufig wechseln, wollte ich das nicht tun. Das ist auch gar nicht nötig, denn sie haben jeweils eigene Maushaltungen und werden dort bereits über das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Mäusen von ihren Projektleitern belehrt. Zudem haben sie weitere S1-Labors, in denen sie mit E. coli arbeiten – die können das. Einen Termin mit allen zu finden, um ihnen zu sagen, dass sie im S1-Tierstall nicht essen, nicht trinken und nicht rauchen dürfen und dass ihnen die Mäuse nicht entkommen sollen, ist ein riesiger Aufwand. Daraufhin bekam ich ein Revisionsschreiben, in dem – unter Androhung von 13.500 Euro Höchststrafe – darauf hingewiesen wurde, dass eine arbeitsplatzbezoge Belehrung für jede gentechnische Anlage vorgeschrieben ist. Das Argument, dass alle unterwiesen sind, zählte nicht.

Was werden Sie jetzt tun?

Rudolf Wiesner: Ich glaube, ich werde in meiner Antwort an die Behörde schreiben, dass sie bald eine Unterschriftenliste bekommt, aber zwischen den Zeilen wird sie lesen können, dass ich natürlich keine Belehrung mache. Wenn ich die Mitarbeiter in der Mensa zusammenrufe und sage „Hiermit seid ihr belehrt, unterschreibt mir das!“ und die Behörde damit glücklich ist, dann kann ich sie so zufrieden stellen. Wenn ich allerdings wüsste, dass es nicht mehr als 500 Euro kostet, würde ich es riskieren keine Belehrung durchzuführen. Ich würde mich gerne einmal mit der Behörde vor den Verwaltungsrichter stellen.

Unterscheiden Sie zwischen gentechnisch veränderten Mäusen und E. coli, was die S1-Regelungen angeht?


Rudolf Wiesner: Nein, denn S1-Organismen sind per Definition für Mensch und Umwelt nicht gefährlich. Der VBIO sagt, dass es in den zwanzig Jahren, in denen es das Gentechnik-Gesetz gibt, keinen einzigen dokumentierten Fall gab, in dem ein Mensch oder die Umwelt gefährdet war. Deshalb fordern sowohl der VBIO wie auch andere, die bestehende S1-Regelung abzuschaffen. Man müsste Tiere und E. coli aus der S1-Verordnung rausnehmen und für GVO-Pflanzen etwas Eigenes schaffen. Mit Pflanzen sollte man im Labor auch frei arbeiten können, aber da ist vielleicht eine behördliche Überwachung nötig, weil Pflanzensamen schnell durch eine Ritze aus dem Gewächshaus geweht werden können. Ich kann mir schon vorstellen, dass man da größeren Aufwand betreiben muss, aber ich bin kein Botaniker.

Interview: Valérie Labonté
Bilder (2): iStock/CrackerClips,
                Uni Köln



Letzte Änderungen: 04.03.2013